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Kategorie: Fahrerlaubnisrecht

MPU

MPU wegen aggressiven Verhaltens vermeiden!

In der MPU-Statistik bilden Verkehrsverstöße aufgrund von „aggressivem Verhalten“ eine beachtliche Rolle. Bei den Begutachtungsgründen führend ist zwar sind zwar Alkohol- und drogenbedingte Fragestellungen. Etwa 40 % der medizinisch-psychologischen Untersuchungen erfolgen wegen Alkohol- und weitere rund 30 % wegen Drogenproblematiken. Bei den sonstigen Anlässen fallen allerdings die in der Statistik als sonstige strafrechtliche Auffälligkeiten und Verkehrsauffälligkeiten bezeichneten Begutachtungsgründe ebenfalls mit rund 20 Prozent ins Gewicht.

(https://www.bast.de/DE/Presse/Mitteilungen/2022/07-2022.html)

Hierzu zählen schwerpunktmäßig solche Fallgestaltungen, denen ein strafrechtliches Verfahren wegen aggressivem Verhalten im Straßenverkehr vorausging, z.B. Gefährdung des Straßenverkehrs, Nötigung, Beleidigung, etc.

Die Durchfallquoten bei solchen Fallgestaltungen liegen bei über 40 %. Dennoch führen diese Fallgestaltungen in der Öffentlichkeit ein Schattendasein.

Für die Betroffenengruppe ergeben sich einige schwerwiegende Besonderheiten. Insbesondere gibt es zur Vorbereitung auf die MPU keine „standardisierten“ Kurse und Vorgehensweisen, wie dies etwa für Alkoholverstöße der Fall ist. Vor allem aber fehlt es aber nach meiner praktischen Erfahrung oft von vornherein an einem Problembewusstsein bei Betroffenen. Es ist nach meiner Einschätzung nicht allgemein bekannt, dass aggressives Verhalten im – aber auch außerhalb – des Straßenverkehrs fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen auslöst. Betroffene unterschätzen die Bedeutung solcher Strafverfahren.

Eine zentrale Rolle zur Vermeidung von fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen spielt aber die richtige und frühzeitige Verteidigung im Strafverfahren. Das Strafverfahren ist der regelmäßige Auslöser für das zeitlich nachgelagerte Verfahren vor der Fahrerlaubnisbehörde.

Gerade die typischen „aggressionsgeneigten“ Verstöße, wie etwa Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c StGB, häufig in Zusammenhang mit Nötigung nach § 240 StGB und/oder Beleidigung und Bedrohung, sind von einer geradezu gegenseitigen Begehungsweise geprägt. Typisch ist, dass es immer einen Anzeigeerstatter und einen Beschuldigten gibt. Typisch sind auch geradezu aufgebauschte Sachverhalte bis hin zu falschen Verdächtigungen und eben gegenseitige Begehungsweisen.

Wer nun aber solche Sachen auf die leichte Schulter nimmt und nicht rechtzeitig die Akte prüft und eine Einlassung abgibt, der verschenkt nicht nur im Rahmen des Strafverfahrens erhebliches „Einstellungspotential“, sondern provoziert den Erlass eines Strafbefehls. Ist der Strafbefehl in der Welt, steht faktisch der oder die Schuldige fest. Die Hauptverhandlung lässt sich dann kaum noch vermeiden. Der Mandant ist vorverurteilt.

Demgegenüber lässt sich mit einer Stellungnahme nach Aktenprüfung und vor Erlass eines Strafbefehls nicht selten noch die Einstellung des Strafverfahrens erreichen. Noch nie ist es in meiner Praxis passiert, dass sich eine Mandantin oder ein Mandant nach einer solchen Einstellung zurückgemeldet hätte, weil er oder sie Post von der Fahrerlaubnisbehörde erhalten hätte.

Selbst wenn aber eine Bestrafung des Beschuldigten im Einzelfall nicht zu vermeiden ist, auch das kommt vor, kann ich als Verteidiger aber, wenn ich diese Situation rechtzeitig zutreffend einschätze, zumindest fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen noch vermeiden oder abmildern.

Im Groben gibt es bei einer Verurteilung oder einem Strafbefehl durch das Strafgericht zwei Fallgestaltungen:

  1. Das Strafgericht entzieht dem oder der Verurteilten im Urteil/Strafbefehl die Fahrerlaubnis. Das ist vor allen Dingen bei § 315 c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) eine Regelfolge. Dann muss der Betroffene einen Antrag auf Neuerteilung bei der Fahrerlaubnisbehörde stellen, was regelmäßig eine MPU auslösen wird. Hier kann es bereits aus diesem Grund angezeigt sein, Rechtsmittel einzulegen, was allerdings Vor- und Nachteile hat, die im jeweiligen Einzelfall abzuwägen sind, Stichworte: zeitlicher Ablauf, Sperrfrist etc..
  2. Das Strafgericht belässt dem Verurteilten die Fahrerlaubnis, indem es entweder keine Führerscheinmaßnahme anordnet oder zumindest auf ein Fahrverbot nach § 44 StGB „abmildert“. Gerade in dieser Konstellation ist der oder die Verurteilte nur dann vor einer MPU sicher, wenn das Strafgericht seine Fahreignung ausdrücklich im Urteil bestätigt. Der Verteidiger sollte also den oder die Richterin in der Verhandlung ausdrücklich unter Hinweis auf die Folgen für die Mandantschaft bitten, im Urteil wörtlich zu vermerken, dass das Gericht den oder die Verurteilte (wieder) für geeignet hält, am Straßenverkehr teilzunehmen. Nur an eine solche ausdrückliche Feststellung ist die Fahrerlaubnisbehörde gebunden.

Aber wie erreiche ich das als Beschuldigter bzw. Verteidiger?

Komme ich zu der Erkenntnis, dass nach Prüfung der Akte eine Verurteilung oder ein Strafbefehl nicht zu vermeiden ist, dann sollte ich der Mandantschaft frühzeitig anraten, an einer verkehrspsychologischen Schulung teilzunehmen. Für aggressives Verhalten im Straßenverkehr gibt es – im Gegensatz zu Alkohol oder Drogenauffälligkeiten – zwar keine standardisierten Schulungen. Es gibt aber verkehrspsychologische Intensivkurse. Diese sind zwar recht teuer, hier wird aber der oder die Betroffene in mehreren Sitzungen mit einem Verkehrspsychologen intensiv und einzelfallmäßig beraten. Durch die Teilnahme an einer solchen Maßnahme kann das Gericht überzeugt werden, dass beim jeweiligen Beschuldigten Einsicht im sein Fehlverhalten eingekehrt ist und er sein Verhalten in Zukunft ändern und beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilnehmen wird.

Nur wenn es nicht gelingt, dass das Gericht die Fahreignung positiv feststellt, kann auch in einem Fall, in dem das Gericht die Fahrerlaubnis nicht im Urteil entzogen hat, nachfolgend noch eine MPU angeordnet werden.

Absolut wesentlich aus anwaltlicher Sicht ist, dass ich das Thema MPU erkenne und es Teil meiner Beratung in einer strafrechtlichen Verteidigung wegen aggressiven Verhaltens (vor allem im Straßenverkehr) ist. Die MPU ist letzten Endes in der Regel das Schlimmste, was der oder die Betroffene zu befürchten hat.

BGH: Promillegrenze für E-Scooter bleibt offen

Der BGH hat durch Beschluss vom 13.4.2023 – 4 StR 439/22 – entschieden, dass für E-Scooter, die nicht unter die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung fallen, der Grenzwert zur absoluten Fahruntauglichkeit bei 1,1 Promille liegt.

Hintergrund der Entscheidung war, dass der Angeklagte mit einem E-Scooter gefahren war, der eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte. Elektrokleinstfahrzeuge sind aber nur solche, die eine Maximalgeschwindigkeit von bis 20 km/h erreichen.

Die Frage, ob die 1,1 Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit auch für E-Scooter gilt, auf die die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung anwendbar ist (max. Höchstgeschwindigkeit 20 km/h), hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offengelassen.

Die Tendenz in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und Landgerichte ist dagegen eindeutig: Alle mir bekannten obergerichtlichen Entscheidungen stellen auf die 1,1 Promillegrenze ab.

Rechtsfolge ist daher weiterhin, dass der Führerschein ab 1,1 Promille regelmäßig schon vor Ort von der Polizei beschlagnahmt bzw. sichergestellt wird und eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verhängung einer entsprechenden Sperrfrist im Raum steht.

Es lohnt sich aktuell eine Einzelfallbetrachtung zur Widerlegung der Regelvermutung, dass der oder die Betroffene ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Je nach Fall kann eine Fahrerlaubnisentziehung auch über 1,1 Promille noch abgewendet werden.

Ab 1,6 Promille ist übrigens die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zwingend vorgesehen. Das gilt für alle Fahrzeuge, auch Fahrräder. Nähert sich der/die Betroffene der 1,6 Promillegrenze an, kann eine MPU angeordnet werden, wenn Anhaltspunkte für Alkoholmissbrauch bestehen.

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MPU immer häufiger unter 1,6 Promille

Man hat inzwischen, vermutlich aufgrund der  Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.3.2021 –  3 C 3/20, welche die bisherige Rechtsprechung eigentlich nur wiederholt hat, den Eindruck, dass die Fahrerlaubnisbehörden ab 1,1 Promille zunehmend medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU) anordnen.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Deutsches Autorecht (DAR 2023, 286-287) ist ein beispielhaftes Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth VG vom 13. September 2022 – B 1 K 22.30 – veröffentlicht, anhand dessen ich kurz die Problematik darstellen möchte. Ich möchte anhand dieses Falles noch einmal darauf hinweisen, von welcher Bedeutung Einlassungen und Verhaltensweisen des Beschuldigten im Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt für ein späteres Fahrerlaubnisverfahren sind.

Gegenstand der Entscheidung ist eine Klage auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangenem strafrichterlichem Entzug. Der Kläger klagte auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gegen die zuständige Fahrerlaubnisbehörde. Diese hatte eine medizinisch-psychologische Untersuchung vor Erteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Der Kläger hielt die Anordnung für rechtswidrig. Das VG Bayreuth gab der Fahrerlaubnisbehörde Recht und wies die Klage ab.

Die Anordnung war in diesem Fall auf  § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e) der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) gestützt. Danach muss die Behörde eine MPU anordnen, wenn „sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht.“

Zum Sachverhalt:

Beim Kläger wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle eine Blutalkoholkonzentration von 1,12 ‰ festgestellt. Ein Fahrfehler im Sinne einer verkehrsbezogenen Ausfallerscheinung wurde nicht festgestellt.

Im Rahmen der Blutentnahme werden ein polizeilicher Bericht (sog. Torkelbogen) und ein ärztlicher Bericht zum Zustand des Beschuldigten gefertigt, anlässlich dessen verschiedene Tests durchgeführt werden. Der ärztliche Untersuchungsbericht enthielt im Falle des Klägers folgende Feststellungen:

„Gang (geradeaus) sicher, Drehnystagmus feinschlägig, Finger-Finger-Prüfung, Finger-Nasen-Prüfung sicher, Sprache deutlich, Pupillen unauffällig, Pupillenlichtreaktion prompt, Bewusstsein klar, Denkablauf geordnet, Verhalten beherrscht, Stimmung gereizt, äußerlicher Anschein des Einflusses von Alkohol leicht bemerkbar.“

Zum Trinkverhalten gab der Kläger an, vor Fahrtantritt zwei Biere getrunken, sich aber für fahrtauglich gehalten zu haben. Er habe unvorhergesehen wegen einer Streitigkeit den ehemaligen Freund seiner Tochter und seine Tochter nach Hause fahren müssen. Die hohe BAK könne er sich nicht erklären.

Das VG Bayreuth führt in Anlehnung an die Entscheidung des BVerwG aus:

„Unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV liegen dann Zusatztatsachen vor, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 ‰ oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Denn dies deutet auf eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung hin und begründet eine damit einhergehende erhöhte Wiederholungsgefahr für einen Verstoß gegen das Trennungsgebot und damit Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn. …

Der vom Kläger eingeräumte Alkoholkonsum steht dabei in Widerspruch zu der bei ihm gemessenen Blutalkoholkonzentration. Der Wert von 1,12 ‰ zwei Stunden nach dem eingeräumten letzten Konsum lässt sich mit zwei Bier unter Berücksichtigung des Körpergewichts des Klägers von nur 62 kg nicht erklären. …

Die vom Kläger geschilderten Umstände der Alkoholfahrt, nämlich dass er unvorhergesehen und auch um einen Disput mit seiner Ehefrau zu beenden, den ehemaligen Freund seiner Tochter nach Hause habe fahren wollen, entlastet ihn nicht. Zwar ist die Schilderung durchaus glaubwürdig, dennoch hat sich der Kläger dazu entschieden, in erheblich alkoholisiertem Zustand am Straßenverkehr teilzunehmen, noch dazu mit seiner Tochter und deren ehemaligem Freund im Fahrzeug.

Wenn der Kl. vorträgt, er könne sich die bei ihm gemessene BAK nicht erklären, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Insbesondere ist nicht von Amts wegen nach anderen möglichen Ursachen für den gemessenen Wert zu suchen, wie z. B. eine – vom Klagebevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angedeutete – mögliche von der Norm abweichende gesundheitliche Disposition des Kl., ohne dass konkrete Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Auch spricht die Schilderung des Kl., er habe sich durch den vorhergegangenen Alkoholkonsum nicht beeinträchtigt gefühlt, eher für die Feststellungen des Arztes, wonach keine Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Dem Kl. hätte es offen gestanden, im strafrechtlichen Verfahren dergleichen vorzubringen. Außerdem bedürfte es hierzu grundlegender substantiierter Darlegungen.“

(VG Bayreuth, Urteil vom 13. September 2022 – B 1 K 22.30 –, Rn. 29, juris)

Entscheidende Zusatztatsache, die für den Verdacht auf Alkoholmissbrauch ausreichte, war sicherlich die Tatsache, dass der Kläger bei der ärztlichen Untersuchung einen nahezu nüchternen Eindruck hinterließ.

Aber auch alle weiteren Angaben, die gemacht bzw. nicht gemacht wurden, hat das Verwaltungsgericht gewertet, in diesem Fall zu Lasten des Klägers verwertet.

Der Fall ist geradezu typisch. Es ist üblich und menschlich verständlich, dass das Trinkverhalten von Beschuldigten im Rahmen der Verkehrskontrolle  bzw. auf der Polizeiwache heruntergespielt wird. Auch höre ich oft von meinen Mandanten, sie hätten ja „alle Tests bestanden“, womit dann die Tests im Rahmen des Torkelbogens gemeint sind.

Sie müssen an solchen Tests nicht mitwirken und sollten das auch nicht tun. Machen Sie als Beschuldigte/r im Rahmen der polizeilichen Kontrolle und Vernehmung keine Angaben zur Sache und zwar weder zum Trink- noch zum Fahrverhalten, zum Anlass der Fahrt oder sonstigen Umständen! Sie haben das Recht zu Schweigen. Auch wenn im nachfolgenden Fahrerlaubnisverfahren nachteilige Schlüsse aus Ihrem Schweigen gezogen werden können, sollten Sie von diesem Recht Gebrauch machen und umgehend einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufsuchen!

Cannabis am Steuer – Was kommt auf Sie zu?

Sie wurden unter Cannabiseinfluss am Steuer erwischt und fragen sich, was nun auf Sie zukommt?

Mit diesem Beitrag gebe ich Ihnen einen groben Überblick. Ausführlichere Erläuterungen können Sie sich in meiner nachfolgend verlinkten Podcastfolge anhören:

Zum Verkehrsrecht-Podcast: # 26 Cannabisfahrt – Was tun?

Zunächst ist es für Betroffene wichtig, zwischen verschiedenen rechtlichen Problemkreisen zu unterscheiden. Diese stehen zwar in engem rechtlichen, nicht aber zwingend im engen zeitlichen Zusammenhang, z.B. tauchen fahrerlaubnisrechtliche Fragestellungen oft erst lange nach Abschluss des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens auf.

Kommt es zu einem Unfall, stehen auch versicherungsrechtliche Probleme an. Denn betreffend die Kfz-Haftpflichtversicherung kommt ein betragsmäßig begrenzter Regress in Betracht. Die Vollkaskoleistung können Sie sogar vollständig verlieren. Das soll aber nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Wir gehen im Folgenden von einer Cannabisfahrt OHNE Unfall aus.

Bei Cannabis sind mehrere Werte zu unterscheiden. Hauptsächlich kommt es auf den THC-Wert (aktiver Wert) und den THC-COOH-Wert (THC-Carbonsäurewert, Abbauwert oder Langzeitwert) an. Daneben wird in manchen Fällen auch der THC-OH-Wert ermittelt. Dieser gibt Anhaltspunkte für einen zeitnahen Konsum, da er innerhalb weniger Stunden auf Null zurückgeht.

Der „Grenzwert“ bei Cannabis liegt nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung (Ausnahme Bayern) bei einem THC-Gehalt von 1,0 ng/ml. Liegt der Wert darunter, sind Sie nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht unter der Wirkung von Cannabis gefahren. Eine Strafbarkeit kommt dann nicht in Betracht, ebenso wenig eine Ordnungswidrigkeit.

Liegt der THC-Wert bei 1,0 ng/ml oder darüber, so wird zunächst ein Strafverfahren gegen den oder die Beschuldigte(n) eingeleitet. Eine Bestrafung wegen Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB kommt aber nur in Betracht, wenn – unabhängig von der tatsächlichen Höhe des THC-Wertes – verkehrsbezogene Ausfallerscheinungen nachweisbar sind. Typische Ausfallerscheinungen sind beispielsweise Schlangenlinien, das Überfahren von Bordsteinen, etc..

Sind solche Ausfallerscheinungen feststellbar, folgt eine Bestrafung – bei erwachsenen Beschuldigten häufig durch Strafbefehl – und eine Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht. Der Beschuldigte muss dann bei der Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragen.

Sind solche Ausfallerscheinungen nicht feststellbar, so liegt, auch bei sehr hohen THC-Werten, keine Strafbarkeit nach § 316 StGB vor. Die Staatsanwaltschaft stellt dann das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein und gibt die Akte an die Bußgeldstelle ab. Dem Betroffenen wird sodann „nur noch“ eine Ordnungswidrigkeit, konkret ein Verstoß gegen § 24 a Absatz 2 StVG, vorgeworfen. Satz 1 dieser Vorschrift lautet:

„Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. …“

Rechtsfolge ist ein Bußgeldbescheid über 500,00 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat. Wird dem Betroffenen Vorsatz vorgeworfen, verdoppelt sich die Geldbuße.

Mit der Rechtskraft des Bußgeldbescheides sind Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren abgeschlossen.

Bei einem solchen Ablauf – also einer Entscheidung im Bußgeldverfahren – tritt der Betroffene das Fahrverbot an und erhält dann seinen Führerschein zurück. Betroffene gehen dann häufig davon aus, dass „nichts mehr kommt“. Denn Ihnen wurde die Fahrerlaubnis nicht vom Gericht entzogen.

Tatsächlich aber erhält die Fahrerlaubnisbehörde spätestens nach Abschluss des Bußgeld- oder Strafverfahrens eine Information über die Cannabisfahrt, häufig auch schon früher. Daraufhin wird ein fahrerlaubnisrechtliches Verfahren zur Klärung der Frage eingeleitet, ob der Betroffene geeignet ist, Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Für die Frage der Eignung bzw. die Frage, welche Maßnahme die Behörde ergreift, ist entscheidend, ob ein einmaliger, ein gelegentlicher oder ein regelmäßiger Konsum von Cannabis vorliegt.

Die Behörde prüft in diesem Zusammenhang unter anderem vorab, wie hoch der THC-COOH Wert (Langzeitwert) ist. Aber auch Einlassungen des Betroffenen und sonstige Tatsachen aus der Bußgeld- bzw. Strafakte werden von der Behörde geprüft. Die Fahrerlaubnisbehörde erhält hierfür nicht nur Einsicht in die Bußgeldakte sondern holt auch weitere Auskünfte ein (Fahrerlaubnisregisterauszug, polizeiliche Auskünfte, BZR-Auszug, …). In diesem Zusammenhang kann es auch passieren, dass andere, allgemeine Strafsachen, die ebenfalls Eignungszweifel wecken, auf den Tisch kommen. Damit wollen wir uns in diesem Beitrag aber nicht beschäftigen.

Zu beachten ist im Fahrerlaubnisverfahren, dass es sich, auch wenn es Betroffene häufig anders empfinden, bei Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nicht um Strafmaßnahmen sondern letztlich um verwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Sicherung des Straßenverkehrs handelt. Dass es sich nicht um Strafverfahren handelt, bedeutet auch, dass die strafrechtlichen Grundsätze, wie etwa, dass Schweigen nicht zum Nachteil des Betroffenen gewertet werden darf oder im Zweifel zu Gunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, keine Geltung beanspruchen.

Der Betroffene ist hier in der „Bringschuld“. Er muss daran mitwirken, dass seine Eignung festgestellt wird. Nimmt er an rechtmäßig angeordneten Maßnahmen nicht teil, wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen.

Liegt einmaliger Konsum vor, was so gut wie nie vorkommt und bereits anhand des Langzeitwertes widerlegbar ist, ist keine weitere Maßnahme veranlasst.

Meistens liegt gelegentlicher Konsum vor. Dieser wird bereits bei eingeräumtem zweimaligen Konsum angenommen und steht bei einem THC-COOH-Wert von mehr als 5 ng/ml praktisch fest.

Bei gelegentlichem Konsum wird die Behörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen, um die Frage zu klären, ob der Betroffene zukünftig zwischen dem Konsum und dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr trennen können wird.

Bei regelmäßigem Konsum, welcher ab 75 ng/ml THC-COOH-Wert anzunehmen ist, wird die Fahrerlaubnis entzogen.

Wie bereits erwähnt, sind für das Konsumverhalten nicht nur die Blutwerte maßgeblich, sondern auch die Erkenntnisse aus dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Wer im Strafverfahren von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch macht, wird in dem oft Monate später angestoßenen Fahrerlaubnisverfahren mit entlastenden Angaben (z.B. versehentliche Einnahme oder einmaliger Konsum) in der Regel nicht mehr gehört.

Wer mit Cannabis am Steuer erwischt wurde, sollte sich also nicht nur fragen, ob und wie er sich äußert, sondern vor allem auch wann. Letztlich kann wegen der Komplexität dieser Verfahren und den erheblichen Rechtsfolgen für Betroffene, nur angeraten werden, sich sofort nach dem Verstoß an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden.

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BGH: Doch nicht 1,1 Promille für alle E-Scooter?!

Doch nicht 1,1 Promille für alle E-Scooter?

Die überwiegene obergerichtliche Rechtsprechung geht derzeit davon aus, dass ab einer Promillegrenze von 1,1 Promille auch beim Fahren mit einem E-Scooter  absolute Fahruntauglichkeit vorliegt. Das bedeutet, dass es ab einem Blutalkoholwert von 1,1 Promille nicht darauf ankommt, ob der Beschuldigte verkehrsbezogene  Ausfallerscheinungen aufgewiesen hat oder nicht (z.B. Schlangenlinien oder ähnliche Fahrfehler).

Konsequenz ist eine Häufung von Urteilen und vorläufigen Fahrerlaubnisentziehungen in diesen Fällen, insbesondere in meinem Tätigkeitsgebiet Saarland und angrenzende Rheinland-Pfalz.

Damit wendet die Rechtsprechung letztlich auf das Fahren mit E-Scootern unterscheidungslos die Promillegrenze für Autofahrer an.

Das dürfte nach einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichthofs falsch sein.

Der BGH hat die Promillegrenze für E-Scooter nämlich zumindest andeutungsweise geklärt, ohne sie ausdrücklich zu klären. Nach meiner rechtlichen Einschätzung gilt die 1,1 Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit für E-Scooter nur dann, wenn es sich um fahrerlaubnispflichtige E-Scooter handelt, nicht aber für die, wie üblich fahrerlaubnisfreien E-Scooter der typischen Mietanbieter.

Was hat der BGH also (nicht) entschieden?

Der BGH hatte (unter anderem) über mehrere Trunkenheitsfahrten mit einem E-Scooter zu entscheiden. Der Verurteilte hatte seine Verurteilung durch das Landgericht Hechingen wegen mehrerer Taten – unter anderem Fahren ohne Fahrerlaubnis und mehrere Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern – angegriffen.

Zugrunde lag, soweit für die Trunkenheitsfahrt mit E-Scootern von Bedeutung, folgender Sachverhalt:

 

„In den Fällen II.23., II.30., II.31. und II.34. führte der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand im öffentlichen Verkehr einen „Elektroroller Sunny-E-Bike“, der ein Versicherungskennzeichen trug und mit dem ohne Einsatz menschlicher Kraft eine Geschwindigkeit von 20 km/h erreicht werden kann. Dabei wies der Angeklagte in zwei Fällen jeweils eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 ‰ auf (Fälle II.23. und II.34.).“ (BGH, Beschluss vom 02. März 2021 – 4 StR 366/20 –, juris, Hervorh. d. Unterz.)

Der BGH hat das angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache ans LG Hechingen zur Aufklärung des Sachverhalts zurückverwiesen.

Orientierungssatz nach juris:

„In den Fällen II.23. und II.34. (Anmerkung des Unterzeichners: Trunkenheitsfahrten mit mehr als 1,1 Promille, siehe oben) fehlt es an Feststellungen zur fahrzeugtechnischen Einordnung des bei den Fahrten verwendeten Elektrorollers. Dem Senat ist es deshalb verwehrt, anhand der Urteilsgründe zu überprüfen, ob das Landgericht zu Recht den für alkoholisierte Führer von Kraftfahrzeugen als unwiderleglichen Indizwert für die Annahme absoluter Fahrtüchtigkeit entwickelten Grenzwert der Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89) seiner rechtlichen Bewertung der Taten zugrunde gelegt hat. Zwar ergibt sich aus den Feststellungen noch, dass mit dem Elektroroller ohne menschlichen Kraftaufwand eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h erreicht werden konnte, so dass es sich bei diesem um ein Elektrokleinstfahrzeug im Sinne des § 1 eKFV gehandelt haben könnte. …“

Wie der BGH die Rechtslage sieht ergibt sich aus folgendem Satz:

„Mangels näherer Feststellungen sowohl zu der Fahrzeugklasse des vom Angeklagten genutzten Elektrorollers als auch zu dessen technischen Merkmalen im Einzelnen vermag der Senat die Rechtsfrage im vorliegenden Fall nicht abschließend zu beantworten.“

(BGH, Beschluss vom 02. März 2021 – 4 StR 366/20 –, Rn. 9, juris)

Der BGH hätte die Promillegrenzen also auch ausdrücklich klarstellen können, wenn er den konkreten E-Scooter hätte einordnen können.

Er unterscheidet zuvor ausdrücklich zwischen fahrerlaubnispflichtigen Elektrokleinstfahrzeugen nach § 4 S. 1 FEV und solchen, für die keine Fahrerlaubnis benötigt wird, weil die Ausnahmereglung des § 4 S.2  1a FEV i.V.m. § 1 I eKFV (Elektrokleinstfahrzeugeverordnung). Es ergibt sich als Umkehrschluss aus eben diesem Zurückweisungsgrund, dass der BGH die Frage, welche Promillegrenze für E-Scooter gilt, vorliegend ging es um die 1,1 Promillegrenze, ausdrücklich beantwortet hätte, wenn er den E-Scooter hätte einordnen können.

Daraus kann nach meiner Einschätzung nur ein Schluss gezogen werden, nämlich dass aus Sicht des BGH die 1,1-Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit nur für solche E-Scooter gilt, auf die die Ausnahme von der Fahrerlaubnispflicht der eKFV nicht anwendbar ist, sprich für fahrerlaubnispflichtige E-Scooter.

Jedenfalls ist die Entchieung des BGH ein starkes Argument dafür, auf die fahrerlaubnisfreien Miet-E-Scooter gerade nicht die 1,1 Prmillegrenze anzuwenden. Der BGH hätte sonst offen lassen können, wie der E-Scooter einzuordnen ist, sprich fahrerlaubnispflichtig oder nicht.

Die 1,1-Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit gilt nur für solche E-Scooter, die fahrerlaubnispflichtig sind. Ich meine, dass vieles dafür spricht, dass der BGH auf die fahrerlaubnisfreien E-Scooter die 1,6 Promillegrenze, analog zum Fahrradfahrer, anwenden wird.

Leivtec XV 3 – Messungen – Abschlussbericht der PTB und aktuelle Entscheidungen

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) hat den Abschlussbericht im Zusammenhang mit unzulässigen Messwertabweichungen beim Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3 vorgelegt.

Sie finden diesen als PDF-Datei hier:

Abschlussbericht der PTB zum Leivtec XV3

Zusammengefasst kommt die PTB zu folgenden Ergebnissen:

Abweichungen zuungunsten des Betroffenen gab es bei den mehr als Tausend durchgeführten Messungen nur selten.

Alle Fälle, in denen solche Messabweichungen festgestellt werden konnten, waren Rechtsmessungen. Das Messgerät war in diesen Fällen aus Sicht des Fahrers also am linken Fahrbahnrand aufgestellt.

Allen Fällen ist gemeinsam, dass im Messung-Start-Bild das Nummernschild des betroffenen Fahrzeugs nicht vollständig vom Messfeldrahmen umfasst war. Hierzu ist anzumerken, dass die Messfotos einen viereckigen Rahmen einblenden, der eine bestimmte Position haben muss.

Hierzu hatte der Messgerätehersteller bereits – nach Bekanntwerden der Messproblematik – eine Ergänzung der Bedienungsanleitung vorgenommen.

Bei allen Messungen, bei denen unzulässige Abweichungen vorgenommen wurden, war die Messstrecke kürzer als 12,2 m.

Inzwischen hat das OLG Celle einen Fall aufgehoben und an das zuständige Amtsgericht zurückverwiesen mit der Aufforderung, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob sich die Problematik auf die gegenständliche Messung mit dem Leivtec XV3 ausgewirkt hat.

Im Saarland werden derzeit vom Amtsgericht St. Ingbert – insbesondere in Fällen, in denen ein Fahrverbot im Raum steht – Plausibilitätsgutachten angefordert.

In meiner aktuellen Podcast-Folge erfahren Sie mehr zu diesem Thema:

16 – Folge September 2021

person driving and drinking

BVerwG: MPU auch bei unter 1,6 Promille zulässig

Aufgrund mehrerer Nachfragen zu dem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, möchte ich dieses heute kurz vorstellen. Eins vorab: Das Urteil könnte man schlagwortartig zusammenfassen mit: Nichts Neues im Westen.

Das BVerwG wiederholt in dieser Entscheidung eigentlich nur das, was ohnehin ständige Rechtsprechung und allgemeine Meinung ist:

Die Fahrerlaubnisbehörde kann auch bei einer erstmaligen Trunkenhheitsfahrt unter 1,6 Promille eine medizinisch-psychologische Untersuchung zur Prüfung der Fahreignung anordnen.

Die Voraussetzungen hierfür sind in  § 13 S.1 Nr. 2 a) der Fahrerlaubnisverordnung niedergeschrieben.

§ 13 Fahrerlaubnisverordnung :

„Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass …

ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn

 … sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, …“ 

Sonstige Tatsachen ergeben sich häufig aus dem zugrundeliegenden Strafverfahren.

Auch der Fall, den das BVerwG zu entscheiden hatte, lag so, dass dem Kläger in einem Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Er war mit 1,3 Promille am Steuer erwischt worden. Der Kläger beantragte die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Die Behörde machte die Neuerteilung von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) abhängig. Da der Kläger dieses nicht beibrachte, wurde sein Antrag abgelehnt.

Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der MPU ergibt sich in solchen Fällen häufig daraus, dass ein stark alkoholisierter Beschuldigter im Strafverfahren keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigt. Regelmäßig wird das im Rahmen des polizeilichen und/oder des ärztlichen Untersuchungsberichtes (sog. Torkelbogen) festgestellt.

Aus der Pressemitteilung des BVerwG:

„Bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, besteht eine erhöhte Rückfallgefahr. Die Giftfestigkeit führt u.a. dazu, dass der Betroffene die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen kann. Deshalb liegt in dem Umstand, dass der Betroffene trotz eines bei seiner Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug festgestellten hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufwies, eine aussagekräftige Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Alt. 2 FeV.“

(BVerwG, Pressemitteilung Nr. 18/2021 vom 17.3.2021)

Einfach ausgedrückt: Je „besser“ man beim polizeilichen Torkeltest abschneidet, desto schlechter steht man im Fahrerlaubnisverfahren da. Denn wer mit annähernd 1,6 Promille mit Bravour den Finger-Nase-Test oder den Drehnachnystagmus-Test (10 Mal mit geöffneten Augen um die eigene Achse drehen) absolviert, bei dem darf die Fahrerlaubnisbehörde von einer hohen Alkoholgewöhnung ausgehen.

Keine vorschnelle Fahrerlaubnisentziehung wegen depressiver Phase – OVG Saar

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat sich zu den Voraussetzungen an die Rechtmäßigkeit der Anordnung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens im Falle einer depressiven Episode geäußert.

Die Entscheidung finden Sie im Volltext hier:

OVG des Saarlandes – Beschl. v. 24.11.2020 – 1 D 278/20

Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde. Er hat Prozesskostenhilfe für das verwaltungsgerichtliche Verfahren um seine Fahrerlaubnis beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass er keine Prozesskostenhilfe erhält, denn er habe keine Aussicht auf Erfolg in der Hauptsache. Die Fahrerlaubnisentziehung sei absehbar rechtmäßig.

Das OVG hat diese Entscheidung aufgehoben und das Vorgehen der Behörde sowie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts scharf kritisiert.

Hintergrund des Verfahrens war, dass der Antragsteller sich bei der Fahrerlaubnisbehörde in einer persönlichen Vorsprache dahingehend geäußert hatte, er sei wegen schwerer Depressionen einige Wochen in einer Klinik behandelt worden.

Ferner legte er ein ärztliches Attest vor, wonach bei ihm eine leichtgradige depressive Episode  bestehe und er in einer Universitätsklinik 5 Monate zuvor wegen einer schweren depressiven Episode stationär behandelt worden sei.

Die Behörde ordnete die Vorlage eines neurologisch-psychologischen Gutachtens an mit der Fragestellung:

„Ist Herr A. aus ärztlicher Sicht geeignet, ein Kraftfahrzeug der Klassen B + C1E + M + L sicher im öffentlichen Straßenverkehr zu führen? Liegt insbesondere eine Krankheit nach Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV vor?“

Der Antragsteller brachte dieses Gutachten nicht bei. Daraufhin entzog ihm die Behörde die Fahrerlaubnis. Hiergegen wendete sich der Antragsteller und begehrte Prozesskostenhilfe für das Verwaltungsgerichtsverfahren.

Das OVG stellt zunächst fest:

„Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, unter anderem ein Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV), anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist.“ (OVG d. Saarlandes a. a. O.)

Sodann setzt sich das OVG des Saarlandes mit dem Einzelfall des Antragstellers auseinander:

„Die von der Fahrerlaubnisbehörde für einschlägig erachtete Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV setzt indes abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Krankheitsbild einer Manie das Bestehen einer „sehr schweren“ Depression bzw. „sehr schwerer depressiver Phasen mit kurzen Intervallen“ voraus. „Sehr schwer“ ist eine Depression, die zum Beispiel mit depressiv-wahnhaften, depressiv-stuporösen (= psychische und motorische Erstarrung) Symptomen oder mit akuter Suizidalität einhergeht.

Demgegenüber bestand beim Antragsteller ausweislich des von ihm vorgelegten ärztlichen Attests vom 12.8.2019 lediglich eine depressive Episode leichtgradiger Ausprägung, und seine für den Aufenthalt in der Universitätsklinik A-Stadt ursächlich gewesene schwere depressive Episode lag zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Monate zurück. Demgemäß bestätigte der behandelnde Arzt des Antragstellers mit Datum vom 16.10.2019, es ergäben sich keine Hinweise dafür, dass die Fahreignung des Antragstellers krankheitsbedingt derzeit eingeschränkt wäre. Ausgehend von dieser Tatsachengrundlage war die Annahme des Vorliegens einer „sehr schweren“ Depression bzw. „sehr schwerer“ depressiver Phasen mit kurzen Intervallen zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Begutachtungsanordnung eher fernliegend.“ (OVG d. Saarlandes  a. a. O.)

Darüber hinaus beanstandet das OVG die Fragestellung durch die Behörde an den Gutachter.

Es stellt heraus, dass der Gutachter an die in der Anordnung formulierte Fragestellung gebunden ist und es die Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde ist, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar festzulegen. Weiter aus den Gründen:

„Diesen Vorgaben wird die in der Gutachtenanordnung vom 13.8.2019 zuerst formulierte Frage, ob der Kläger aus ärztlicher Sicht geeignet ist, ein Kraftfahrzeug sicher im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, nicht ansatzweise gerecht. Die zweite Frage, ob eine Krankheit nach Nr. 7.5 der Anlage 4 zur FeV vorliegt, ist sehr weit gefasst und lässt jeden Bezug zu dem aktenkundigen Sachverhalt vermissen.“ (OVG d. Saarlandes a. a. O.)

Aus Sicht des OVG „spricht viel dafür“, dass die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zunächst hätte auffordern müssen, den Entlassungsbericht der Universitätsklinik vorzulegen. Die schwere depressive Phase des Antragstellers sei bei Erlass der Anordnung bereits 5 Monate her gewesen.

Fazit:

Das ist eine äußerst erfreuliche Entscheidung für alle Betroffenen von Depressionen oder depressiven Phasen. Die Häufigkeit dieser Krankheitsbilder nimmt seit Jahren stark zu. Unreflektierten und unverhältnismäßigen Anordnungen der Fahrerlaubnisbehörden muss ein Riegel vorgeschoben werden. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass die Betroffenen einer solchen Anordnung, unabhängig vom Ausgang der Begutachtung, die Kosten derselben zu tragen haben. Es besteht insoweit im Verwaltungsverfahren (leider) keine Kostentragungspflicht der Behörde. Je nach Anordnung bzw. Begutachtungsstelle werden hier schnell Kosten im vierstelligen Bereich generiert, die viele Antragsteller in ihrer Not einfach nicht vorfinanzieren können. Folge ist dann, wie vorliegend, dass der Führerschein weg ist.

Dass das OVG sich – für ein Prozesskostenhilfeverfahren doch recht differenziert – mit der Problematik depressiver Erkrankungen befasst hat, bedeutet, dass auch die Behörden das in Zukunft tun werden müssen. Der „Freigiebigkeit“ saarländischer Fahrerlaubnisbehörden in Bezug auf Begutachtungsanordnungen wegen depressiver Erkrankungen sollte damit hoffentlich ein Ende gesetzt sein.

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BayObLG zu den Promillegrenzen für E-Scooter

Das bayerische Oberlandesgericht hat bestätigt, dass die für Autofahrer geltende Grenze von 1,1 Promille zur absoluten Fahruntauglichkeit auch für E-Scooter gilt. Es hat die Fahrerlaubnisentziehung eines Scooterfahrers, der auf dem Münchener Oktoberfest mit 1,35 Promille angehalten worden war, bestätigt. Er hatte eine Strecke von 300 m auf einem Bürgersteig zurückgelegt.

Der Angeklagte hatte einwendet, bei einem E-Scooter handele es sich nicht um Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB. Ferner seien die Promillegrenzen nicht auf den EScooter übertragbar, allenfalls sei eine Vergleichbarkeit mit einem Fahrrad gegeben. Bei einem solchen tritt absolute Fahruntauglichkeit erst ab 1,6 Promille ein.  Zudem liege bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad kein Regelfall für eine Fahrerlaubnisentziehung vor. Das AG München hat sämtliche Einwendungen des Angeklagten verworfen.  

Die Entscheidung des BayObLG ist wenig überraschend, denn sie orientiert sich an der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das BayObLG führt aus:

„Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 28. Juni 1990 den Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers unter Berücksichtigung medizinischnaturwissenschaftlicher Erfahrungswerte mit 1,1 Promille festgelegt und dabei zugleich ausdrücklich ausgesprochen, dass dieser Wert für alle Führer von Kraftfahrzeugen gilt (BGH NJW 1990, 2393, 2395).

Auch wenn der Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Trunkenheitsfahrt eines Autofahrers zugrunde lag, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass dieser Grenzwert generell für (alle) Führer von Kraftfahrzeugen gilt, und dies zusätzlich durch Bezugnahme auf vorausgegangene Entscheidungen zu Kraftradfahrern (BGHSt 22, 352) sowie Fahrrädern mit Hilfsmotor, sog. Mofa 25 (BGHSt 30, 251) und auch Führen eines abgeschleppten betriebsunfähigen PKW (BGHR StGB § 316 Fahruntüchtigkeit alkoholbedingte 2, = BGHSt 36, 341) zum Ausdruck gebracht.

Von dem Grundsatz, dass die Promillegrenze von 1, 1 Promille für alle Kraftfahrzeugarten gilt, im Falle der E-Scooter abzuweichen, besteht kein Anlass.“ (BayObLG, Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20)

In einer sehr ausführlichen Begründung bestätigt das BayObLG sodann die Wertung des Amtsgerichts München, wonach auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter ein Regelfall für eine Fahrerlaubnisentziehung vorliegt.

Zu der Einwendung der kurzen Fahrtstrecke führt es aus:

„Das Amtsgericht hat an tatbezogenen Umständen über den Aspekt hinaus, dass die Fahrt mit einem im Vergleich zu einem Personenkraftwagen leichteren E-Scooter stattfand, berücksichtigt, dass die vom Angeklagten bis zu seiner polizeilichen Kontrolle gefahrene Strecke von ca. 300 m nicht allzu lang war. Wenn das Amtsgericht darin keinen Fall einer Bagatellfahrt mehr gesehen hat, so liegt dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums.“ (BayObLG a. a. O.)

Meine Meinung: Daran, dass die Promillegrenzen für Autofahrer auch für E-Scooterfahrer gelten, hatte ich auch vor dieser Entscheidung wenig Zweifel. Eine Fahrerlaubnisentziehung bei einer Fahrtstrecke von 300 m auf dem Gehweg auszusprechen, mag im Beurteilungsspielraum des entscheidenden Gerichts liegen. Vielleicht hat es hier aber in erster Instanz auch an entsprechendem Vortrag  zu den Tatumständen und dem Nachtatverhalten des Angeklagten gefehlt, die eine anderweitige Bewertung erlaubt hätten.

Das Urteil finden Sie im Volltext hier: BayObLG, Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20

Fahrrad/Pedelec/E-Scooter/Segway – Alkohol erlaubt?

Auch an Fasching gelten bekanntermaßen die Alkoholgrenzen. Ich erinnere daher heute aus Anlass des Rosenmontags, der auch im schönsten  Bundesland der Welt, also im Saarland, gebührend gefeiert wird, an die geltenden Alkoholgrenzen. Unten stehend finden Sie mein Video, in dem die Alkoholgrenzen übersichtlich erklärt werden. Außerdem habe ich einige Links zum Thema rausgesucht.

Die meisten, wenn auch leider nicht alle, Jecken sind schlau und verantwortungsvoll genug, die Umzüge zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu besuchen, wenn sie denn Alkohol trinken möchten.

Da einige sicher auch zu nicht motorisierten Fahrzeugen greifen werden, gegebenenfalls auch in der irrigen Annahme, das sei erlaubt, folgende Kurzinformation zum Thema Alkohol auf dem Fahrrad (E-Scooter, Segway, Pedelec etc.):

Hier noch einige ausgesuchte Links zu diesem Thema:

 

Verkehrsgerichtstag 2020 – Die Empfehlungen

Vom 29. bis 31. Januar fand der jährliche Verkehrsgerichtstag – eine Zusammenkunft von Verkehrsexperten – in Goslar statt. Er endet mit den Empfehlungen der Arbeitskreise.

Wer sich die Empfehlungen im Volltext durchlesen will, findet diese hier:

Meine Zusammenfassung:

Arbeitskreis I –  Grenzüberschreitende Unfallregulierung in der EU

Das materielle Schadensersatzrecht der verschiedenen EU-Länder muss für den (ausländischen) Anwalt einfacher zu verstehen sein. Die EU-Kommission soll entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung stellen.

Des Weiteren soll für grenzüberschreitende Gerichtsprozesse ein System geschaffen werden, wie es bereits für Zivil- und Handelssachen besteht.

Einführung von Videokonferenzen für Vernehmungen im Ausland.

Kurze Verjährungsfristen in anderen EU-Staaten sollen auf mindestens drei oder vier Jahre verlängert werden.

Arbeitskreis II – Abschied vom fiktiven Schadensersatz

Empfehlung: Kein Abschied vom fiktiven Schadensersatz. Außerdem: Werkstattverweis bei fiktiver Abrechnung ist für alle Beteiligten an der Unfallregulierung nervig und zeitaufwendig. Der BGH wird gebeten, sich etwas einfallen zu lassen.

Arbeitskreis III – Aggressivität im Straßenverkehr

Schulungen und Anti-Aggressions-Maßnahmen sollen gefördert werden.

Die gesetzlichen Möglichkeiten, auf aggressives Verhalten zu reagieren, müssen konsequent ausgeschöpft werden.

Es sollte ein Bußgeld für „aggressives Posen im Straßenverkehr“ geben.

Fahrerlaubnisbehörden sollen Einsicht in das Bundeszentral- und Erziehungsregister erhalten.

Sofern sich bei einer Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahrteignung steht, Anhaltspunkte für hohes Aggressionspotential ergeben, soll die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU anordnen.

Der „Alleinrasertatbestand“ (§ 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB)  sollte im Wortlaut nachgebessert werden.

Arbeitskreis IV – Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens

Der Gesetzgeber soll per Gesetz regeln, unter welchen Voraussetzungen ein standardisiertes Messverfahren vorliegt. Außerdem soll er per Gesetz ein umfassendes Einsichtsrecht in die Messdateien vorschreiben.

Bußgeldverfahren sollen gegen Auflagen eingestellt werden können.

Nach einer verkehrstherapeutischen Schulung soll vom Fahrverbot abgesehen werden können.

Arbeitskreis V – Elektrokleinstfahrzeuge

Aktuell herrscht in der Bevölkerung weitgehende Unkenntnis, was man mit E-Scootern überhaupt darf und was nicht. Das erfordert mehr Öffentlichkeitsarbeit, vor allem durch die Verleihfirmen.

Öffentlichkeitsarbeit habe ich selbst ja bereits geleistet:

10 Fragen und Antworten zum E-Scooter

Außerdem:

– Mehr Infrastruktur für E-Scooter und Fahrräder

– Blinkerpflicht für E-Scooter

– Keine Zulassung von Fahrzeugen ohne Lenkstange

– Erfassung und Herausgabe der Nutzerdaten durch Verleihfirmen zum Zweck der Verfolgung von Straftaten und Orddnungswidrigkeiten

– verbindliche Astellplätze für Verleihscooter

– Prüfbescheinigungspflicht für E-Scooter

Arbeitskreis VI  – Fahranfänger – neue Wege zur Fahrkompetenz

Der Arbeitskreis begrüßt das Optionsmodell, das Folgendes vorsieht:

Drei statt zwei Jahre Probezeit, aber verkürzbar auf bis zu zwei Jahre durch Teilnahme an Schulungsmaßnahmen oder begleitetes Fahren.

Auswetung örtlicher Unfalldaten von Fahranfängern und darauf gestützte regionalisierte Fahranfängervorbereitung.

Arbeitskreis VII – Entschädigung von Opfern nach terroristischen Anschlägen

Neben Harmonisierungen der Opferentschädigung und Zentralisierungen von Strukturen, insbesondere Opferbeauftragte, empfiehlt der Arbeitskreis die Schaffung eines Fachanwaltes für Personenschadensrecht.

 

E-Roller: 10 Fragen und Antworten

1. Wo und wie ist geregelt, welche E-Roller am Straßenverkehr teilnehmen dürfen?

Die Elektrokleinstfahrzeuge-VO (https://www.gesetze-im-internet.de/ekfv/BJNR075610019.html)  enthält die Regelungen zu den sogenannten Elektrokleinstfahrzeugen, insbesondere ist darin geregelt, unter welchen Voraussetzungen diese am Straßenverkehr teilnehmen dürfen.

Unter solche Elektrokleinstfahrzeuge fallen nur Fahrzeuge, die

– eine Lenk- oder Haltestange besitzen und

– eine Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h bis 20 km/h besitzen und

– eine Leistungsbegrenzung auf 500 W bzw. 1400 Watt bei selbstbalancierenden Fahrzeugen aufweisen und

– die allgemeinen verkehrssicherheitsrechtlichen Mindestanforderungen (Bremsen, Licht, etc.) einhalten. Näheres hierzu regeln die §§ 4 – 7 der Elektrokleinstfahrzeuge-VO.

Typischer Weise handelt es sich also um Elektroroller und Segways mit Lenkstange. Im nachfolgenden ist vereinfachend von E-Rollern die Rede.

Daraus folgt auch, dass Hoverboards (selbstbalancierte Fahrzeuge ohne Lenkstange) im Straßenverkehr nach wie vor unzulässig sind.

2. Was ist der Unterschied zwischen E-Rollern und Pedelecs?

Pedelecs werden grundsätzlich durch Muskelkraft betrieben, die von einem Elektromotor unterstützt wird. Ein Pedelec arbeitet mit einem unterstützenden Motor, dessen Leistung mit zunehmender Geschwindigkeit abnimmt und bei 25 km/h vollständig endet.

Ein sogenanntes S-Pedelec (Speed-Pedelec) erreicht eine Geschwindigkeit von 45 km/h (motorunterstützt) und ist als Kleinkraftrad eingestuft (Versicherungspflicht, Führerscheinpflicht, Helmpflicht, Straßenbenutzungspflicht). Ein S-Pedelec gilt nicht mehr als Fahrrad und hat daher auf einem Radweg nichts verloren.

Demgegenüber bewegt sich ein Elektrokleinstfahrzeug ausschließlich durch den elektrischen Motor. Für dieses gelten die oben genannten Anforderungen (6 km/h bis 20 km/h max, Lenkstange, Leistungsbegrenzung auf 500 W bzw. 1400 W, verkehrssicherheitsrelevante Ausstattung, wie Bremsen, Licht etc.).

3. Wer darf E-Roller fahren?

Wer das 14. Lebensjahr vollendet hat, darf E-Roller fahren.

4. Benötigt man eine Fahrerlaubnis (Führerschein, Mofaprüfbescheinigung o. ä.)?

Nein.

5. Darf man zu Zweit auf einem E-Roller fahren?

Nein. Die Personenbeförderung ist ausdrücklich verboten (§ 8 der Elektrokleinstfahrzeuge-VO).

6. Muss ich einen E-Roller versichern?

Ja, E-Roller sind versicherungspflichtig und erhalten eine kleine Versicherungsplakette zum Aufkleben. Wenn Sie am Straßenverkehr teilnehmen möchten, muss das Fahrzeug versichert werden.

7. Wo darf ich mit einem E-Roller fahren?

Wenn es einen Radweg oder auf der Fahrbahn abgegrenzten Radfahrstreifen gibt, muss dieser benutzt werden. Gibt es keinen Radweg, darf die Fahrbahn benutzt werden. Außerhalb geschlossener Ortschaften darf auch der Seitenstreifen genutzt werden. Andere Verkehrsflächen (z.B. öffentliche Plätze) dürfen nur dann befahren werden, wenn dort das Schild „Elektrokleinstfahrzeuge frei“ angebracht ist.

Lesen Sie hierzu meinen Artikel vom 24. Mai 2019:

E-Scooter zukünftig nicht nur auf Radwegen zulässig!

8. Wie muss ich mit dem E-Roller fahren?

Mit einem E-Roller müssen Sie ähnlich wie mit einem Fahrrad fahren.

E-Roller müssen einzeln hintereinander fahren. Man darf weder freihändig fahren noch sich an einen E-Roller anhängen. Auf Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen ist möglichst weit rechts zu fahren.

Hat der E-Roller keinen Blinker, muss der Fahrer vorm Abbiegen rechtzeitig Handzeichen geben.

Es gilt die allgemeine Rücksichtspflicht. Schnellere Fahrräder sind durchzulassen. Fußgänger haben auf gemeinsamen Geh- und Radwegen Vorrang.

9. Darf ich beim Fahren mit dem Handy telefonieren?

Nein. Das Handyverbot gilt auch für E-Roller. Das bedeutet, dass aktuell (Stand Januar 2020) 100 Euro und ein Punkt in Flensburg fällig werden. Es handelt sich außerdem um einen sogenannten B-Verstoß für Fahranfänger.

10. Darf ich unter Drogen oder Alkohol mit einem E-Roller fahren?

Ja, aber nur zuhause in Ihrem Wohnzimmer. Ein E-Roller ist ein Kraftfahrzeug. Es gelten die gleichen gesetzlichen Bußgeld- und Strafvorschriften, die auch für Automobile gelten (§§ 316 StGB, 24 a II StVG, …). Zu den Promillegrenzen im Straßenverkehr:

Trunkenheitsfahrt

E-Scooter zukünftig nicht nur auf Radwegen zulässig!

Bekanntermaßen hat der Bundesrat unter bestimmten
Änderungsbedingungen dem Entwurf der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV)
zugestimmt. Die E-Scooter kommen also und sind derzeit Gegenstand medialer
Berichterstattung. Auffallend ist dabei, dass fast unisono berichtet wird, man
werde in Zukunft mit den E-Scootern nur auf Radwegen fahren dürften.

Das ist falsch.

Für juristisch interessierte Personenkreise findet sich der Entwurf eKFV hier:

Entwurf eKFV

Der Beschluss des Bundesrates findet sich hier:

Stellungnahme Bundesrat

Umgesetzt ist die Verordnung noch nicht. Die Verordnung wird aber wohl noch diesen Sommer in Kraft treten. Meines Erachtens werden die elektrischen Tretroller als Fortbewegungsmittel in Großstädten ein Thema werden.

Falsch ist, wie gesagt, dass man nur auf Radwegen fahren
dürfen wird.

Richtig ist, dass das Verkehrsministerium ursprünglich
angedacht hatte, innerörtlich ein Fahren in verkehrsberuhigten Bereichen generell
zuzulassen.

§ 10 I S.2 des Entwurfs lautet:

„Innerhalb geschlossener Ortschaften dürfen Elektrokleinstfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 1 2 km/h nur auf baulich angelegten Radwegen, Radfahrstreifen (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) und Fahrradstraßen (Zeichen 244.1 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) gefahren werden. Wenn solche nicht vorhanden sind, darf auf Fahrbahnen oder in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325.1 der Anlage 3 zur StraßenverkehrsOrdnung) gefahren werden.“

Also grundsätzlich auf den Radweg. Im verkehrsberuhigten
Bereich (sprich: Innenstadt etc.) darf man dann auch auf Gehwegen fahren.

Das war der Entwurf.

In dem Punkt hat der Bundesrat aber nicht zugestimmt sondern verlangt, dass der Halbsatz mit den verkehrsberuhigten Bereichen gestrichen wird, sprich: Es soll nur auf Radwegen gefahren werden dürfen. Eine generelle Ausnahme für verkehrsberuhigte Bereiche soll es nicht geben.  Anscheinend folgert nun die Presse daraus, dass es verboten sei, auf anderen Verkehrsflächen – also beispielsweise im verkehrsberuhigten Bereich, auf Gehwegen, öffentlichen Plätzen etc. –  zu fahren.

Das ist aber nur im Grundsatz richtig.

Dabei wird nämlich übersehen, dass der Bundesrat den Entwurf insoweit gebilligt hat, als er die Straßenverkehrsbehörden ermächtigt, Ausnahmen zuzulassen:

„Für das Befahren von anderen Verkehrsflächen können
die Straßenverkehrsbehörden abweichend von Absatz 1 und 2 Ausnahmen für
bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller zulassen. Eine
allgemeine Zulassung von Elektrokleinstfahrzeugen auf solchen Verkehrsflächen
kann durch Anordnung des Zusatzzeichens

„Elektrokleinstfahrzeuge frei“ bekanntgegeben werden.“

Es wird also kommen, dass man nicht nur auf Radwegen fahren dürfen wird sondern auch überall dort, wo das Schild „Elektrokleinstfahrzeuge frei“ aufgestellt sein wird.

Das ganze Thema ist natürlich äußerst interessant für professionelle Scooter-Vermieter. Je mehr Verkehrsflächen innerstädtisch eröffnet werden, desto sinnvoller ist es auch für den Nutzer von Mietrollern, diese einzusetzen. Ich nehme mal an, dass der ein oder andere Lobbyist das Geldköfferchen schon gepackt haben wird. Wie sich das Städtebild in punkto E-Scooter entwickeln wird, dürfte im Wesentlichen davon abhängen, wie weitgehend von der Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und die Schilder aufgestellt werden.

Ein Mal bekifft gefahren? Reicht nicht für Fahrerlaubnisentzug! BVerwG ändert seine Rechtsprechung

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 11.4.2019 seine lang erwartete Entscheidung zum Thema Fahrerlaubnisentzug  und Cannabiskonsum gefällt. Es hat sich überraschender Weise für die Mindermeinung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und damit gegen die überwiegende Meinung – hier vertreten durch das des OVG Nordrhein-Westfalen – und seine eigene bisherige Rechtsprechung entschieden.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts titelt:

Erstmaliger Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Gebot des Trennens von Konsum und Fahren führt regelmäßig nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis

Über das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes hatte ich hier berichtet:


Stellvertretend für die bis dato geltende herrschende Meinung:

Aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:

An seiner gegenteiligen Annahme im Urteil vom 23. Oktober 2014 hält das Bundesverwaltungsgericht nicht fest. Auch ein einmaliger Verstoß begründet aber Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen muss. Erforderlich ist eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen wird. Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, bedarf es in der Regel der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde hat gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden.

Die Pressemitteilung ist hier veröffentlicht:

https://www.bverwg.de/pm/2019/29

Damit ist der ständigen Praxis fast aller Bundesländer, bei einer erstmaligen Cannabisfahrt ohne weitere Prüfung die Fahrerlaubnis zu entziehen, ein Riegel vorgeschoben worden. In Zukunft müssen die Fahrerlaubnisbehörden dazu übergehen, zu prüfen, ob eine medizinisch-psychologische Begutachtung der Fahreignung angezeigt ist. Dies wiederum wird auch beim erstmaligen Fahren unter Cannabiseinfluss der Regelfall sein. Es heißt nun also doch: MPU statt Sofortentzug der Fahrerlaubnis.

Für den Betroffenen bringt das den ganz entscheidenden Vorteil mit sich, dass er zukünftig bis zur MPU seinen Führerschein behalten werden darf. Bislang wurde die Fahrerlaubnis nach der Praxis fast aller Bundesländer sofort entzogen. Sodann musste der Betroffene entweder im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom Verwaltungsgericht seiner Fahrerlaubnis hinterherlaufen (im wahrsten Sinne des Wortes) oder eben einen Neuantrag stellen und das Antragsverfahren durchlaufen (wiederum im wahrsten Sinne des Wortes).

Fazit: Die Entscheidung ist ein echter „Knaller“ und eine ausdrückliche Abkehr von der bisherigen Marschroute. Zu beachten ist Folgendes: Die Entscheidung bezieht sich auf gelegentliche Konsumenten von Cannabis. Nach ständiger Rechtsprechung liegt gelegentlicher Konsum allerdings bereits beim zweiten Konsumvorgang vor. Der gelegentliche Konsum ist daher der Regelfall und wird bereits durch die Carbonsäurewerte hinreichend zu belegen sein. Des Weiteren ist die Entscheidung nur auf Ersttäter anwendbar.

LG Nürnberg-Fürth: Entziehung der Fahrerlaubnis nach Unfallflucht erst ab 2.500,00 Euro Fremdschaden!

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat festgestellt, dass einbedeutender Fremdschaden bei einer Unfallflucht erst ab einem Betrag von 2.500,00 € netto vorliegt.

Diese sog. Wertgrenze ist von herausragender Bedeutung für die Frage, ob der Beschuldigte seinen Führerschein (vorläufig) behalten darf oder nicht.

Gerade weil die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts der Unfallflucht und Überschreiten der Fremdschadensgrenze der Regelfall ist, hat auch die Verteidigung auf die Höhe des Fremdschadens besonderes Augenmerk zu legen.

 Wird die Wertgrenze überschritten und gehen die Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsrichter davon aus, dass der Beschuldigte der Täter der Unfallflucht ist (einfach ausgedrückt), dann ergeht in der Regel schon während des laufenden Verfahrens ein Beschluss nach § 111 a StPO. Das bedeutet, dem Beschuldigten wird, ohne vorherige gerichtliche Verhandlung, vorläufig, aber mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis entzogen.

Bisher sehen die Gerichte die Wertgrenze bei etwa 1.400,00 € bis 1.800,00 € als erreicht an (mit gewissen regionalen Unterschieden).

Das Problem dabei ist, dass diese Grenze sehr schnell erreicht ist, unter anderem regelmäßig auch schon bei den üblichen „Parkplatzremplern“. Nicht zuletzt deswegen steht die Wertgrenze seit Jahren in zunehmender Kritik. Auch die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht und der Verkehrsgerichtstag empfehlen eine Anhebung der Wertgrenze.

Das LG Nürnberg-Fürth hat nun in Anlehnung an einen vorangegangenen Beschluss einen gewaltigen Schritt in die meines Erachtens richtige Richtung gemacht:

Ein bedeutender Fremdschaden liegt ab einem Betrag von 2.500,00 € netto vor (vgl. z.B. die Beschlüsse der Kammer vom 10.04.08 – Az. 5Qs 23/18 und vom 05.11.18, Az. 5 Qs 69/18). Die Kammer hat die Änderung von §44 Abs. 1 StPO und damit die seit dem 24.08.2017 geschaffene Möglichkeit der Verhängung von Fahrverboten von bis zu sechs Monaten anstelle von drei Monaten zum Anlass genommen, ihre Rechtsprechung zum Begriff des bedeutenden Fremdschadens Anfang 2018 zu ändern (bis 2017: 1.800,00 € netto, vgl. z. B.Beschluss vom 11.04.2008, Az. 5 Qs 61/08). Im Hinblick auf die in § 69 Abs. 2Nr. 3 StGB angeordnete Gleichsetzung des bedeutenden Fremdschadens mit der Tötung bzw. nicht unerheblichen Verletzung eines Menschen einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten zehn Jahren andererseits hat die Kammer im Interesse der Rechtssicherheit eine großzügige Anpassung derWertgrenze nach oben vorgenommen. Die Kammer hat dabei die Entwicklung der Einkommen und der Kosten für die Beseitigung der Folgen von Verkehrsunfällen berücksichtigt und sich an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert. Eine exakte Ermittlung der Kostenentwicklung bei der Beseitigung von Unfallfolgen ist nicht zuletzt wegen der Vielfältigkeit der Unfallszenarien von geringer Aussagekraft. Die Kammer hat deswegen davon abgesehen anhand von einem Musterunfallgeschehen auf eine insoweit singuläre Kostenentwicklung abzustellen (vgl. aber zu diesem Ansatz, LG Frankfurt amMain, Beschluss vom 13.05.2008, Az. 5/9a Qs 5/08). Die Verbraucherpreise für die Wartung und Reparatur von Fahrzeugen sind allein in den Jahren von 2010 bis 2016 um 11,6% angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreisindex für Deutschland, Klassifikation CC 0723). Im gleichen Zeitraum steigerte sich der Reallohnindex lediglich um 7,8% (vgl. Statistisches Bundesamt, Verdienste und Arbeitskosten, Reallohnindex und Nominallohnindex, 4. Vierteljahr 2017). Auch im Bereich der Bergungs- und Abschleppkosten ist es zu deutlichen Preissteigerungen gekommen. So sind beispielsweise die Preise für ein Standard-Bergungsfahrzeug zum Abtransport von liegen gebliebenen Pkws bis 7,49t zwischen den Jahren 2006 und 2016 um 35,5% angestiegen (vgl. VBA, Preis- undStrukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe, Ergebnisse 2006 bis 2016). Eine großzügige Anpassung der Wertgrenze war im Interesse der Rechtssicherheit geboten, um eine wiederholte Anpassung um kleinere Beträge in kürzeren Zeitabständen möglichst zu vermeiden.“ (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v.12.11.2018 – 5 Qs 73/18)

OVG Schleswig-Holstein: Es bleibt dabei. Ein Mal Cannabis am Steuer = Führerschein weg!

Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass bereits eine einmalige Fahrt unter Einfluss von Cannabis eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach sich zieht.
Der Betroffene wurde mit 1,5 ng/ml THC im Blutserum angehalten. Es stand im Verfahren fest, dass der Betroffene gelegentlicher Konsument (nicht einmaliger Konsument) von Cannabis war.
Ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml liegt nach der ständigen Rechtsprechung eine Wirkung des Betäubungsmittels vor. Der Betroffen berief sich darauf, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen liege erst ab 3,0 ng/ml THC-Gehalt im Blut eine Rauschwirkung vor, die die Fahrtauglichkeit beeinträchtige.
Er stützte seine Argumentation auf die Empfehlung der Grenzwertkommission und des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstags, wonach der Grenzwert auf 3 ng/ml angehoben werden solle.
Über die Empfehlung des Verkehrsgerichtstages zur Anhebung des Cannabisgrenzwertes hatte ich hier berichtet:

Cannabis, Fahreignung und Unfallfucht – Die Empfehlungen des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstags

Mit dieser Argumentation drang er beim OVG Schleswig-Holstein nicht durch.

Das Gericht führt aus:

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml davon auszugehen ist, dass der Betroffene nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann (BVerwG, Beschl. v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 -, NJW 2015, 2439; BVerfG, Beschl. v. 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 -, NJW 2005, 349, Rn. 29 f. bei juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 22.12.2014 – 2 O 19/14 -, NJW 2015, 2202, Rn. 6 bei juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 23.01.2017 – 4 MB 2/17 -; Rn. 11 bei juris, VGH Kassel, Beschl. v. 17.08.2017 – 2 B 1213/17 -, VerkMitt 2018 Nr. 3).

Es entspricht weiterhin dem Stand der Wissenschaft, dass bereits bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht. Das Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München ist in der Untersuchung „Unfälle und reale Gefährdung des Straßenverkehrs und der Cannabis-Wirkung“ (abgedruckt in: Blutalkohol Vol. 43/2006, S. 441 – 450) in ausdrücklicher Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 -, NJW 2005, 349, Grenzwert 1,0 ng/ml) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 25.01.2006 – 11 CS 05.1711 -, ZfSch 2006, 236, Grenzwert 2,0 ng/ml) zu dem Ergebnis gekommen, dass eine abstrakte Gefährdung sogar bei einem Wert von weniger als 1,0 ng/ml besteht.

Das OVG beschäftigt sich in dieser Entscheidung ausführlich mit verschiedenen Studien zum Thema Fahrtauglichkeit und Cannabis.

Das Urteil finden Sie hier:

Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.06.2018 – 4 MB 45/18

Fazit:

Bis auf Bayern liegen aktuell noch alle Bundesländer auf der Linie, ab einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC und festgestellter Fahrt die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Zur Entscheidung des VGH München, das die Ansicht vertritt, die Fahreignung sei bei einmaliger Fahrt vor Entziehung der Fahrerlaubnis mittels MPU zu überprüfen, lesen Sie meinen Artikel vom 1.12.2017:

Cannabis am Steuer – MPU statt sofortiger Entziehung der Fahrerlaubnis

Ob das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung ändert und damit dem Verkehrsgerichtstag und dem VGH München folgen wird, bleibt abzuwarten.

Nochmal zum Fahrradfahrverbot (VG Gelsenkirchen)

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in seiner Entscheidung vom 6. Juni 2018 festgestellt, dass das Untersagen des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (zum Beispiel Fahrrädern) im Straßenverkehr durch die Fahrerlaubnisbehörde rechtmäßig sein kann.

Dem Antragsteller war wegen Führens eines Fahrzeugs unter Einfluss von Cannabis, Alkohol und Methadon von der Fahrerlaubnisbehörde untersagt worden, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen.

Der Antragsteller wendete sich in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die sofortige Wirksamkeit dieser Maßnahme an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

Dieses stellte fest:

Die Untersagung zum Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als hierzu ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gelten, nämlich nach den §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 4 StVG und §§ 46 Abs. 1, 11 Abs. 1 FeV. Dies ist sachgerecht, weil es beim Führen erlaubnisfreier ebenso wie beim Führen erlaubnispflichtiger Fahrzeuge um die Teilnahme am Straßenverkehr und die dafür erforderliche Umsicht sowie Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit geht. Das Gefährdungspotential, welches hierbei ‑ etwa durch unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten ‑ von dem ungeeigneten Fahrer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs ausgehen kann, rechtfertigt es, an die Fahreignung diesen Maßstab anzulegen.

Vor diesem Hintergrund ist die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auch verhältnismäßig. Es trifft zwar zu, dass die Verkehrsteilnahme mit einem motorisierten Fahrzeug wegen der möglichen höheren Geschwindigkeiten ein größeres Gefährdungsrisiko als mit einem Fahrrad in sich birgt. Jedoch geht auch von einem fahrungeeigneten Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ‑ etwa durch der Verkehrssituation nicht angepasste Reaktionen sowie ein unkontrolliertes und die Verkehrsregeln missachtendes Fahrverhalten ‑ ein erhebliches Gefährdungspotential für diesen selbst sowie für andere Verkehrsteilnehmer aus. (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 6.6.2018 – 7 L 2934/17)

Über das Problem Fahrradfahrverbot habe ich schon einige Male berichtet:

Besser mal einen Zug nehmen – “Fahrradfahrverbot” wegen Trunkenheitsfahrt

OVG Magdeburg – Fahrerlaubnisrecht: Zur Überprüfung der Eignung nach einjähriger Drogenabstinenz

Nach einjähriger Drogenabstinenz muss die Fahrerlaubniserteilung geprüft werden. Sie darf nicht ohne Weiteres abgelehnt werden.

Das OVG Magdeburg hat entschieden:

Behauptet der Inhaber einer Fahrerlaubnis, dem diese wegen Drogenkonsums nach § 11 Abs. 7 FeV entzogen werden soll, der Fahrerlaubnisbehörde gegenüber hinreichend substantiiert seine langfristig bestehende Drogenabstinenz, ist es dieser spätestens nach Ablauf eines Jahres ab dem behaupteten Beginn der Abstinenz nicht mehr möglich, die Annahme fortbestehender Fahruntauglichkeit ohne weitere Ermittlungen allein auf die Drogenfahrt zu stützen (verfahrensrechtliche Einjahresfrist). (Beschluss vom 14.06.2013 – 3 M 68/13)

Der Betroffene hatte wegen einer dreieinhalb Jahre zurückliegenden Fahrt unter dem Einfluss von harten Drogen die Fahrerlaubnis entzogen bekommen. Bei Antragstellung wies er einen Abstinenzzeitraum von einem Jahr nach. Die Fahrerlaubnisbehörde vertrat die Ansicht, aufgrund der Drogenfahrt stehe nach wie vor fest, dass der Betroffene ungeeignet sei, Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Der Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis wurde daher ohne weitere Prüfung zurückgewiesen. Richtig wäre es gewesen, Anordnungen zur Überprüfung der Eignung zu treffen (MPU oder ärztliches Gutachten). Das OVG Magdeburg führt aus:

Allerdings durfte der Antragsgegner die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr ohne weitere Überprüfungen allein auf die am 13.06.2009 festgestellte Fahrt unter Einfluss von Drogen stützen. Denn die Vermutung wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangener Fahreignung, aufgrund derer die Fahrerlaubnisbehörde ohne weitere Untersuchungen die Fahrerlaubnis entziehen kann, § 11 Abs. 7 FeV, besteht nicht unbegrenzt.

Dem Fahrerlaubnisinhaber ist die Möglichkeit eingeräumt, nach einjähriger nachgewiesener Abstinenz die Fahreignung wieder zu erlangen. Der in der Regel erforderliche einjährige Abstinenzzeitraum ergibt sich dabei aus Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV.

Der Senat lässt es dahinstehen, ob Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV in den überwiegenden Fällen des Drogenkonsums, in denen noch keine Abhängigkeit besteht, direkt oder analog anwendbar ist. Jedenfalls entfällt nach Ablauf eines Jahres beginnend ab dem Tag, den der Betroffene als Beginn seiner Betäubungsmittelabstinenz angibt oder von dem an unabhängig von einem solchen Vorbringen Anhaltspunkte für eine dahingehende Entwicklung vorliegen (sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“), die Möglichkeit, seine dahingehenden Einlassungen für die Annahme feststehender Fahruntauglichkeit unberücksichtigt zu lassen.

Solange nämlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Einlassung des Betroffenen zutrifft oder die auf einen Verhaltenswandel hindeutenden Umstände stichhaltig sind, steht, sobald ein Jahr seit jenem Stichtag verstrichen ist, nicht mehr im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Betroffene tatsächlich noch fahrungeeignet ist. Zwar hat die Behörde auch in Fällen, in denen ein längerer Zeitraum zwischen der Drogenfahrt und der Prüfung der Entziehung der Fahrerlaubnis liegt, trotz des in § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG erwähnten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht ohne konkreten Anlass zu prüfen, ob es zu einem Verhaltenswandel des Fahrerlaubnisinhabers gekommen ist.

Beruft dieser sich aber gerade darauf, seit der aktenkundigen Drogenfahrt keine Drogen mehr zu nehmen und abstinent zu sein, so muss sie dies zum Anlass nehmen, den Wahrheitsgehalt der Einlassungen des Betroffenen mit geeigneten Mitteln zu prüfen (vgl. umfassend dazu: BayVGH, Beschl. v. 09.05.2005 – 11 CS 04.2526 -, juris).

Trotz 1,6 Promille keine MPU?!

Die Fahrerlaubnisverordnung sieht in § 13 vor, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einer Alkoholfahrt ab einer BAK von 1,6 Promille zwingend eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen hat:

 

Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass … ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn … ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr … geführt wurde.

Der Fahrerlaubnisbehörde steht nach dem eindeutigen Wortlaut der Fahrerlaubnisverordnung kein Ermessen zu. Wird die Grenze von 1,6 Promille erreicht, muss die MPU angeordnet werden.


Dennoch gibt es Fälle, in denen der Betroffene die MPU vermeiden kann. Heute möchte ich einen solchen Fall aus meiner Praxis vorstellen. Mein Mandant hatte wegen einer Alkoholfahrt mit mehr als 1,6 Promille einen Strafbefehl erhalten, gegen den ich Einspruch einlegte.

Im Rahmen der Hauptverhandlung konnten wir eine mehrmonatige Abstinenz meines Mandanten und die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Schulung nachweisen. Der zuständige Strafrichter hob die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf und händigte meinem Mandanten in der Hauptverhandlung den Führerschein aus. Auf meine Bitte hin vermerkte er in den Urteilsgründen:

„Im Hinblick auf die Dauer des vorläufigen Maßregelvollzugs ist der Angeklagte aufgrund seiner zwischenzeitlichen Nachschulungsmaßnahme und Verhaltensänderung im Hinblick auf Alkoholkonsum – entsprechende Unterlagen wurden in  der Hauptverhandlung vorgelegt – zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet zu erachten, sodass lediglich noch ein deklaratorisches Fahrverbot verhängt wird.“

Mithin enthielt das Urteil positive Feststellungen zur Fahreignung des Mandanten. Die Entscheidung erging am 17.8.2017. Am 2.2.2018 meldete sich die zuständige Fahrerlaubnisbehörde schriftlich bei meinem Mandanten und ordnete die Vorlage einer MPU an.

Die Anordnung dieser MPU war allerdings rechtswidrig. Hintergrund ist die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 S. 1 des Straßenverkehrsgesetzes:

„Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht.“

Da die Urteilsgründe erkennen ließen, dass der Strafrichter sich ein eigenes Bild von der Eignung meines Mandanten gemacht und eine eigene Beurteilung der Eignung vorgenommen hatte, durfte die Fahrerlaubnisbehörde hiervon nicht zum Nachteil des Mandanten abweichen.

Nach einem Hinweis auf die Rechtslage und die Feststellungen des Amtsgerichts zur Eignung hob die Fahrerlaubnisbehörde die Anordnung sofort auf.

Im Ergebnis musste der Mandant also trotz einer BAK von mehr als 1,6 Promille keine MPU absolvieren.

Tipp: Bei Alkoholfahrten direkt zum Anwalt!

Die Tendenzen der Gerichte, selbst über die Eignung zu entscheiden, sind eher rückläufig. Hierfür muss der Fall "richtig liegen" und ausreichend Vortrag gehalten werden (Abstinenznachweise etc.). Aber auch wenn es nicht gelingt, das Gericht zu einer Eignungsentscheidung zu bewegen, ist es wichtig, im Strafverfahren dafür zu sorgen, dass der Führerschein nicht zu lange entzogen bleibt. Das ist beispielsweise mit Sperrfristverkürzungskursen möglich. Eine kompetente Verteidigung im Strafverfahren setzt gerade bei Führerscheinmaßnahmen voraus, dass der Verteidiger seinem Mandanten hilft, die Weichen für ein nachfolgendes Fahrerlaubnisverfahren frühzeitig in die richtige Richtung zu stellen.

Cannabis und Fahreignung – Unfallfucht – Die Empfehlungen des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstages

Vom 24. Januar bis 26. Januar 2018 fand in Goslar der 56. Deutsche Verkehrsgerichtstag statt.
Hierbei handelt es sich um eine Tagung von Verkehrsjuristen aus verschiedenen Branchen. Diese finden sich in Arbeitskreisen zusammen, in denen aktuelle Themen behandelt werden. Im Anschluss an die mehrtägigen Beratungen sprechen die Arbeitskreise Empfehlungen an den Gesetzgeber aus.
Von besonderem Interesse für meine berufliche Ausrichtung waren dieses Jahr die Arbeitskreise V (Cannabiskonsum und Fahreignung) und III (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort).
Der Arbeitskreis V hat zum Thema Cannabis und Fahreignung folgende Empfehlung ausgesprochen:

Die Fahrerlaubnis- Verordnung bedarf im Hinblick auf Arznei- und berauschende Mittel einer Überarbeitung durch den Verordnungsgeber.

Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass der erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordene, gelegentliche Cannabiskonsument nicht ohne Weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird, sondern lediglich Zweifel an seiner Fahreignung auslöst, die er mittels einer MPU ausräumen kann.
Der Arbeitskreis vertritt die Meinung, dass nicht bereits ab 1 ng/ml THC im Blutserum fehlendes Trennungsvermögen unterstellt werden darf. Er teilt die Feststellungen der Grenzwertkommission, wonach dies erst ab einem THC-Wert von 3 ng/ml Blutserum der Fall ist.
Auch im Falle einer medizinischen Indikation, insbesondere für die Verordnung von Cannabis-Blüten, begründet eine Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis Zweifel an der Fahreignung. Aus dem Gebot der Verkehrssicherheit heraus ist es deshalb erforderlich, dass dann auch vor dem Hintergrund der Grunderkrankung die Fahreignung zu prüfen ist.
Auch in diesem Sinne müssen die Patienten, die ein Kraftfahrzeug führen wollen, durch entsprechend qualifizierte Ärzte umfassend über ihre Beeinträchtigung der Fahreignung und Fahrsicherheit informiert und begleitet werden. Dies ist entsprechend zu dokumentieren.
Der Gesetzgeber wird gebeten, für Kontrollen im Straßenverkehr ein geeignetes Nachweisdokument vorzusehen.

Zum Thema Unfallflucht spricht der Arbeitskreis III folgende Empfehlung aus:

1.
Die strafrechtlichen und versicherungsvertragsrechtlichen Regelungen zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort führen zu gewichtigen Rechtsunsicherheiten. Dadurch können Verkehrsteilnehmer überfordert werden. …
2.
Der Arbeitskreis empfiehlt mit überwiegender Mehrheit dem Gesetzgeber zu prüfen, wie eine
bessere Verständlichkeit des § 142 StGB erreicht werden kann, insbesondere durch eine Begrenzung des Unfallbegriffs auf Fortbewegungsvorgänge und eine Präzisierung der Wartezeit bei Unfällen mit Sachschäden bei einer telefonischen Meldung, etwa bei einer einzurichten den neutralen Meldestelle.
3.
Der Arbeitskreis fordert mit überwiegender Mehrheit den Gesetzgeber auf, die Möglichkeiten
der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe bei tätiger Reue in § 142 Abs. 4 StGB zu reformieren. Dabei sollte die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs entfallen und die Regelung auf alle Sach- und Personenschäden erweitert werden.

4.
Der Arbeitskreis fordert mit knapper Mehrheit, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nicht mehr im Regelfall zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führt. Die Worte „oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden“ in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sollten gestrichen werden.

Der Arbeitskreis empfiehlt, bis zu einer gesetzlichen Änderung einen Regelfall der Entziehung der Fahrerlaubnis nur noch bei erheblichen Personen –
und besonders hohen Sachschäden (ab 10.000 EUR) anzunehmen.

5.
Der Arbeitskreis hält es für notwendig, den Inhalt der auf das Verbleiben an der Unfallstelle
bezogenen versicherungsvertraglichen Aufklärungsobliegenheit den strafrechtlichen Pflichten nach § 142 StGB entsprechend zu verstehen. Er fordert die Versicherer auf, dies durch unmittelbare Bezugnahme auf § 142 StGB in den AKB klarzustellen.

Als Verkehrsrechtler kann man beide Empfehlungen vollumfänglich unterschreiben. ES bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese Empfehlungen aufnimmt und umsetzt.

Cannabis am Steuer: MPU statt sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis?

Keine sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis bei einmaliger Fahrt unter der Wirkung von Cannabis.

Verkürzt dargestellt, ist dies die Kernaussage des aktuellen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH München) vom 25.04.2017. Der VGH München hat entschieden:

„Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten kann die Fahrerlaubnisbehörde nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Vielmehr sieht § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor.“ (VGH München, Urt. V. 25.04.2017 – 11 BV 17.33)

Beim Cannabiskonsum sind verschiedene Konsumformen zu trennen. In der vorliegenden Konstellation geht es um den sogenannten Gelegenheitskonsumenten. Gelegenheitskonsument ist nach der Rechtsprechung derjenige, der mindestens zwei Mal, aber nicht täglich oder fast täglich, Cannabis konsumiert. Das dürfte die weit größte Fallgruppe in der Praxis sein.

Gängige Verwaltungspraxis – und vielleicht bald „Veraltungspraxis“ – in allen Bundesländern war bislang, dass auch bei einer einmaligen Cannabisfahrt eines Gelegenheitskonsumenten die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen ist.

Das basiert auf der Entscheidung des BVerwG vom 23.10.2014 – 3 C 3.13 (hier veröffentlicht: bundesveraltungsgericht.de – BVerwG vom 23.10.2014 – 3 C 3.13). Demnach galt bislang bundesweit Folgendes:

„Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist.“ (BVerwG a. a. O.)

Das bedeutet, wer Gelegenheitskonsument ist und unter der Wirkung von Cannabis (also ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml), ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr fährt, muss mit der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen.

Dem stellt sich nunmehr ausgerechnet das bei Drogendelikten wohl schärfste Bundesland entgegen, indem der VGH München postuliert, dass in einem solchen Fall zunächst eine Überprüfung der Fahreignung mittels MPU zu erfolgen habe.
Die Entscheidung ist rechtsdogmatisch sehr überzeugend begründet. Sie bezieht sich auf den Fall einer als Ordnungswidrigkeit geahndeten Tat, mithin einer Drogenfahrt nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes.

Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei einer solchen Drogenfahrt ist § 14 der Fahrerlaubnisverordnung (FEV).

§ 14 Absatz 1 Satz 3 FEV lautet:

„Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.“

Demgegenüber ist in § 14 Absatz 2 Nr. 3 FEV geregelt:

„Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist für die Zwecke nach Absatz 1 anzuordnen, wenn

wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes begangen wurden.“ (Hervorhebung durch Unterzeichner)

Wenn nun aber bei wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss zwingend eine MPU anzuordnen ist, dann stellt sich doch die Frage, weshalb bei einer einmaligen Drogenfahrt nach § 24 a StVG der Sofortentzug gerechtfertigt sein soll. Demnach „dürfte“ der Wiederholungstäter zur MPU, während der Ersttäter sofort den Führerschein abgeben müsste. Das erscheint systemwidrig und kann so vom Gesetzgeber nicht gemeint gewesen sein.

Abschließend möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass die Führerscheinstellen – jedenfalls jenseits des Weißwurstäquators – weiterhin von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgehen und die Fahrerlaubnis in einem solchen Fall sofort entziehen.
Das Urteil des VGH München ist nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht in dieser Sache entscheiden wird und ob hier ein Umdenken erfolgen wird oder nicht.

Bundesverwaltungsgericht: MPU unter 1,6 Promille nur unter besonderen Voraussetzungen

Ist der Betroffene mit 1,6 Promille oder mehr am Steuer erwischt worden, kommt die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) der Fahreignung zwingend. Die Fahrerlaubnisbehörde hat in einem solchen Fall kein Ermessen. Das gleiche gilt, wenn ein wiederholter Verstoß unter Alkoholeinfluss begangen wurde und zwar schon bei zwei Fahrten, auch unter 1,6 Promille.

In beiden Fallgestaltungen hat die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU anzuordnen.

Was aber gilt bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt, wenn der Betroffene eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille hatte?

Auch in einem solchen Fall kann eine MPU durch die Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden. Es handelt sich dann aber um eine Ermessensentscheidung der Behörde. Die Behörde kann, muss aber keine MPU anordnen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte über eine solche Fallgestaltung zu entscheiden. Der Klägerin war im Strafverfahren wegen einer einmaligen Trunkenheitsfahrt bei einer BAK von 1,28 Promille die Fahrerlaubnis entzogen worden. Auf Ihren Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis hin ordnete die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU an.

Die Klägerin zog dagegen vor das Verwaltungsgericht und unterlag in beiden Vorinstanzen. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch nachfolgend der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wiesen ihre Klage ab und erklärten die Anordnung der MPU für rechtmäßig. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schloss sich in seinem Urteil aktuellen Tendenzen in der Rechtsprechung an, wonach nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der Blutalkoholkonzentration die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen sei.
In einem Bundesland wie Bayern, in dem man nach der Beckstein’schen Formel nach zwei Maß Bier noch fahrtüchtig ist, ein erstaunliches Ergebnis.
Zur Erinnerung:

Nach zwei Maß Bier darf Beckstein noch fahren

Das Bundesverwaltungsgericht dagegen gab der Klage statt und verurteilte die Fahrerlaubnisbehörde dazu, der Klägerin die Fahrerlaubnis (ohne vorherige MPU) zu erteilen. Es führt aus:

Diese Auffassung ist mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a bis c FeV (Fahrerlaubnisverordnung) nicht vereinbar. Lag die Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille, so bedarf es bei einer einmalig gebliebenen Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zusätzlicher Tatsachen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht genügt für sich gesehen nicht.

Segway

Segway ist Kraftfahrzeug: Absolute Fahruntauglichkeit ab 1,1 Promille

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Segway ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB ist. Das hat zur Folge, dass die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit für einen Segwayfahrer, ebenso wie für den Autofahrer, bei 1,1 Promille liegt.

Der Verurteilte wurde mit 1,5 Promille auf einem Segway angehalten. Die Grenze für Fahrradfahrer zur absoluten Fahruntauglichkeit liegt (derzeit noch) bei 1,6 Promille.

Promillegrenzen im Überblick (Video)

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/alkohol-am-fahrrad-steuer/

Der Verurteilte hatte gegen die amtsgerichtliche Verurteilung Revision zum OLG Hamburg eingelegt mit der Begründung, das Segway sei einem Fahrrad nicht aber einem Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB gleichzustellen.

Das hat das OLG Hamburg anders gesehen und die Revision zurückgewiesen. Für die Verkehrssicherheit eine begrüßenswerte Entscheidung. In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass die Empfehlung des Verkehrsgerichtstags Goslar aus dem letzten Jahr dahin ging, auch für Fahrradfahrer eine absolute Fahruntauglichkeitsgrenze von 1,1 Promille einzuführen. (Hier der Link zu meinem damaligen Artikel: Die Empfehlungen des deutschen Verkehrsgerichtstags 2016

Haschischkeks und Kokscola – Die versehentliche Einnahme von Betäubungsmitteln im Fahrerlaubnisrecht

Die Behauptung, ein Betäubungsmittel „einmalig und versehentlich“ eingenommen zu haben, findet sich in vielen verwaltungsgerichtlichen Urteilen.

Entzieht die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis, weil der Inhaber vermittels Bluttest als Konsument von Betäubungsmitteln feststeht, versucht der Betroffene oft, sich zu wehren, indem er behauptet, die Betäubungsmittel unwissentlich zu sich genommen zu haben.

Vom versehentlich gegessenen „Haschischkeks“ bis zum böswilligen „Kokscola“ in der Diskothek sind so ziemlich alle denkbaren Konstellationen, wie die Betäubungsmittel in den Körper gelangt sind.

Fast immer scheitert der Betroffene mit solchen Behauptungen und dies zumeist aus (guten) Gründen.
Oft ergibt sich bereits aus den Blutwerten, dass ein regelmäßiger Konsum stattgefunden haben muss. Es ist – gelinde ausgedrückt – unrealistisch, bei einem Blutgehalt von 8,3 kg/ml Amfetamin (stilistische Übertreibung) mit der Behauptung, man habe an der falschen Cola genippt, beim Verwaltungsgericht anzuklopfen.

Abgesehen von diesen Fallgestaltungen, gibt es auch solche, bei denen die Blutwerte nicht zwingend gegen einen einmaligen Konsum sprechen müssen. In aller Regel sind das die Fälle, in denen die Blutentnahme oder Urinkontrolle erst Wochen oder Monate nach dem Vorfall durchgeführt wird. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Meistens aber hat ein vorausgegangenes Strafverfahren, sei es wegen Trunkenheitsfahrt oder Besitz von Betäubungsmitteln o. ä. stattgefunden, das eben den Anlass zur Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde gesetzt hat. Wer nun von seinem guten Recht (Schweigen ist Gold?) im Strafverfahren Gebrauch gemacht hat, und dementsprechend keinen Ton vom einmaligen Konsum hat verlauten lassen, der braucht sich im Fahrerlaubnisverfahren auch nicht darauf zu berufen. Denn diese Behauptung wird als Schutzbehauptung abgebügelt werden.

Schuss mit Luftgewehr – Führerschein weg

Einem Luftgewehrschützen, der willkürlich mit einem Luftgewehr auf einen Schüler auf dem Pausenhof geschossen hatte, wurde wegen mangelnder charakterlicher Eignung von der Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzogen.

Das Verwaltungsgericht Neustadt hat diese Entscheidung bestätigt. Es führt völlig zutreffend – und doch dem Laien wenig bekannt – aus:

Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Straftaten im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen worden sein müssen. Dies ergibt sich schon aus § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG sowie daraus, dass § 11 Abs. 3 Nrn. 6, 7 im Unterschied zu Nrn. 4, 5 nicht auf Straftaten oder Rechtsverstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder einen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr abstellen, sondern auf den Bezug zur Kraftfahreignung des Betroffenen. Die Kraftfahreignung umfasst indessen die charakterliche Eignung, welche auch durch ein Verhalten außerhalb des Straßenverkehrs betroffen sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1981 – 7 C 55/79 –, juris).

Der Schütze war bereits im Vorfeld wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden und hatte sodann auf Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde an einer MPU teilgenommen. Diese Untersuchung ging für ihn negativ aus. Der Sachverständige bescheinigte dem Betroffenen, der den Vorfall anlässlich der Untersuchung bagattellisierte, ein hohes Aggressionspotential.

Der Gutachter führte hierzu aus, dass Forschungsergebnisse einen engen Zusammenhang zwischen allgemein-strafrechtlichen Delikten, Aggressivität und Verkehrsauffälligkeiten belegten. Das Gefährdungsrisiko im Straßenverkehr steige mit der Anzahl allgemein-strafrechtlicher Delikte. Personen, die außerhalb des Straßenverkehrs wenig Rücksicht auf Regeln und Gesetze nehmen würden, setzten sich auch beim Fahren leicht über die Verkehrsbestimmungen hinweg. Zudem sei bei Straftaten, bei denen ein hohes Aggressionspotenzial zu erkennen sei, zu berücksichtigen, dass die hier gezeigte erhöhte Impulsivität eine zuverlässig kontrollierte Verhaltenssteuerung erschwere.

OLG Celle: Anspruch auf Einsicht in die Messdateien!

Bereits die Entscheidung, dem Betroffenen nicht die Möglichkeit einzuräumen, auf die Rohmessdaten zurückzugreifen, stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Auch wenn die Messdaten nicht Bestandteil der Verfahrensakte sind, müssen sie dem Betroffenen auf dessen Antrag zur Verfügung gestellt werden.

(OLG Celle, Beschluss vom 16.06.2016 – 1 Ss (OWi) 96/16)

Diese Entscheidung des OLG Celle betrifft die sehr strittige Frage, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene einer Verkehrsmessung Anspruch auf Einsicht in die Rohmessdaten seiner Geschwindigkeitsmessung hat. Hierbei handelt es sich um eine entscheidende Fragestellung im Bußgeldverfahren. Hat der Betroffene Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Messergebnisses, muss es ihm frei stehen, die Messung überprüfen zu lassen. Hierfür werden die Messdateien benötigt.

Während die Gerichte in der Vergangenheit und in Bayern noch immer Gründe suchen, dieses Einsichtsrecht zu torpedieren, häufen sich die Entscheidungen, nach denen es eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt, dem Betroffenen die Einsichtnahme zu verweigern.

Besonders begrüßenswert sind folgende Ausführungen des OLG Celle:

Dass es sich bei der angewendeten Messmethode um ein standardisiertes Verfahren handelt, steht dem nicht entgegen. Gerade weil bei einer solchen Messmethode das erkennende Gericht nur zu einer weiteren Aufklärung und Darlegung verpflichtet ist, wenn sich Anzeichen für eine fehlerhafte Messung ergeben, muss dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet sein, solche Fehler substantiiert vortragen zu können. Hierfür ist er auf die Messdaten angewiesen. Werden diese zurückgehalten, liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vor (vgl. OLG Oldenburg a. a. O.; Cierniak, ZfS 2012, 664).

Die Empfehlungen des deutschen Verkehrsgerichtstags 2016

An diesem Wochenende tagte der Verkehrsgerichtstag in Goslar. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Zusammenkunft von Experten auf verschiedenen Gebieten des Verkehrsrechts und angrenzender wissenschaftlicher Bereiche ( z.B. Psychologie, Medizin, Verkehrsmesstechnik, etc.).

Der Verkehrsgerichtstag diskutiert in mehreren getrennten Arbeitskreisen aktuelle Fragen des Verkehrsrechts aus und beschließt einen Empfehlungskatalog für den Gesetzgeber.

Im Video fasse ich die wesentlichen – und nach meiner Einschätzung für die Allgemeinheit auch interessanten – Empfehlung zusammen. Sie betreffen Fragen der Alkoholproblematik im Straßenverkehr (vor allem: MPU unter 1,6 Promille), des Messwesens (Blitzer etc.), Verwertung von Dashcamaufnahmen, steuerliche Fragen beim Verkehrsunfall, Beschleunigung des Verkehrszivilprozesses (Unfallklagen), sowie die Reform des Fahrlehrerrechts und Rechtsfragen um das Thema Mega-Containerschiffe.

Wer sich die Empfehlungen im Volltext ansehen möchte, findet hier den Link zum PDF-Dokument:

Die Empfehlungen des 54. deutschen Verkehrsgerichtstags (PDF)

 

Achtung! Neue Verjährungsfristen für Alkohol- und Drogenfahrten!

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Reform des Straßenverkehrsrechts mit Wirkung zum 1. Mai 2014 die Höchstgeldbuße für Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG (Alkoholordnungswidrigkeiten ab 0,5 Promille) von 1.500,00 € auf 3.000,00 € angehoben.

Es bleibt zwar dabei, dass die Regelbuße gemäß Bußgeldkatalog für fahrlässige Begehungsweise 500,00 €, 1 Monat Fahrverbot und 2 Punkte (neu) beträgt.

Die Anhebung des (theoretischen) Höchstsatzes auf 3.000,00 € hat aber die für den Betroffenen nachteilige Folge, dass es sich nun bei fahrlässiger Begehung um eine Ordnungswidrigkeit nach § 31 II Nr. 3 OWiG handelt. Bei fahrlässiger Begehung (halber Höchstssatz = 1.500,00 €) tritt Verjährung daher künftig erst nach einem Jahr und nicht – wie bislang – nach sechs Monaten ein.

Bei vorsätzlicher Tatbegehung ist § 31 II Nr. 2 OWiG anwendbar. Dann beträgt die Höchstbuße 3.000,00 € und Verjährung tritt erst nach zwei Jahren ein.

Abschließend weise ich darauf hin, dass diese Ausführungen nur für das Ordnungswidrigkeitenverfahren Geltung beanspruchen nicht aber für ein Strafverfahren wegen Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) oder Gefährdung des Straßenverkehrs ( § 315 c StGB).

Tipp: Schweigen ist Gold!

Wenn Sie mit Alkohol am Steuer erwischt wurden, sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und sich bei mir melden! In Verkehrsstrafsachen erhalten Sie umgehend einen Besprechungstermin.

„Einmal blasen!“ „Bitte?!“ – Zur Belehrungspflicht beim Atemalkoholtest

Den meisten Betroffenen ist nicht klar, dass sie nicht verpflichtet sind, an einer Atemalkoholkontrolle mitzuwirken. Hier gilt der Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss.

Es ist also durchaus zulässig, wenn man die Aufforderung: „Einmal blasen bitte“ mit: „Nein, danke!“ beantwortet.

Die Frage, die im Rahmen dieses Beitrages angesprochen werden soll, ist allerdings nicht, was passiert, wenn man das gut gemeinte Angebot der Beamten höflich ausschlägt. Dann folgt im Regelfall schlicht und einfach die Anordnung einer Blutentnahme, an der man nicht vorbeikommt. Im Einzelfall mag man auch Glück haben, und die Beamten lassen einen fahren … (im wörtlichen Sinne) Darum geht es in diesem Beitrag aber nicht.

Wenn man gar nicht blasen muss, dann stellt sich zum einen die Frage, ob die Polizeibeamten verpflichtet sind, über diesen Umstand zu belehren. Und wenn eine solche Verpflichtung besteht, eine Belehrung aber nicht erfolgt ist, ist dann das Ergebnis des Atemalkoholtests trotzdem verwertbar oder nicht?

Muss der Beamte also auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Atemalkoholkontrolle hinweisen oder nicht?

Das Kammergericht Berlin (KG 30.7.14, 3 Ws (B) 356/14) meint, dass keine Belehrungspflicht besteht. Daraus folgt, dass auch ein ohne Belehrung durchgeführter Atemalkoholtest grundsätzlich verwertbar ist.

Anders sehen das das Amtsgericht Frankfurt und das Landgericht Freiburg. Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist nämlich durchaus uneinheitlich. Es kommt mehr oder weniger darauf an, im Bezirk welchen Gerichts man angehalten wird. Berlin ist also eher schlecht für den Betroffenen, Freiburg eher gut, nicht aber, wenn der Betroffene zusätzlich Cannabis dabei hat, dann nämlich wäre er besser in Hamburg, auf keinen Fall aber in München erwischt worden. Soviel sei nebenbei zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland und dem daraus resultierenden Gerechtigkeitsempfinden des einfachen Bürgers erwähnt.

Wenn einen ein Beamter anhält und zur Teilnahme an einem Atemalkoholtest auffordert, sollte man aus taktischen Gründen dennoch nicht unbedingt rückfragen, wo man sich gerade befindet. „Einmal blasen bitte!“ „Wo bin ich hier eigentlich?“, ist nicht gerade die Art Kommunikation, die den Interessen des Betroffenen dienlich sein dürfte.

Folgt man der zweiten Ansicht und hält eine Belehrung für erforderlich und ist diese unterblieben, dann stellt sich die Folgefrage, ob ein solches Messergebnis trotzdem verwertbar ist oder nicht.

Auch hierzu lassen sich unterschiedliche Ansichten vertreten. Klar ist nur, dass solche Alkoholmessungen unverwertbar sind, bei denen ein offenkundiger Irrtum des Betroffenen über die Freiwilligkeit bewusst ausgenutzt wird.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass in allen Fällen, in denen dem Betroffenen vorgespiegelt wird, er sei zur Mitwirkung verpflichtet, per se – und zwar unabhängig davon – ob eine Belehrungspflicht überhaupt besteht, eine Unverwertbarkeit vorliegt.

TENDENZIELL könnte man also wie folgt zusammenfassen:

„Einmal blasen! Ist freiwillig!“ verwertbar
„Einmal blasen!“ fraglich, in Berlin aktuell verwertbar
„Einmal blasen!“ „Muss ich?“ „Ja!“ unverwertbar
„Einmal blasen! Sie müssen!“ unverwertbar
„Einmal blasen!“ „Muss ich?“ „Sag‘ ich nicht!“ fraglich
„Einmal blasen!“ „Muss ich?“ „Weiß ich nicht.“ Beruf verfehlt

Die Thematik der Verwertbarkeit der Atemalkoholmessung spielt übrigens nur im Bußgeldverfahren eine Rolle, da die Ergebnisse eines Atemalkoholtestes im Strafverfahren per se nicht verwertbar sind. Im Strafverfahren muss ein Blutgutachten vorliegen. Da heißt es dann: „Einmal zapfen!“, und zwar zur Not auch gegen den ausdrücklichen Willen des Beschuldigten.

Verurteilung wegen Cannabisfahrt – Erkennbarkeit der Rauschwirkung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass für eine Verurteilung nach § 24 a StVG die Feststellung erforderlich ist, dass der Betroffene das Fortbestehen der Wirkung des Rauschmittels hätte erkennen können und müssen.

Liegt der Cannabiskonsum bereits mehr als einen Tag zurück und liegt nur eine geringfügige Überschreitung des analytischen Grenzwerts vor, so ist im Urteil darzulegen, warum der Betroffene dennoch von einer fortbestehenden Rauschwirkung ausgehen musste.

Probezeit – Aufbauseminar auch für Fahrradfahrer

Das Verwaltungsgericht Aachen hat entschieden, dass auch bei einem Rotlichtverstoß eines Fahranfängers, der mit einem Fahrrad begangen wurde, die Verhängung einer Probezeitmaßnahme rechtmäßig ist (VG Aachen, Urt. v. 28.11.2013 – 3 L 571/13).

Hierbei ist vor allem die Bindungswirkung des rechtskräftigen Bußgeldbescheids zu beachten. Wird der betroffene Fahranfänger im Bußgeldverfahren rechtskräftig „verknackt“, hat er im Verwaltungsverfahren wegen der Probezeitmaßnahmen schlechte Karten.

Bei Ordnugnswidrigkeiten  gilt für Fahranfänger ohnehin: Lieber gleich zum Fachanwalt!

 

Promillegrenzen

Im folgenden Video erläutere ich, welche Promillegrenzen im Straßenverkehr gelten:

Im Straßenverkehr gelten für Autofahrer folgende Promillegrenzen:

1. Für Fahranfänger gilt eine Grenze von 0,2 Promille. Das absolute Alkoholverbot für Fahranfänger ist in § 24 c des Straßenverkehrsgesetzes geregelt. Darin heißt es, dass es für Fahranfänger verboten ist, unter der Wirkung von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln zu fahren. Es steht also nicht in der Vorschrift, dass Fahranfänger nur mit 0,0 Promille fahren dürfen. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Wirkung des konsumierten Alkohols anzunehmen ist. Da nach derzeitiger Ansicht in der Rechtsprechung eine Wirkung von Alkohol erst ab 0,2 Promille eintritt, gilt die 0,2 Promillegrenze für Fahranfänger.

2. Ab 0,3 Promille kann der Straftatbestand der Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 Strafgesetzbuch) erfüllt sein. Das ist aber nur der Fall, wenn alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (z.B. Fahrfehler wie etwa Schlangenlinien) festgestellt werden können. Man spricht dann von relativer Fahruntauglichkeit.

3. Ab 0,5 Promille ist auch für Nicht – Fahranfänger die Grenze zur Ordnungswidrigkeit überschritten. Wer mit 0,5 Promille ein Kraftfahrzeug führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes. Es ist nicht erforderlich, dass auch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vorgelegen haben. Liegen Anhaltspunkte für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vor, wird zunächst ein Strafverfahren eingeleitet werden.

4. Die Grenze zur sogenannten absoluten Fahruntauglichkeit liegt bei 1,1 Promille. Ab diesem Blutalkoholwert ist eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 StGB) gegeben, ohne dass es auf Ausfallerscheinungen ankommt.

5. Eine weitere wichtige Grenze ist die 1,6 Promillegrenze. Bei diesem Blutalkoholwert liegt die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit eines Fahrradfahrers. Auch für den Autofahrer ist diese Grenze von Bedeutung. Wird die 1,6 Promillegrenze erreicht, muss die Fahrerlaubnisbehörde eine medizinisch – psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Sie hat kein eigenes Ermessen, ob sie die MPU anordnet oder nicht.

 

Fahrerlaubnisentziehung bei „unbewusstem“ Konsum von Amfetamin

justiceDas Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 22.03.2012 AZ 16 B 231/12 Folgendes entschieden:

„1. Die im Regelfall die Kraftfahreignung ausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erfordert einen wissentlichen Konsum.

2. Der Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Drogenaufnahme ist ein Ausnahmetatbestand, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss.“

Dem Antragsteller war wegen des Nachweises von Amfetamin die Fahrerlaubnis entzogen worden. Er hatte vorgetragen, dass es sich um einen unbewussten Konsum gehandelt habe und sich darauf berufen, ihm sei das Amfetamin unbemerkt ins Getränk gemischt worden.

Das OVG NRW führt in den Entscheidungsgründen dazu aus:

„Der vom Antragsteller behauptete Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt.“

Im konkreten Fall hat das OVG die Schilderung des Antragstellers als unsubstantiierte Schutzbehauptung abgetan.

Das OVG NRW liegt damit auf Linie mit einigen weiteren oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zum Vortrag einer unbewussten Einnahme von Amfetamin. Ausgangspunkt zur Beurteilung der Rechtslage ist stets die gefestigte Rechtsprechung, dass bei allen Drogen außer Cannabis bereits der Nachweis des einmaligen Konsums – und zwar unabhängig von der Teilnahme am Straßenverkehr – genügt.

Dies jedenfalls im Regelfall. Eine Ausnahme vom Regelfall hat der jeweilige Betroffene substantiiert und widerspruchsfrei darzulegen, wobei eine starke Tendenz der Gerichte besteht, diese Einlassungen als Schutzbehauptungen abzutun.

Für Betroffene ist es von großer Bedeutung, bereits im Straf- oder Bußgeldverfahren entsprechende Weichen zu stellen, da die Fahrerlaubnisbehörde die Straf- und Bußgeldakten in jedem Fall weitergeleitet bekommen. Leider wird das in der Praxis wohl häufig übersehen. Zitat aus den Urteilsgründen (a.a.O.):

„Im Verwaltungsverfahren hat der Antragsteller seine damaligen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 2. November 2011 erklären lassen, er habe die Active O2-Flasche, die Herr T. ihm gegeben habe, getrunken. Diese habe einen bitteren Geschmack aufgewiesen. Dabei habe Herr T. ihm mitgeteilt, „Achte mal auf deinen Führerschein“. Demgegenüber lässt der Antragsteller seine jetzigen Prozessvertreter mit dem Antrag auf Regelung der Vollziehung – offenbar in Unkenntnis der früheren Einlassung ihres Mandanten – Folgendes vortragen: Am Abend des 8. März 2011 sei wie aus heiterem Himmel ein zuvor von Herrn T. entwendeter Werkzeugkasten wieder aufgetaucht. Unmittelbar neben dem Werkzeugkasten hätten sich ca. drei Flaschen des Energy-Drinks Active O2 befunden. Ihm, dem Antragsteller, sei sofort klar gewesen, dass nur Herr T. die Gegenstände wieder zurückgebracht haben konnte. Da Herr T. von seiner Vorliebe für dieses Getränk gewusst habe, habe er die Geste positiv gedeutet und die Flaschen als eine Art „Friedensangebot“ an sich genommen, von denen er eine dann gegen 21.00 Uhr zügig geleert habe.“

Autsch!

Dass die Fahrerlaubnisbehörden an einen positiven Ausgang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens nicht gebunden sind, wird anscheinend ebenfalls häufig übersehen. Die Devise heißt hier einmal mehr: „Tellerrand!“ oder: „Lieber gleich zum Fachanwalt!“. 🙂

Gesetzesentwurf zur Reform des Punktesystems beschlossen

Der Gesetzesentwurf zur Reform des Punktekataloges ist seit heute beschlossene Sache. Der Entwurf muss natürlich noch den Bundestag und den Bundesrat passieren, bevor er ausgefertigt wird. Er ist einfach ausgedrückt als Vorschlag an den Gesetzgeber gedacht.

Wann die Reform in Kraft treten wird und ob die Änderungen eins zu eins vom Gesetzgeber übernommen werden, ist daher im Moment schwer zu sagen.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung stellt die Eckpunkte des Gesetzesentwurfs auf seiner Homepage vor:

BMVBS – Geplantes Fahreignungsregister

Die wesentlichen Änderungen sind folgende:

[wp_super_faq show_specific_category=punktereform]

Sie haben Fragen zum Thema Punkte oder Punktereform?
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MPU wegen Kommentar auf Facebook?

Wie die LTO (hier) berichtet, zog sich eine Autofahrerin derart die Missgunst der Fahrerlaubnisbehörde wegen eines auf Facebook veröffentlichten Kommentars zu, dass ihr von dort eine MPU angedroht wurde.
Die Betroffene hatte auf Facebook einen Kommentar zu einem nach ihrer Ansicht besonders hinterlistig aufgestellten Blitzer, wie folgt, abgegeben:
„Die spinnen doch ey…Ich würde die am liebsten mit Eiern beschmeißen…“.
Gemeint war ein Blitzer, der im Landkreis Peine aufgestellt ist. Die zuständige Fahrerlaubnisbehörde, hier der Landkreis Peine, schrieb die Dame an und attestierte ihr ein „ … gewisses Maß an Konfliktpotential, welches als Führerin eines Kraftfahrzeugs nicht angebracht … „ sei. Wenn sie weiter auffällig werde, könne eine MPU angeordnet werden.
Hat man Worte? Besser nicht … 🙂

Besser mal einen Zug nehmen – „Fahrradfahrverbot“ wegen Trunkenheitsfahrt

Und es wird Sommer … Ästhetisch belästigende Presswürste, eingepackt in hautenge, schrittgezwängte und damit zeugungsfähigkeitsgefährdende (auch für den Beobachter) Jan Ullrich – Gedächtnis – Fahrradanzüge bevölkern die Straßen. Sport ist gesund.

Wer’s nicht sehen will, mag einfach wegschauen, während er mit seinem Auto zum Kippenautomaten gondelt. Ich halte es da lieber mit dem 97-er Udo Bölts – Tour de France – Klassiker. Ich kurbele gelegentlich im Vorbeifahren die Beifahrerscheibe runter und feuere die ohnehin schon Herzinfarktgefährdeten mit dem überraschenden, lautstarken und äußerst motivierenden Schlachtruf: „Quäl dich, du Sau!“, an. So weit so gut.

Kriminell wird’s aber, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind.

Zum Thema Fahrradfahrer und Straßenverkehrsrecht habe ich bereits einige Artikel veröffentlicht, z.B.:

Wie werde ich Geisterradler

Nutzungsausfallentschädigung für beschädigtes Fahrrad

Dass die Fahrerlaubnisbehörde weitgehende Eingriffsrechte gegenüber alkoholauffälligen Fahrradfahrern hat, war ebenfalls bereits Gegenstand eines Artikels, siehe hier:

Alkohol am Fahrradsteuer

Zu diesem Thema gibt es nun zwei aktuelle Entscheidungen, die ich kurz aufzeigen möchte. Wenig überraschend ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstraße, Urteil vom 30.01.2012, AZ 3 K 954/11, Leitsatz:

„Die Fahrerlaubnisbehörde hat nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c. Fahrerlaubnisverordnung, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 %o oder mehr geführt hat – hier Radfahrer mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,44 %o -, zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Hinblick auf seine Fahreignung anzuordnen. Dies gilt auch bei einem sog. Ersttäter, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge ist.“

Begründung:

„Bei einem Fahrradfahrer, der sich mit hoher Blutalkoholkonzentration am Straßenverkehr beteiligt und damit eine Verkehrsstraftat nach § 316 StGB begeht, ist in der Regel bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, er werde in alkoholisiertem Zustand nicht stets die nötige Selbstkontrolle aufbringen, vom Führen eines Fahrzeugs abzusehen.“

Kurzfassung: Ab 1,6 Promille auf dem Fahrrad folgt die MPU auf dem Fuß (zwingend).

Interessanter ist da schon die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen, Beschluss vom 02.02.2012, AZ 12 ME 274/11, Leitsatz:

„Einem Verkehrsteilnehmer, der bislang nur fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge in einem eignungsausschließenden Zustand geführt hat, kann die Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, ggf. auch eines Fahrrads, verboten werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls Anlass zu der begründeten Annahme besteht, er werde in überschaubarer Zukunft ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug im Zustand der Nichteignung führen und zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden.“

Der Antragsteller war in mehreren Fällen wegen Alkohol und / oder Drogen im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs und Leichtkraftfahrzeugs (Mofas) sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Beim Fahrradfahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss hatte man ihn allerdings nie erwischt.

Aus den Gründen:

„Ein derartiges Verbot setzt … die Feststellung voraus, dass der Betreffende gerade auch ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ist und die konkreten Umstände des Einzelfalls Anlass zu der begründeten Annahme geben, der Betroffene werde voraussichtlich in überschaubarer Zukunft ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug im Zustand der Nichteignung führen und so zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden.“

M.a.W.: Auch wer noch nie Fahrrad gefahren ist bzw. noch nie mit Alkohol oder Drogen auf dem Fahrrad erwischt wurde, ist vor einem Fahrradfahrverbot nicht sicher. Damit liegt das OVG Niedersachsen auf einer Linie mit dem OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 08.06.2011, AZ 10 B 10415/11.

Das OVG Niedersachsen hat den Antragsteller übrigens darauf verwiesen, er könne mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Den Einwand des Antragstellers, er könne sich das nicht leisten, hat das OVG mit der Begründung, er solle sich das Geld für Drogen sparen und für öffentliche Verkehrsmittel ausgeben (Simplifizierung durch Unterzeichner) zurückgewiesen.

Ob der Betroffene in Zukunft „einen Zug nehmen“ wird oder nicht … Man weiß es nicht … 🙂

Promillegrenzen im Straßenverkehr

Im Straßenverkehr gelten für Autofahrer folgende Promillegrenzen:

1. Für Fahranfänger gilt eine Grenze von 0,2 Promille. Das absolute Alkoholverbot für Fahranfänger ist in § 24 c des Straßenverkehrsgesetzes geregelt. Darin heißt es, dass es für Fahranfänger verboten ist, unter der Wirkung von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln zu fahren. Es steht also nicht in der Vorschrift, dass Fahranfänger nur mit 0,0 Promille fahren dürfen. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Wirkung des konsumierten Alkohols anzunehmen ist. Da nach derzeitiger Ansicht in der Rechtsprechung eine Wirkung von Alkohol erst ab 0,2 Promille eintritt, gilt die 0,2 Promillegrenze für Fahranfänger.

2. Ab 0,3 Promille kann der Straftatbestand der Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 Strafgesetzbuch) erfüllt sein. Das ist aber nur der Fall, wenn alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (z.B. Fahrfehler wie etwa Schlangenlinien) festgestellt werden können. Man spricht dann von relativer Fahruntauglichkeit.

3. Ab 0,5 Promille ist auch für Nicht – Fahranfänger die Grenze zur Ordnungswidrigkeit überschritten. Wer mit 0,5 Promille ein Kraftfahrzeug führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes. Es ist nicht erforderlich, dass auch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vorgelegen haben. Liegen Anhaltspunkte für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vor, wird zunächst ein Strafverfahren eingeleitet werden.

4. Die Grenze zur sogenannten absoluten Fahruntauglichkeit liegt bei 1,1 Promille. Ab diesem Blutalkoholwert ist eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 StGB) gegeben, ohne dass es auf Ausfallerscheinungen ankommt.

5. Eine weitere wichtige Grenze ist die 1,6 Promillegrenze. Bei diesem Blutalkoholwert liegt die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit eines Fahrradfahrers. Auch für den Autofahrer ist diese Grenze von Bedeutung. Wird die 1,6 Promillegrenze erreicht, muss die Fahrerlaubnisbehörde eine medizinisch – psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Sie hat kein eigenes Ermessen, ob sie die MPU anordnet oder nicht.

Hier finden Sie übrigens einen Promillerechner, der den ungefähren Blutalkoholwert nach dem Konsum verschiedener Getränke für Sie errechnet:

Promillerechner (interner Link).

MPU Statistik 2010 veröffentlicht

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat die MPU – Statistik für das Jahr 2010 veröffentlicht. Die gesamte Statistik ist auf der Internetseite des TÜV Hessen veröffentlicht: Externer Link.

Danach wurden im Jahr 2010 insgesamt 101.596 medizinisch-psychologische Untersuchungen durchgeführt.

Spitzenreiter unter den Anlassgruppen sind nach wie vor die Alkohol-Fragestellungen.

Mit insgesamt 54 % bilden die Alkohol-Fragestellungen nach wie vor die stärkste Anlassgruppe der MPU-Gutachten, wobei der größte Anteil der zu Begutachtenden (29 %) erstmalig mit Alkohol auffällig wurde. Die Gruppe Drogen und Medikamente machte es wie Holland bei der WM 2010 und landete auf dem zweiten Platz (20 % der Begutachtungen). Sonstige Verkehrsauffälligkeiten (ohne Drogen und Alkohol) bilden mit 15 % die drittstärkste Gruppe.

Wesentlich interessanter als die prozentuale Verteilung nach Anlassgruppen ist natürlich die immer wieder von tränendurchtränkten Mandantenaugen flankierte Frage, die sich auch viele Jurastudenten vor dem ersten Staatsexamen stellen: "Wie viele fallen denn da durch?"

Die pauschale Antwort lautet (für beide Fragesteller): "Viele!"

Auszugsweise sieht die Statistik 2010 für Alkoholauffällige wie folgt aus:

– Erstmalig Alkoholauffällige: 51,18 % haben bestanden, weiteren 13,17 % wurde Nachschulungsfähigkeit attestiert, 35,65 % sind glatt durchgefallen

– Wiederholt Alkoholauffällige: 44,48 % direkt bestanden, 11,79 % waren nachschulungsfähig, 43,73 % Totalausfall

– Alkohol in Zusammenhang mit verkehrs- und strafrechtlichen Auffälligkeiten: 43,19 % bestanden, 11,73 % mussten nachbessern und 45,08 % waren ungeeignet

– Mischkonsum (Alkohol und Drogen): 52,20 % waren geeignet, 6,71 % durften nachsitzen und 41,09 % haben es nicht geschafft

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Begutachtungen insgesamt um 4,23 % zurückgegangen. Es fanden 6,57 % weniger Begutachtungen wegen Alkohol statt. Die Anzahl der Begutachtungen wegen Drogen ist dagegen nur um 0,21 % zurückgegangen. Bereits in den vergangenen Jahren war die Anzahl der Begutachtungen wegen Alkohol rückläufig, während die Begutachtungen wegen Drogen in den Jahren 2007 bis 2009 jeweils anstiegen.

Fußballmetaphorisch lässt sich also sagen: Alkohol ist und bleibt das MPU-Spanien unter den Anlassgruppen, liegt allerdings nicht mehr im Trend. Vermutlich liegt's an den anhaltenden Vergewaltigungen des deutschen Biers durch diverse Geschmackszusätze (Feige, Mango, Litschi, Kirsche). Da vergeht einem doch die Lust am Trinken …

Keine Anerkennung einer EU – Fahrerlaubnis bei deutschem Wohnsitz im Führerschein

Der Europäische Gerichtshof hat es bereits mit Urteil vom 19.05.2011 entschieden (Link: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62010J0184:DE:HTML):

Steht der falsche Wohnsitz im EU – Führerschein, also Deutschland, dann berechtigt die Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Fahrzeugen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

Die Entscheidung erging in einem Vorlageverfahren. Über die abweichenden Meinungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, des Rheinland – Pfälzischen Oberverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der diese Frage schließlich dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat, habe ich hier bereits berichtet: http://knoellchen.eu/german/?p=1360.

Bleibt nur noch anzumerken, dass inzwischen auch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Sinne des Europäischen Gerichtshofs gefallen ist. Die Legal Tribune Online berichtet hier darüber: http://www.lto.de/de/html/nachrichten/3874/bayerischer_vgh_tschechischer_fuehrerschein_gilt_in_deutschland_nicht/.
 

EU – Fahrerlaubnis wirksam trotz deutschem Wohnsitz im Führerschein?!

Anscheinend ja! Nach der Entscheidung des EuGH vom 26.08.2008 (Wiedemann/Zerche/Funk) herrschte zunächst unter den Oberverwaltungsgerichten die einhellige Meinung, dass eine EU – ausländische Fahrerlaubnis schon dann nicht dazu berechtigt, im Inland FAhrzeuge zu führen, wenn im Führerschein als Wohnsitz ein Ort in Deutschland eingetragen ist.
Darauf, ob dem Fahrerlaubnisinhaber vor Erwerb der Fahrerlaubnis in Deutschland der Führerschein entzogen worden war (§ 28 IV Nr. FEV) oder eine ähnliche Maßnahme stattgefunden hat, kam es nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung nicht an. Wer also mit einem Führerschein aus dem EU – Ausland unterwegs war, in dem ein deutscher Wohnsitz eingetragen war, fuhr ohne die erforderliche Berechtigung, was dann einen Sperrvermerk im Führerschein zur Folge hatte sowie in der Regel ein Strafverfahren wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVO) nach sich zog.

Dieser Rechtsansicht haben der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 18.06.2009 AZ: 2 B 255/09) und das Oberverwaltungsgericht Rheinland – Pfalz eine deutliche Absage erteilt und klargestellt, dass ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip für sich alleine noch nicht genügt, um auf eine Nichtberechtigung zum Führen von Fahrzeugen im Inland zu schließen.

Leitsatz des OVG Rheinland – Pfalz (Urt. v. 18.03.2010 AZ: 10 A 11244/09):

"1. § 28 Abs. 4 Nr. 2 der Fahrerlaubnisverordnung in der bis zum 18. Januar 2009 geltenden Fassung gelangt nicht schon dann zur Anwendung, wenn sich der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 91/439/EWG aus dem vom Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein oder anderen von diesem Staat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt.

2. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass dem betreffenden EU-Fahrerlaubnisinhaber in Deutschland vor der Führerscheinausstellung die Fahrerlaubnis entzogen oder seine Fahrerlaubnis eingeschränkt, ausgesetzt oder aufgehoben worden war (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, grundlegend Beschluss vom 23. Januar 2009, BA 2009, 352)."

 

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits angedeutet, dass ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip für sich alleine gerade nicht ausreichen dürfte und diese Frage zur Klärung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (Beschluss v. 16.08.2010 AZ: 11 CE 10.262). Nach meiner Prognose wird der Europäische Gerichtshof diese Vorlagefrage in vorgenanntem Sinne beantworten. Die vormals herrschende Meinung unter den Verwaltungsgerichten basierte schlicht und einfach darauf, dass der Europäische Gerichtshof noch nie über Fälle zu entscheiden hatte, in denen ausschließlich ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip vorlag. Ihm lagen immer Sachverhalte vor, in denen eine Entziehungs- oder ähnliche Maßnahme vorausgegangen war und zudem die nationalen Eignungstests (MPU) umgangen werden sollten.

Nach meiner Erfahrung haben sich die oben genannten Urteile weder bei den Fahrerlaubnisbehörden noch bei den Strafgerichten festgesetzt. Ist im ausländischen Führerschein ein deutscher Wohnsitz eingetragen, wird noch immer häufig ein Sperrvermerk eingetragen und ein Strafbefehl produziert. In Rheinland – Pfalz kursiert jedenfalls noch immer ein Rundschreiben des Landesbetriebs für Mobilität an die einzelnen Fahrerlaubnisbehörden, nach welchem in solchen Fällen ein Sperrvermerk eingetragen werden soll. Aktuell befindet sich ein derartiger Fall bei mir in Bearbeitung und zwar mit allem pipapo (Umschreibungsantrag, Antrag auf Feststellung der Berechtigung, einstweiliger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, Einspruch gegen den Strafbefehl). Schau mer mal, wie es ausgeht. Nach meiner Einschätzung gut … Ich werde darüber berichten.

Ganz allgemein lässt sich Folgendes konstatieren:

Die Rechtslage bezüglich der Anerkennung von EU – Fahrerlaubnissen ist ebenso kompliziert wie die anschließende Frage der Strafbarkeit wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis. Den Betroffenen bzw. Beschuldigten kann nur dringend ans Herz gelegt werden, sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Nicht selten kann übrigens schon wegen der Schwierigkeit der Rechtslage die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten sein (z.B.: OLG Zweibrücken Bschluss v. 14.03.2006 AZ: 1 Ss 146/05).

Abschließend bitte ich höflich davon, von Anfragen der Art: "Ich habe keine Lust, die MPU zu machen, weil ich auch weiterhin lieber im Drogen- und Alkoholrausch kleine Kinder totfahren möchte, kann ich nicht den Führerschein in Polen machen", abzusehen. Ich rate hiermit jedem ausdrücklich davon ab. Anfragen dieser Art werden von mir unbeantwortet bleiben. Wenden Sie sich mit solchen Anfragen bitte an den Ihnen sicherlich bekannten Anwalt Ihres Vertauens, der um die Ecke wohnt (man nennt ihn deshalb auch Winkeladvokat).

Wenn Sie ein aktuelles Problem mit einem "Alt – Fall" haben und jetzt bereits oder demnächst in der Tinte sitzen, insbesondere in der vorbezeichneten Art, stehe ich Ihnen für ein kostenloses Informationsgespräch selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Rechtsfolgen einer Unfallflucht

Der Straftatbestand der Unfallflucht ist in § 142 StGB – unerlaubtes Entfernen vom Unfallort – geregelt. Neben den strafrechtlichen Folgen einer Unfallflucht sind immer auch die zivilrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Folgen zu beachten. Nachfolgend gebe ich einen kleinen Überblick, über die Auswirkungen einer Unfallflucht. Der Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

1. Strafrechtliche Folgen: Nach § 142 StGB droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Die Unfallflucht ist eine sogenannte Katalogtat, die in § 69 unter Absatz 2 Nummer 3 aufgeführt ist. Ist bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt wurden oder ein bedeutender Sachschaden (ab einer Schadenshöhe von ca. 1200,00 €) an einer fremden Sache entstanden, so kann das Gericht die Fahrerlaubnis entziehen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung durch die Führerscheinstelle verhängen. In diesem Fall kommt auch eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis durch richterlichen Beschluss gemäß § 111 a StPO in Betracht. Bei den Staatsanwaltschaften existieren interne Richtlinie zum Strafmaß und zur Dauer der Sperrfrist, die unter anderem von der Höhe des eingetretenen Schadens abhängig sind und meist sklavisch im Antrag der Staatsanwaltschaft vertreten werden.

2. Verwaltungsrechtliche Folgen: Wer eine Unfallflucht begeht, zeigt charakterliche Mängel. Die Fahrerlaubnisbehörde kann eine MPU anordnen und die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von der bestandenen MPU abhängig machen. Das geschieht in der Praxis allerdings eher selten, wenn nicht sonstige erschwerende Umstände hinzutreten.

Was erstaunlicherweise häufig übersehen wird: Für eine Unfallflucht werden sieben Punkte in Flensburg eingetragen. Man sollte sich daher Gewissheit über den eigenen Punktestand verschaffen.

3. Versicherungsrechtliche Folgen: Dass der Führerscheinverlust und eine Geld- bzw. Freiheitsstrafe  droht, ist den meisten bewusst. Daneben sind aber auch die zivilrechtlichen Folgen zu beachten. Wer eine Unfallflucht begeht, begeht damit  eine sog. Obliegenheitsverletzung in der Kfz – Haftflichtversicherung, die einen (quotenmäßigen) Verlust des Leistungsanspruchs zur Folge hat. Der Kfz – Haftpflichtversicherer wird zwar die Schäden an dem fremden Eigentum ersetzen, danach aber Regress beim eigenen Versicherten nehmen bis zu einer Höhe von 2.500,00 €, in besonders schweren Fällen bis zu 5.000,00 €.

Zudem verliert der Unfallflüchtige seinen Anspruch auf Leistungen aus seiner Vollkaskoversicherung. Er muss also nicht nur die Schäden am fremden Eigentum bezahlen, sondern bleibt trotz bestehender Vollkaskoversicherung auf seinen eigenen Schäden sitzen.

Wer wegen Unfallflucht verurteilt wird, verliert auch den vorläufigen Rechtsschutz. Er muss dem Rechtsschutzversicherer bereits unter Vorbehalt gezahlte Anwaltsgebühren erstatten bzw. diese, soweit sie nicht von der Rechtsschutz bezahlt wurden, selber zahlen.

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass im Rahmen der Mandatsbearbeitung auf diese Folgen durch den Rechtsanwalt nicht hingewiesen wird. Anstatt eine vernünftige Verteidigung gegen den Vorwurf der Unfallflucht zu führen, soweit dies im Einzelfall agezeigt und möglich ist, erfolgt vorschnell eine Strafmaßverteidigung in dem Sinne, dass der Tatvorwurf eingeräumt wird und der Richter dann sozusagen im Gegenzug die Geldstrafe senkt und die Sperrfrist etwas kürzt. Die Sperrfristverkürzung ist in den Fällen, in denen der Mandant die 17 Punkte – Grenze in Flensburg überschreitet, natürlich ein tolles Ergebnis. Dann ist die Fahrerlaubnis nämlich ohnehin weg und muss komplett neuerworben werden. Der Mandant bleibt außerdem häufig auf allen nur denkbaren Kosten sitzen, ohne vorher hierüber informiert worden zu sein. Herzlichen Glückwunsch und gute Besserung!

Fazit: Nur wer einen Überblick über die möglichen Rechtsfolgen einer Unfallflucht hat, kann den Beschuldigten optimal beraten und darauf vorbereiten, was auf ihn zukommt bzw. zukommen kann. Einen Verteidiger mit der Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Vorwurf der Unfallflucht zu beauftragen, lohnt sich in jedem Fall.

Zum Strafmaß bei der Unfallflucht

Bei den Staatsanwaltschaften existieren interne Richtlinien zur Bearbeitung von Verkehrssachen, die von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft (geringfügige) Abweichungen enthalten. Die Richtlinien sind nicht verbindlich. Der Beschuldigte kann sich darauf also nicht berufen.

Meist wird sich der Antrag der Staatsanwaltschaft aber an die Vorgaben der Richtlinien halten, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten. Diese sind natürlich von der Verteidigung vorzutragen, soweit sie dem Beschuldigten nützlich sind.

Als Beispiel soll hier die Richtlinie der Staatsanwaltschaft Saarbrücken dienen. Die Richtlinie gilt für Ersttäter. Wer also schon einschlägig vorbestraft ist, muss mit einer höheren Strafe rechnen. Die Richtlinie der Staatsanwaltschaft Saarbrücken sieht Folgendes vor:

Ist ein Sachschaden von 550,00 € bis 650,00 € entstanden, so soll eine Geldstrafe von 20 – 30 Tagessätzen und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt werden. Ein Tagessatz entspricht einem Dreißigstel des monatlichen Einkommens.

Bei einem Sachschaden von 650,00 € bis 900,00 € soll eine Geldstrafe von mindestens 30 Tagessätzen und zwei Monate Fahrverbot verhängt werden.

Liegt der Sachschaden zwischen 900,00 € und 1.100,00 € sollen mindestens 40 Tagessätze und 3 Monate Fahrverbot verhängt werden.

Ab einer Schadenshöhe von 1.100,00 € sind mindestens 50 Tagessätze und eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von mindestens 9 Monaten fällig.

Bei Wiederholungstätern kommt eine kurze Freiheitsstrafe von 4 – 6 Monaten (regelmäßig zur Bewährung ausgesetzt) in Betracht. Die Geldstrafe erhöht sich auf 120 bis 180 Tagessätze.

Sind der Unfallflucht eine Trunkenheitsfahrt oder eine Gefährdung des Straßenverkehrs vorausgegangen (was häufig der Fall ist) und wird die Fahrerlaubnis entzogen, so wirkt sich die Unfallflucht vor allem dahingehend aus, dass die Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis um 2 bis 4 Monate verlängert wird. Wichtig: Die Schadenshöhe berechnet sich nur aus den Reparaturkosten inklusive Umsatzsteuer, falls diese anfällt. Je nach Einzelfall ist es daher auch im Strafverfahren stets angezeigt, die tatsächliche Schadenshöhe zu ermitteln bzw. in Frage zu stellen. Es kann sich auch lohnen, mit dem Geschädigten Rücksprache zu halten, ob er das Fahrzeug tatsächlich repariert hat bzw. reparieren lassen möchte. Gegebenenfalls darf die Umsatzsteuer nämlich nicht berücksichtigt werden, weil der Geschädigte diese nicht zahlen muss. Falls keine anderen erfolgversprechenden Verteidigungsmittel in Betracht kommen, lassen sich so zumindest die Geldstrafe und die Dauer des Fahrverbotes reduzieren bzw. die Entziehung der Fahrerlaubnis verhindern.

Alkohol am (Fahrrad-)Steuer

Nach einer neuen Studie des Auto Club Europa (ACE) sind bei jedem achten Fahrradunfall Alkohol und / oder Drogen im Spiel. Im Vergleich dazu ist nur bei jedem 22. Autounfall Alkohol- oder Drogeneinnahme zu verzeichnen. Das gibt Anlass einmal kurz darzustellen, wie es sich mit den Rechtsfolgen bei Trunkenheitsfahrten von Fahrradfahrern verhält:

I. Straftaten

1. Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB): § 316 StGB knüpft an das Führen eines Fahrzeuges im Straßenverkehr an. Auch das Fahrrad ist ein Fahrzeug, weshalb sich derjenige, der im Zustand alkoholoder drogenbedingter Fahrunfähigkeit im Verkehr Fahrrad fährt, nach § 316 StGB strafbar macht. Absolute Fahruntauglichkeit liegt ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille vor. Liegt der Wert darunter, müssen verkehrsbezogene Ausfallerscheinungen (Schlangenlinien o.Ä.) hinzutreten.

2. Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB): Auch § 315 c StGB knüpft an den Begriff des Fahrzeuges an, weshalb auch eine Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Betracht kommt.

3. Kein Entzug der Fahrerlaubnis durch das Gericht (§ 69 StGB): Wird ein Autofahrer wegen der vorgenannten Verkehrsdelikte bestraft, so wird ihm das zuständige Gericht nach § 69 StGB in der Regel die Fahrerlaubnis entziehen. Die Fahrerlaubnis erlischt dann und muss nach Ablauf einer Sperrfrist bei der Fahrerlaubnisbehörde neu beantragt werden, ggf. unter Nachweis einer MPU. In § 69 StGB ist aber vom Führen von Kraftfahrzeugen die Rede. Egal wie muskulös die Beine sind, das Fahrrad ist kein Kraftfahrzeug, deshalb kann die Fahrerlaubnis nicht vom Strafgericht entzogen werden.

4. Kein Fahrverbot durch das Gericht (§ 44 StGB): Mit Fahrverbot ist die befristete Untersagung des Führens eines Kraftfahrzeugs gemeint. Die Fahrerlaubnis erlischt also nicht wie beim Entzug der Fahrerlaubnis, es wird dem Verurteilten lediglich für einen bestimmten Zeitraum (1 – 3 Monate) verboten, ein Kraftfahrzeug im Verkehr zu führen. Der Führerschein ist abzugeben und wird nach Ablauf der Frist wieder ausgehändigt. Auch § 44 StGB gilt nur für das Führen von Kraftfahrzeugen, also nicht für Fahrräder.

II. Ordnungswidrigkeiten

1. Keine Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes (Trunkenheits- oder Drogenfahrt). Auch diese Vorschrift bezieht sich nur auf Kraftfahrzeuge.

2. Vorsicht: Nicht alle Vorschriften des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts knüpfen wie § 24 a StVG an das Führen eines Kraftfahrzeugs an. Wer also z.B. auf der falschen Fahrbahn fährt, durch falsches Fahrverhalten einen Unfall verursacht o.Ä. muss, wenn und solange die Tat nicht schon als Straftat verfolgt wird, mit einem Bußgeld rechnen.

3. Kein Fahrverbot durch den Bußgeldrichter (§ 25 StVG): Alleinige Grundlage für die Verhängung eines Fahrverbotes im Bußgeldverfahren ist § 25 StVG. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf Kraftfahrzeuge. Auch der Bußgeldrichter kann demnach kein Fahrverbot verhängen. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis wie im Strafverfahren kommt schon nicht in Betracht, weil es eine solche im Bußgeldverfahren nicht gibt.

III. Fahrerlaubnisrecht

Wer nach Lektüre der obigen Ausführungen schon frohlockt hat, weil ihm weder der Bußgeldrichter noch das Strafgericht an den Lappen kann, wird im Folgenden bitter enttäuscht werden.

Die Fahrerlaubnisbehörde (FEB) darf so ziemlich alles von der Anordnung einer MPU bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Was die FEB im Einzelfall darf oder sogar muss, sprengt den Rahmen dieses Beitrages. Regelungsgrundlagen sind jedenfalls § 25 StVG, die Fahrerlaubnisverordnung sowie die Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung. Tendenziell lässt sich sagen, dass ab einem Blutalkoholwert von 1,6 % Promille fest damit zu rechnen ist, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde einschaltet. Die Staatsanwaltschaft ist übrigens ebenso wie die Bußgeldbehörde verpflichtet, der FEB Mitteilung zu machen, wenn der Verdacht eines fahrerlaubnisrelevanten Verstoßes vorliegt.

Fazit:

1. Nur wer Kenntnis von sämtlichen Regelungsmaterien, insbesondere vom Fahrerlaubnisrecht, hat, kann eine sachgerechte Verteidigung bieten.

2. Wer säuft, sollte mit dem Taxi fahren.

Bundesverwaltungsgericht straft Punktesünder ab

Eine sehr bedeutende Frage für das Fahrerlaubnisrecht hatte das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden (Urt. v. 25.09.2008 AZ 3 C 21.09) . Ich möchte die Fragestellung vorab anhand eines Fallbeispiels verdeutlichen:

Verkehrsteilnehmer Schludrig nimmt es mit der StVO nicht so genau. Er hat bereits 17 Punkte und telefoniert trotzdem regelmäßig während der Fahrt mit seinem Handy. Es kommt, wie es kommen muss, Schludrig wird erwischt. Auf den Bußgeldbescheid reagiert er nicht, die Beauftragung eines Rechtsanwalts hält er für nicht erforderlich. Verdientermaßen wird daher nach Rechtskraft des Bußgeldbescheides ein Punkt eingetragen. Der Punkt wird im September 2009 eingetragen, die Fahrerlaubnisbehörde entzieht Schludrig die Fahrerlaubnis daraufhin im November 2009 (Bekanntgabezeitpunkt). Schludrig wendet sich nun doch an einen Rechtsanwalt. Der Rechtsanwalt legt gegen die Fahrerlaubnisentziehung rechtzeitig Widerspruch ein. Im Dezember 2009 werden 5 Punkte gelöscht. Schludrig hat nun nur noch 13 Punkte. Im Januar 2010 weist die Fahrerlaubnisbehörde den Widerspruch Schludrigs zurück.

Die Frage, die sich nun zwangsläufig stellt, ist, ob die Behörde bei Entscheidung über den Widerspruch im Januar 2010 berücksichtigen muss, dass nun nur noch 13 Punkte eingetragen sind. Dann nämlich muss sie dem Widerspruch abhelfen. Schludrig gewinnt. So sahen das auch das Oberverwaltungsgericht Bremen (NJW 2007, 394) und das Oberverwaltungsgericht Koblenz (DAR 2007, 41). Andererseits könnte man auch darauf abstellen, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Fahrerlaubnisentzugs im November 2009 die Voraussetzungen für die Entziehung noch vorlagen. Dann wäre der Widerspruch zurückzuweisen. Schludrig verliert. So entschieden haben z.B. das Oberverwaltungsgericht Münster (DAR 2007, 164) der Verwaltungsgerichtshof München (DAR 2007, 717) und der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (DÖV 2005, 746).

Die zu entscheidende Frage lautet also:

Muss die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung über den Widerspruch die Rechtslage zugrunde legen, die bei Bekanntgabe der Fahrerlaubnisentziehung bestand oder ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch maßgeblich?

Die Bedeutung für die rechtsanwaltliche Praxis liegt auf der Hand. Ist die Rechtslage bei Erlass des Widerspruchsbescheid maßgeblich, ist das günstig für den Mandanten. Denn es kann dann unter Umständen erreicht werden, dass der Mandant durch zwischenzeitliche Punktelöschung im Widerspruchsverfahren obsiegt. Ist dagegen die Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Fahrerlaubnisentziehung maßgeblich, ist der Zug abgefahren, wenn der Mandant bei Bekanntgabe des Fahrerlaubnisentzugs tatsächlich über 17 Punkte hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die zu entscheidende Frage in überraschender und für den Schludrig denkbar ungünstigster Weise geklärt. Der Leitsatz:

"Hat der Inhaber einer Fahrerlaubnis einen Punktestand erreicht, der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Folge hat, ist eine danach eintretende Tilgung von Punkten im Verkehrszentralregister für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ohne Bedeutung."

Das bedeutet nicht weniger, als dass es weder auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entziehung der Fahrerlaubnis noch auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch ankommt. Es kommt alleine darauf an, dass irgendwann über 17 Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen waren. Schludrig hat nun also selbst dann keine Chance mehr, wenn sich der Punktestand vor Bekanntgabe der Entziehung, also beispielsweise im Oktober 2009, auf unter 18 Punkte verringert.

Meine Meinung: Die Entscheidung verkennt sämtliche Grundsätze, die über Jahrzehnte hinweg zur Frage des maßgeblichen Zeitpunktes für die Beurteilung der Rechtslage durch die Verwaltungsbehörde aufgestellt wurden. Rechtsdogmatisch ist diese Entscheidung daher "etwas daneben". Für Schludrig ist die Entscheidung ist ein übler Nackenschlag, der wäre besser beraten gewesen, gegen den Bußgeldbescheid rechtzeitig Einspruch einzulegen…

Sachsen – Anhalt und Mecklenburg – Vorpommern fordern die 0,0 Promillegrenze

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht das anders; Zitat: "Es kann nicht sein, dass wir jetzt jedem braven Bürger ein Glas Bier oder ein Glas Wein vergällen." Dass diese Stellungnahme aus Bayern kommt, verwundert wenig, kann man jenseits des Weißwurschtäquators nach der Beckstein'schen Formel doch ohnehin nach dem Genuss von zwei Maß Bier noch Autofahren.

Meine Meinung: Aus rein verkehrssicherheitstechnischer Sicht gibt es wohl nur eine Meinung, die man hier vertreten kann: Her mit der Null-Promille-Grenze. Das hat schließlich auch bei den Führerscheinanfängern und bis zu 21 – jährigen funktioniert. Aus Gründen der Verkehrssicherheit sollten wir dann aber auch alle künftig das Auto in der Garage stehen lassen und zu Fuß mit Sturzhelm und Protektoren bekleidet den nächsten ICE nehmen. Bei 50 Grad Celsius im Abteil und einer Schweißpfütze bodensee'schen Ausmaßes unterm Helm schmecken die zwei Maß dann auch gleich viel besser. Ich schließe mich Herrn Herrmann, nicht aber Herrn Beckstein, an. Ich möchte mir mein Bierchen nicht vergällen lassen, denn als vernünftiger Autofahrer bleibt es bei mir auch bei einem Bierchen. So weit muss die Allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen gehen!

0,0 Promille – Nein Danke!