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Archiv: 15. Dezember 2017

Aktuelle Urteile zum Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen

Von der Verhängung eines Fahrverbotes ist dann abzusehen, wenn diese Rechtsfolge für den Betroffenen eine unzumutbare Härte darstellen würde. Im Gegenzug wird dann in der Regel das Bußgeld erhöht.

Die in der Praxis wichtigste Fallgruppe der Unzumutbarkeit eines Fahrverbotsantritts stellt die Existenzgefährdung durch einen drohenden Arbeitsplatzverlust dar.

Zu den Voraussetzungen eines solchen Absehens vom Fahrverbot hat der Betroffene umfassend und gegebenenfalls unter Beweisantritt vorzutragen. Hierfür genügt es nicht, lediglich darzustellen, dass man auf den Führerschein beruflich angewiesen ist.
Es ist zur Überzeugung des Gerichts darzulegen, dass ein konkreter Arbeitsplatzverlust in Aussicht steht, der auch durch anderweitige Kompensierungen (Urlaub, Einstellung eines Fahrers, etc.) abgefangen werden kann. Die Rechtsprechung verfährt hier in den letzten Jahren immer repressiver. Ein Absehen vom Fahrverbot kann im Saarland in geeigneten Fällen aber durchaus noch erreicht werden. Hierbei ist festzuhalten, dass jeder Fall eben ein Einzelfall und als solcher zu behandeln ist.

Die Fachzeitschrift „Verkehrsrecht aktuell“ veröffentlicht jährlich eine Übersicht über aktuelle Urteile. Nachfolgend stelle ich einige Fallgestaltungen, die in der Praxis häufig vorkommen vor:

Das Kammergericht hat entschieden, dass von einem Fahrverbot bei einem Taxifahrer bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h innerorts nicht aus beruflichen Gründen abzusehen ist. Begründung: Wer leichtfertig ein Fahrverbot riskiert, kann sich nicht einfach auf berufliche Konsequenzen berufen, um ein Regelfahrverbot zu vermeiden.

Ebenso streng ist es bei einer alleinerziehenden Mutter, die bundesweit im Außendienst tätig ist, verfahren.

Das AG Lüdinghausen hat das gegen einen Busfahrer ergangene Fahrverbot auf die Fahrerlaubnisklassen D1, D, D 1 E und DE beschränkt, so dass er weiterhin seinem Beruf nachgehen konnte. Des Weiteren hat es bei einem Betroffenen, der sich in der arbeitsvertraglich vereinbarten Probezeit befand, vom Fahrverbot abgesehen, da die Geschäftsführerin der Abreitgeber GmbH als Zeugin vor Gericht bestätigt hat, dass im Falle des Fahrverbots das Arbeitsverhältnis beendet werden wird.

Etwas strenger geht man beim OLG Zweibrücken vor, das ja bekanntermaßen praktisch vor meiner Haustür liegt. Bei mehreren einschlägigen Voreintragungen im Fahrerlaubnisregister kommt ein Absehen vom Fahrverbot auch dann nicht in Betracht, wenn der Betroffene wegen des Fahrverbots seine selbstständige Tätigkeit aufgeben muss. Hierzu lässt sich aber generell festhalten, dass ein Absehen vom Fahrverbot immer dann, wenn Voreintragungen bestehen, schwierig wird. In geeigneten Fällen wird der Verteidiger das Verfahren verzögern, bis die Eintragungen getilgt sind.

Das OLG Bamberg hat bei einem Selbstständigen ebenfalls nicht vom Fahrverbot abgesehen, der Gewinneinbußen geltend gemacht hatte. Begründung: Zu erwartende Gewinneinbußen müssen zu einer nachgewiesenen Existenzbedrohung führen.

Fazit: Die Voraussetzungen des ausreichenden Vortrages für eine Existenzgefährdung sind hoch. Es ist Sache des Betroffenen, hierzu umfassend vorzutragen und Beweis anzubieten. Steht ein Fahrverbot in Aussicht, ist anwaltliche Hilfe immer angezeigt.

Cannabis am Steuer: MPU statt sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis?

Keine sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis bei einmaliger Fahrt unter der Wirkung von Cannabis.

Verkürzt dargestellt, ist dies die Kernaussage des aktuellen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH München) vom 25.04.2017. Der VGH München hat entschieden:

„Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten kann die Fahrerlaubnisbehörde nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Vielmehr sieht § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor.“ (VGH München, Urt. V. 25.04.2017 – 11 BV 17.33)

Beim Cannabiskonsum sind verschiedene Konsumformen zu trennen. In der vorliegenden Konstellation geht es um den sogenannten Gelegenheitskonsumenten. Gelegenheitskonsument ist nach der Rechtsprechung derjenige, der mindestens zwei Mal, aber nicht täglich oder fast täglich, Cannabis konsumiert. Das dürfte die weit größte Fallgruppe in der Praxis sein.

Gängige Verwaltungspraxis – und vielleicht bald „Veraltungspraxis“ – in allen Bundesländern war bislang, dass auch bei einer einmaligen Cannabisfahrt eines Gelegenheitskonsumenten die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen ist.

Das basiert auf der Entscheidung des BVerwG vom 23.10.2014 – 3 C 3.13 (hier veröffentlicht: bundesveraltungsgericht.de – BVerwG vom 23.10.2014 – 3 C 3.13). Demnach galt bislang bundesweit Folgendes:

„Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist.“ (BVerwG a. a. O.)

Das bedeutet, wer Gelegenheitskonsument ist und unter der Wirkung von Cannabis (also ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml), ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr fährt, muss mit der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen.

Dem stellt sich nunmehr ausgerechnet das bei Drogendelikten wohl schärfste Bundesland entgegen, indem der VGH München postuliert, dass in einem solchen Fall zunächst eine Überprüfung der Fahreignung mittels MPU zu erfolgen habe.
Die Entscheidung ist rechtsdogmatisch sehr überzeugend begründet. Sie bezieht sich auf den Fall einer als Ordnungswidrigkeit geahndeten Tat, mithin einer Drogenfahrt nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes.

Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei einer solchen Drogenfahrt ist § 14 der Fahrerlaubnisverordnung (FEV).

§ 14 Absatz 1 Satz 3 FEV lautet:

„Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.“

Demgegenüber ist in § 14 Absatz 2 Nr. 3 FEV geregelt:

„Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist für die Zwecke nach Absatz 1 anzuordnen, wenn

wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes begangen wurden.“ (Hervorhebung durch Unterzeichner)

Wenn nun aber bei wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss zwingend eine MPU anzuordnen ist, dann stellt sich doch die Frage, weshalb bei einer einmaligen Drogenfahrt nach § 24 a StVG der Sofortentzug gerechtfertigt sein soll. Demnach „dürfte“ der Wiederholungstäter zur MPU, während der Ersttäter sofort den Führerschein abgeben müsste. Das erscheint systemwidrig und kann so vom Gesetzgeber nicht gemeint gewesen sein.

Abschließend möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass die Führerscheinstellen – jedenfalls jenseits des Weißwurstäquators – weiterhin von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgehen und die Fahrerlaubnis in einem solchen Fall sofort entziehen.
Das Urteil des VGH München ist nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht in dieser Sache entscheiden wird und ob hier ein Umdenken erfolgen wird oder nicht.