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Kategorie: Alkohol und Drogen

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Fahrerlaubnis entzogen – Womit darf man noch fahren?

Ist der Führerschein weg, fragen sich Betroffene häufig, ob und welche Fahrzeuge sie im Straßenverkehr noch nutzen dürfen. Hierbei ist zum einen zwischen verschiedenen Fahrzeugarten zu unterscheiden. Zum anderen kommt es darauf an, warum der Führerschein weg ist.

1. Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde oder das Gericht

Sowohl in einem Strafverfahren als auch in einem Verwaltungsverfahren vor der Fahrerlaubnisbehörde kann eine Entziehung der Fahrerlaubnis stattfinden. Entziehung der Fahrerlaubnis bedeutet, dass der Verwaltungsakt Fahrerlaubnis erlischt. Der Betroffene hat dann keine Fahrerlaubnis mehr. Er muss diese – zu gegebener Zeit – neu beantragen.

Insbesondere wenn das Gericht eine Sperrfrist verhängt hat, innerhalb derer der oder die Beschuldigte keine Fahrerlaubnis erwerben können, fragen sich Beschuldigte häufig, wie sie den Zeitraum der Entziehung überbrücken können. Folgende Fahrzeuge dürfen während des Entziehungszeitraums unter den nachfolgenden Bedingungen gefahren werden:

– Mopeds (bis 50 km/h): Nein, Fahrerlaubnis erforderlich

– Mofas (bis 25 km/h): Ja, sofern eine Prüfbescheinigung vorhanden ist oder der Betroffene vor dem 1.4.1965 geboren ist.

Hinweis: Bereits während laufender Verkehrsstrafverfahren erfolgen Meldungen an die Fahrerlaubnisbehörde und ans Kraftfahrtbundesamt (Fahrerlaubnisregister). Sind beim Betroffenen Eintragungen im Fahrerlaubnisregister gespeichert, die eine Ungeeignetheit vermuten lassen, wie etwa eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, darf keine Prüfbescheinigung erteilt werden. Ein aktueller Auszug ist bei Beantragung der Erteilung der Prüfbescheinigung vorzulegen.

– E-Scooter (bis 20 km/h): Ja

– E-Scooter (bis 25 km/h): siehe Mofas

– E-Scooter (bis 45 km/h): Nein, Fahrerlaubnis erforderlich

– Pedelec (bis 25 km/h): Ja, mit Ausnahmen (z.B. zu starke Nennleistung in Watt)

– E-Bike (bis 45 km/h): Nein, Fahrerlaubnis erforderlich

– Fahrrad: Ja

Ausnahmen gelten, wenn die Fahrerlaubnisbehörde ein entsprechendes sog. verwaltungsrechtliches Fahrverbot verhängt. Es handelt sich hierbei nicht um ein Fahrverbot nach § 25 StVG oder § 44 StGB (wegen einer Ordnungswidrigkeit oder als Nebenstrafe einer Straftat). Vielmehr erhält der Betroffene einen Bescheid von der Fahrerlaubnisbehörde, mit welchem ihm untersagt wird, mit bestimmten fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen (z.B. Fahrradfahrverbot, Mofafahrvebot etc.). Diese Maßnahme ist sehr selten.

2. Verhängung eines Fahrverbots nach § 44 StGB oder § 25 StVG

In Ordnungswidrigkeitenverfahren (Geschwindigkeitsverstöße etc.), aber auch in Strafverfahren werden häufig Fahrverbote verhängt. Im Gegensatz zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis ist hier der Verwaltungsakt Fahrerlaubnis nicht erloschen. Dem Betroffenen wird lediglich für einen bestimmten Zeitraum verboten mit bestimmten Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen.

Bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 25 StVG beziehungsweise des § 44 STGB ergibt sich, dass die Verwaltungsbehörde oder das Gericht dem Betroffenen/Beschuldigten für die Dauer von mehreren Monaten verbieten kann im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen.

Sofern im Einzelfall keine Beschränkung auf bestimmte Kraftfahrzeugarten erfolgt, gelten solche Fahrverbote für alle Kraftfahrzeuge. Kraftfahrzeuge sind nach der StVO Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.

Da der Mensch keine Maschine ist (Achtung Ohrwurm), sind Fahrräder keine Kraftfahrzeuge. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Jan Ullrich scheidet aus (Analogieverbot).

Im Gegensatz zur Fahrerlaubnisbehörde können also weder die Bußgeldstelle noch das Gericht Fahrverbote für sonstige Fahrzeuge, die nicht Kraftfahrzeuge sind, verhängen. Für Fahrräder gilt das Fahrverbot nach § 44 StGB oder § 25 StVG daher nicht.

Für alle anderen vorgenannten Fahrzeuge gilt das unbeschränkte Fahrverbot, also auch für E-Scooter, Pedelecs, etc..

Daraus folgt:  Wer während der Dauer eines gerichtliche oder bußgeldbehördlichen Fahrverbots E-Scooter, Pedelec, Mofa oder ein anderes Kraftfahrzeug führt, macht sich nach § 21 Abs. 1 StVG in der Alternative „Fahren während eines Fahrverbots“ strafbar.

Neuer THC-Grenzwert: AG Landstuhl stellt Verfahren ein

Im Nachgang zu meinem Beitrag zur Entscheidung des OLG Oldenburg vom 16.9.2024 habe ich heute die erste Einstellungsmitteilung in einem meiner eigenen Fälle erhalten.

3,5 ng/ml THC gilt auch für Altfälle (OLG Oldenburg)

Der Mandant hatte sich im März 2024 gemeldet. Sein THC-Wert lag zwischen 1,0 ng/ml und 3,5 ng/ml. Im April kam der Bußgeldbescheid über 500,00 Euro und einen Monat Fahrverbot.

Meinen Antrag auf Einstellung und hilfsweise Aussetzung des Verfahrens wegen der anstehenden Gesetzesänderung hat die Zentrale Bußgeldstelle RLP abgelehnt und das Verfahren ans Amtsgericht Landstuhl abgegeben.

Den Einspruch habe ich nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung gegenüber dem Amtsgericht mit Schriftsatz vom 26.8.2024 ergänzend begründet wie folgt:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

am 22.8.2024 ist das Gesetz zur Änderung des StVG in Kraft getreten. Nach § 24 a Abs. 1 a StVG wurde der Grenzwert, was absehbar war, auf 3,5 ng/ml THC festgelegt. Unter Bezugnahme auf meine Einspruchsbegründung beantrage ich hiermit noch einmal die Einstellung des Verfahrens.

Da das Gesetz zwischenzeitlich in Kraft getreten ist, muss hier § 4 III OWiG gelten.

„Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.“

Mit Entscheidung ist der Zeitpunkt der Ahndung und somit die letzte Entscheidung gemeint (Göhler § 4 Rn9). Kann eine Handlung nach späterem Recht nicht geahndet werden, so ist dieses eindeutig das mildeste (Göhler § 4 Rn5). Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung wird daher das neue Recht anzuwenden sein.

Soweit ersichtlich hat der Gesetzgeber keine anderweitigen Überleitungsvorschriften beschlossen. Sollte ich hier einem Missverständnis unterliegen, bitte ich hiermit höflich um einen Hinweis vor Durchführung der Hauptverhandlung.“

Als Reaktion habe ich heute den nachfolgenden Einstellungsbeschluss erhalten:

Klicke, um auf AGLandstuhlEinstellungTHC.pdf zuzugreifen

Das AG Landstuhl wendet § 4 III OWiG direkt an. Das OLG Oldenburg analaog. Das Ergebnis ist das Gleiche. Es gilt das mildere Recht. Also gilt für Altfälle, die noch nicht endgültig entschieden sind, der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml THC.

Die Verfahrenskosten und die Rechtsanwaltskosten trägt die Landeskasse.

Spannend bleibt die Frage, ob und ggflls. wie die Fahrerlaubnisbehörde reagieren wird. Nach meiner Rechtsauffassung ist in diesem Fall – und in allen anderen Fällen mit einem Aktivwert von weniger als 3,5 ng/ml THC, in denen keine sonstige Problematik bekannt ist, keine fahrelaubnisrechtliche Maßnahme (z.B. MPU) zulässig.

Cannabis Legalisierung

3,5 ng/ml THC gilt auch für Altfälle (OLG Oldenburg)

Das OLG Oldenburg hat einen Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 24 a StVG freigesprochen. Hintergrund war, dass der Betroffene vom Amtsgericht Papenburg zu einer Geldbuße von 1.000 € und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt worden war. Er hatte ein Fahrzeug mit einem THC-Wert von 1,3 ng/ml THC im Blut geführt und damit nach der alten Rechtslage gegen § 24 a StVG verstoßen. Nach dem Urteil wurde der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml THC ins Gesetz aufgenommen. Das OLG Oldenburg führt aus:

„Zwar war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Papenburg noch davon auszugehen, dass der Betroffene mit einem THC-Wert von 1,3 ng/ml im Blut gegen § 24a StVG verstoßen hat. Durch das am 22. August 2024 in Kraft getretene 6. Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, ist allerdings § 24a StVG durch die Einfügung von Absatz 1a) dahingehend geändert worden, dass der maßgebliche Wert nunmehr 3,5 ng/ml beträgt.

Zwar beruhte der bisherige analytische Grenzwert von 1,0 ng/ml nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, sondern war von der Rechtsprechung – entsprechend eines Beschlusses der „Grenzwertkommission“- als maßgeblich angesehen worden. Gleichwohl ist zumindest der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 3 OWiG heranzuziehen, wonach in dem Fall, in dem ein Gesetz, dass bei der Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, das mildeste Gesetz anzuwenden ist. Nachdem nunmehr der maßgebliche Wert in § 24a StVG über dem Wert liegt, den der Betroffene im Blut hatte, hätte er bei einer Tatbegehung nach Inkrafttreten des Gesetzes den Bußgeldtatbestand nicht verwirklicht.“

Mit anderen Worten: Es gilt nicht, wie von einigen Bußgeldstellen angenommen, die Gesetzeslage zum Tatzeitpunkt oder zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (sprich Erlass des Bußgeldbescheids). Vielmehr gilt bei nachträglichen Gesetzesänderungen das im Zeitpunkt der letzten Entscheidung mildere Gesetz.

Das Oberlandesgericht hat das Verfahren nicht eingestellt und auch nicht zurückverwiesen ans Amtsgericht, sondern den Betroffenen vom Tatvorwurf freigesprochen und sowohl die Verfahrenskosten als auch die Rechtsanwaltskosten der Landeskasse auferlegt.

Für alle Betroffene laufender Verfahren, die bei der Fahrt zwischen 1,0 ng/ml und 3,5 ng/ml THC im Blut hatten, gilt: Sie sollten sich verteidigen (lassen)!

Cannabis – Änderungen des Straßenverkehrsrechts

Der Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des  Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften hat den Bundestag passiert.

Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Es ist damit zu rechnen, dass es noch diesen Sommer verkündet werden und damit in Kraft treten wird.

Folgende Änderungen des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts in Bezug auf Cannabis werden im Wesentlichen kommen:

In § 24a StVG wird folgender Absatz eingeführt werden:

„(1a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat.“

Dieses dürfte die wichtigste Änderung sein. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, der Expertenkommission zu folgen und einen gesetzlichen Grenzwert für Cannabis einzuführen. Bislang war die Rechtsprechung von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml aktivem THC ausgegangen.

Was bedeutet der neue Grenzwert faktisch?

Bei dem alten, gesetzlich nicht geregelten Grenzwert von 1,0 ng/ml bestand die Gefahr, dass auch noch bis zu etwa zwei Tage nach dem Konsum eine Grenzwertüberschreitung möglich war. Der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml sollte etwa vier bis acht Stunden nach dem Konsum unterschritten werden. Hierbei ist zu beachten, dass der Abbau von Aktiv-THC sowohl vom Konsumverhalten als auch von der Person des Konsumenten abhängig ist. Eine exakte Berechnung, wann der Wert unterschritten ist und der oder die Betroffene wieder fahren darf, ist daher nach wie vor nicht möglich. Zumindest sollte aber im Regelfall einen Tag nach dem Konsum keine Ordnungswidrigkeit mehr vorliegen.

Weiter wird der Mischkonsum in einem neuen Abschnitt in Zukunft härter bestraft:

„(2a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine in Absatz 1a genannte Handlung begeht und

  1. ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt oder
  2. die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines alkoholischen Getränks steht.“

Wer also gleichzeitig „bekifft“ fährt und dabei Alkohol trinkt oder unter der Wirkung von Alkohol steht, muss mit einer höheren Geldbuße rechnen. Die Regelbuße für Ersttäter beläuft sich bei Mischkonsum auf 1.000,00 Euro und einen Monat Fahrverbot.

Für Fahranfänger gilt in Zukunft analog zur Regelung beim Alkohol, dass bei der Fahrt nicht konsumiert werden darf und nicht „unter der Wirkung von Cannabis“ gefahren werden darf.

Bereits beim Alkohol war es früher streitig, wann eine „Wirkung“ von Alkohol im Sinne des § 24 c StVG vorliegt. Es wurde oft von der Nullpromillegrenze für Fahranfänger gesprochen. Die überwiegende Rechtsprechung – und nun auch ausdrücklich der Gesetzgeber – gehen aber von 0,2 Promille aus. Wann aus Sicht des Gesetzgebers eine Wirkung von Cannabis eintritt bzw. noch vorhanden ist, ergibt sich ebenfalls aus der Gesetzesbegründung. Darin heißt es:

„Für Fahranfänger und Fahranfängerinnen bzw. junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres wird das bestehende Alkoholverbot in § 24c StVG um das Verbot von Cannabiskonsum ergänzt und hierfür der bisher von der Rechtsprechung festgelegte analytische Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum angesetzt.“

Für Fahranfänger gilt also der „alte“ Grenzwert von 1,0 ng/ml THC.

Schließlich ist nun eine Klarstellung des Gesetzgebers zum sog. verwaltungsrechtlichen Grenzwert erfolgt. Bislang waren Teile der Anwaltschaft davon ausgegangen, dass es für Fahrerlaubnisangelegenheiten bei einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC bleiben solle. Es müsse künftig zwischen dem ordnungswidrigkeitenrechtlichen Grenzwert von 3,5 ng/ml und dem verwaltungsrechtlichen Grenzwert von 1,0 ng/ml unterschieden werden. Hieße vereinfacht: Bußgeld ab 3,5 ng/ml THC, MPU aber schon ab 1,0 ng/ml THC.

Das hielt ich von Anfang an für unvereinbar mit der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und zudem für unlogisch. Es hätte bedeutet, dass ein Betroffener, der einen THC-Wert zwischen 1,0 ng/ml und 3,5 ng/ml hatte,  nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht ordnungswidrig gehandelt sondern rechtmäßig am Straßenverkehr teilgenommen hat, dennoch mit einer Fahrerlaubnismaßnahme der Fahrerlaubnisbehörde hätte rechnen müssen.

Mit einfachen Worten: Trotz ordnungsgemäßer Teilnahme am Straßenverkehr hätte eine MPU angeordnet werden können.

In der Gesetzesbegründung stellt der Gesetzgeber nun wörtlich klar:

„Mit dem Gesetz wird zudem die in Anlage 4 Nummer 9.2.1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) enthaltene Legaldefinition von Cannabismissbrauch an den gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum in § 24a Absatz 1a StVG angepasst. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt.

Aufgrund der Einheit der Rechtsordnung ist folglich auch im Rahmen der Anlage 4 Nummer 9.2.1 FeV in der Legaldefinition von Cannabismissbrauch darauf abzustellen, dass das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs nicht hinreichend sicher getrennt werden können.“

Das ist vor allem für aktuell laufende Verfahren und für Betroffene von Bedeutung, die wegen Cannabisverstoßes bereits eine Fahrerlaubnisentziehung hatten und nun die Fahrerlaubnis neu beantragen müssen. Lag der THC-Wert unter 3,5 ng/ml, dann darf – spätestens ab Inkrafttreten des Gesetzes –  keine MPU vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis mehr angeordnet werden. Das setzt natürlich voraus, dass keine sonstigen Anhaltspunkte für Cannabismissbrauch oder sonstige Eignungszweifel bestehen. Jeder Fall ist ein Einzelfall.

Schließlich bedeutet diese Klarstellung meines Erachtens auch das, was ich von Anfang an vermutet habe: „Missbrauch“ liegt schon bei der ersten Fahrt mit 3,5 ng/ml THC vor. Es bestehen beim Gelegenheitskonsumenten also grundsätzlich erst dann Eignungszweifel, wenn er mit 3,5 ng/ml THC oder mehr fährt, weshalb eine MPU dann nach wie vor gerechtfertigt ist.  Nach der Neuregelung der Fahrerlaubnisverordnung gilt das nur dann nicht, wenn der Betroffene ein geändertes, gefestigtes Konsumverhalten nachweist. Nach meinem Dafürhalten kann er das durch Abstinenznachweise tun.

Wichtiger Hinweis: Aufgrund zahlreicher Anfragen zu diesem Thema möchte ich hiermit darauf hinweisen, dass jeder Fall ein Einzelfall ist und es in jedem Fall erforderlich ist, den gesamten Sachverhalt zu kennen. Es ist daher nicht möglich und unseriös, ohne vollständige Sachverhaltskenntnis, insbesondere aber der relevanten Dokumente, einen verbindlichen anwaltlichen Rat  zu Ihrem konkreten Einzelfall zu erteilen. Wenn Sie ein einschlägiges Problem haben, melden Sie sich bei mir! Ich erteile gerne unverbindliche Informationen auf Basis Ihrer Sachverhaltsschilderung und kläre Sie darüber auf, ob eine Beauftragung Sinn macht oder nicht. Ich werde aber nicht kostenlos Ihre Dokumente (wie z.B. negative MPU-Gutachten)  lesen und Ihren Fall kostenlos bearbeiten. Senden Sie mir also bitte nicht unaufgefordert Dokumente zu! Vielen Dank im Voraus für Ihr Verständnis!

Cannabisfahrt: Keine MPU mehr nach erstem Verstoß? Zu den Auswirkungen der Legalisierung!

Cannabis: Keine MPU mehr bei einmaligem Verstoß?

Podcastfolge für Lesefaule unter:

# 29 – Cannabislegalisierung und Fahrerlaubnis

Die Cannabislegalisierung hat im Wesentlichen zu Änderungen in zwei Regelungskomplexen betreffend Führerscheinsachen geführt.

Punkt 1: Die Anhebung des Grenzwertes.

Hierbei geht es darum, ab welchem THC-Wert (Aktiv-Wert) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt. Bislang geht die Rechtsprechung von 1 ng/ml THC aus. Der Wert soll nun (endlich) auf vermutlich 3,5 ng/ml angehoben werden. Da das (noch) nicht passiert ist, werde ich mich mit diesem Thema in diesem Beitrag nicht weiter beschäftigen. Es folgt ein gesonderter Beitrag, falls und sobald das Gesetz in Kraft getreten sein wird.

Wichtig für Betroffene laufender Verfahren ist, dass die jeweiligen Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren in Fällen, in denen 1,0 ng/ml überschritten, aber 3,5 ng/ml nicht erreicht sind, „am Laufen gehalten“ wird. Sind solche Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren rechtskräftig, folgt in der Regel ein Eignungsverfahren vor der Fahrerlaubnisbehörde. Auch in diesem werden die neuen Grenzwerte maßgeblich sein (müssen). Das heißt, dass nach meiner Rechtsauffassung, auch wenn ein Fahren mit bis zu 3,5 ng/ml vorlag, daraus überhaupt keine fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen (z.B. MPU) folgen dürfen.

Punkt 2: Fahrerlaubnisrecht: Änderung der Rechtslage beim ersten Verstoß

In die Fahrerlaubnisverordnung wurde § 13 a FEV eingefügt. Zusätzlich wurde die Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung unter Ziffer 9 (Cannabis) geändert.

Es ist zunächst klarzustellen, dass von der Änderung praktisch nur Gelegenheitskonsumenten profitieren. Steht regelmäßiger Konsum oder Cannabisabhängigkeit fest, was letztlich häufig vom Abbauwert (Carbonsäurewert) abhängig sein wird, dann ergeben sich keine Änderungen zur alten Rechtslage. Die Fahrerlaubnis ist dann zu entziehen.

Bei wiederholten Verstößen, also schon beim zweiten Verstoß, wird nach wie vor eine MPU angeordnet werden.

Für Gelegenheitskonsumenten bei einem einmaligen Verstoß im Straßenverkehr gilt nunmehr Folgendes:

Bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom April 2019 (https://rechtsanwalt-weiser.de/?s=Bverwg+cannabis) wurde die Fahrerlaubnis bereits beim ersten Verstoß im Straßenverkehr entzogen. Seit der Entscheidung aus 2019 behielten Betroffene zunächst ihre Fahrerlaubnis, mussten aber ein MPU-Gutachten vorlegen zum Nachweis, dass sie zwischen Konsum und Fahren trennen können.

Das hat sich nun zu Gunsten der Betroffenen durch Einfügung der vorgenannten Regelungen geändert.

Zusammengefasst muss ein Gelegenheitskonsument beim ersten Verstoß nur dann eine MPU machen,

wenn Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen,

die Fahrerlaubnis wegen einer Missbrauchsthematik entzogen war oder

sonst zu klären ist, ob Cannabismissbrauch oder -abhängigkeit nicht mehr besteht.

Hauptanwendungsfall in der Praxis ist die Fallkonstellation „Annahme von Cannabismissbrauch“. Fraglich ist nämlich, wann ein solcher Missbrauch vorliegt und welche Folgen sich daraus ergeben.

Hier kursieren aktuell erhebliche Missverständnisse in Foren und Internetbeiträgen. Teilweise wird angenommen, der Begriff „Missbrauch“ bedeute, dass regelmäßiger Konsum oder eine Abhängigkeit bestünde. Das ist nicht der Fall. Für einen Missbrauch reicht es, wie beim Alkohol aus, dass der Gelegenheitskonsument einmalig  unter Überschreitung des Grenzwertes fährt. Das ergibt sich wörtlich aus Ziffer 9 der Anlage 4  zur FEV:

„Missbrauch
(Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum können nicht hinreichend sicher getrennt werden.)“

Der Annahme, dass ein Missbrauch vorliegt, ist also ab dem ersten Verstoß gegeben. Mithin ist die Anordnung einer MPU weiterhin grundsätzlich gerechtfertigt.

Die teilweise vertretene Ansicht, bei Gelegenheitskonsum reiche es für die Anordnung von Führerscheinmaßnahmen nicht mehr aus, dass der Betroffene ein einziges Mal am Steuer erwischt wird, ist falsch. Die eigentliche Änderung ergibt sich aus der Anlage 4 Ziffer 9 zur Fahrerlaubnisverordnung.

Darin ist nämlich neuerdings auch geregelt, dass auch bei Missbrauch eine „Wiedereignung“ eintritt, „ … wenn die Änderung des Cannabiskonsumverhaltens gefestigt ist“.

Fraglich ist, wann das der Fall ist und wie der oder die Betroffene das nachweisen kann. Die Antwort ist meines Erachtens in erster Linie, wie beim Alkohol: Durch ein längerfristiges Abstinenznachweisprogramm. Dem oder der Betroffenen ist daher zu raten, was eigentlich schon immer anzuraten war, nämlich zeitnah nach dem Verstoß mit einem Abstinenznachweisprogramm einer anerkannten Stelle zu beginnen. Es verhält sich übrigens so, dass auch vor der Gesetzesänderung in Fällen, in denen im Zeitpunkt des Tätigwerdens der Fahrerlaubnisbehörde ein monatelanger Nachweis der Abstinenz geführt werden konnte, oft eine MPU vermieden werden konnte. Bis die Fahrerlaubnisbehörden sich nach einem Drogenverstoß einschalten, gehen in der Regel Monate ins Land, die nicht ungenutzt bleiben dürfen.

Wer weiter konsumieren möchte, muss nach meiner Einschätzung geeignete verkehrspsychologische Nachweise bringen, dass er zukünftig wieder sicher zwischen Konsum und Fahren trennen kann.  Welche Nachweise hier anerkannt werden, ist fraglich. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass ein Attest vom Hausarzt ausreicht.

BGH: Promillegrenze für E-Scooter bleibt offen

Der BGH hat durch Beschluss vom 13.4.2023 – 4 StR 439/22 – entschieden, dass für E-Scooter, die nicht unter die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung fallen, der Grenzwert zur absoluten Fahruntauglichkeit bei 1,1 Promille liegt.

Hintergrund der Entscheidung war, dass der Angeklagte mit einem E-Scooter gefahren war, der eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte. Elektrokleinstfahrzeuge sind aber nur solche, die eine Maximalgeschwindigkeit von bis 20 km/h erreichen.

Die Frage, ob die 1,1 Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit auch für E-Scooter gilt, auf die die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung anwendbar ist (max. Höchstgeschwindigkeit 20 km/h), hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offengelassen.

Die Tendenz in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und Landgerichte ist dagegen eindeutig: Alle mir bekannten obergerichtlichen Entscheidungen stellen auf die 1,1 Promillegrenze ab.

Rechtsfolge ist daher weiterhin, dass der Führerschein ab 1,1 Promille regelmäßig schon vor Ort von der Polizei beschlagnahmt bzw. sichergestellt wird und eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verhängung einer entsprechenden Sperrfrist im Raum steht.

Es lohnt sich aktuell eine Einzelfallbetrachtung zur Widerlegung der Regelvermutung, dass der oder die Betroffene ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Je nach Fall kann eine Fahrerlaubnisentziehung auch über 1,1 Promille noch abgewendet werden.

Ab 1,6 Promille ist übrigens die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zwingend vorgesehen. Das gilt für alle Fahrzeuge, auch Fahrräder. Nähert sich der/die Betroffene der 1,6 Promillegrenze an, kann eine MPU angeordnet werden, wenn Anhaltspunkte für Alkoholmissbrauch bestehen.

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MPU immer häufiger unter 1,6 Promille

Man hat inzwischen, vermutlich aufgrund der  Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.3.2021 –  3 C 3/20, welche die bisherige Rechtsprechung eigentlich nur wiederholt hat, den Eindruck, dass die Fahrerlaubnisbehörden ab 1,1 Promille zunehmend medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU) anordnen.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Deutsches Autorecht (DAR 2023, 286-287) ist ein beispielhaftes Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth VG vom 13. September 2022 – B 1 K 22.30 – veröffentlicht, anhand dessen ich kurz die Problematik darstellen möchte. Ich möchte anhand dieses Falles noch einmal darauf hinweisen, von welcher Bedeutung Einlassungen und Verhaltensweisen des Beschuldigten im Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt für ein späteres Fahrerlaubnisverfahren sind.

Gegenstand der Entscheidung ist eine Klage auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangenem strafrichterlichem Entzug. Der Kläger klagte auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gegen die zuständige Fahrerlaubnisbehörde. Diese hatte eine medizinisch-psychologische Untersuchung vor Erteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Der Kläger hielt die Anordnung für rechtswidrig. Das VG Bayreuth gab der Fahrerlaubnisbehörde Recht und wies die Klage ab.

Die Anordnung war in diesem Fall auf  § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e) der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) gestützt. Danach muss die Behörde eine MPU anordnen, wenn „sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht.“

Zum Sachverhalt:

Beim Kläger wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle eine Blutalkoholkonzentration von 1,12 ‰ festgestellt. Ein Fahrfehler im Sinne einer verkehrsbezogenen Ausfallerscheinung wurde nicht festgestellt.

Im Rahmen der Blutentnahme werden ein polizeilicher Bericht (sog. Torkelbogen) und ein ärztlicher Bericht zum Zustand des Beschuldigten gefertigt, anlässlich dessen verschiedene Tests durchgeführt werden. Der ärztliche Untersuchungsbericht enthielt im Falle des Klägers folgende Feststellungen:

„Gang (geradeaus) sicher, Drehnystagmus feinschlägig, Finger-Finger-Prüfung, Finger-Nasen-Prüfung sicher, Sprache deutlich, Pupillen unauffällig, Pupillenlichtreaktion prompt, Bewusstsein klar, Denkablauf geordnet, Verhalten beherrscht, Stimmung gereizt, äußerlicher Anschein des Einflusses von Alkohol leicht bemerkbar.“

Zum Trinkverhalten gab der Kläger an, vor Fahrtantritt zwei Biere getrunken, sich aber für fahrtauglich gehalten zu haben. Er habe unvorhergesehen wegen einer Streitigkeit den ehemaligen Freund seiner Tochter und seine Tochter nach Hause fahren müssen. Die hohe BAK könne er sich nicht erklären.

Das VG Bayreuth führt in Anlehnung an die Entscheidung des BVerwG aus:

„Unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV liegen dann Zusatztatsachen vor, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 ‰ oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Denn dies deutet auf eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung hin und begründet eine damit einhergehende erhöhte Wiederholungsgefahr für einen Verstoß gegen das Trennungsgebot und damit Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn. …

Der vom Kläger eingeräumte Alkoholkonsum steht dabei in Widerspruch zu der bei ihm gemessenen Blutalkoholkonzentration. Der Wert von 1,12 ‰ zwei Stunden nach dem eingeräumten letzten Konsum lässt sich mit zwei Bier unter Berücksichtigung des Körpergewichts des Klägers von nur 62 kg nicht erklären. …

Die vom Kläger geschilderten Umstände der Alkoholfahrt, nämlich dass er unvorhergesehen und auch um einen Disput mit seiner Ehefrau zu beenden, den ehemaligen Freund seiner Tochter nach Hause habe fahren wollen, entlastet ihn nicht. Zwar ist die Schilderung durchaus glaubwürdig, dennoch hat sich der Kläger dazu entschieden, in erheblich alkoholisiertem Zustand am Straßenverkehr teilzunehmen, noch dazu mit seiner Tochter und deren ehemaligem Freund im Fahrzeug.

Wenn der Kl. vorträgt, er könne sich die bei ihm gemessene BAK nicht erklären, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Insbesondere ist nicht von Amts wegen nach anderen möglichen Ursachen für den gemessenen Wert zu suchen, wie z. B. eine – vom Klagebevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angedeutete – mögliche von der Norm abweichende gesundheitliche Disposition des Kl., ohne dass konkrete Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Auch spricht die Schilderung des Kl., er habe sich durch den vorhergegangenen Alkoholkonsum nicht beeinträchtigt gefühlt, eher für die Feststellungen des Arztes, wonach keine Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Dem Kl. hätte es offen gestanden, im strafrechtlichen Verfahren dergleichen vorzubringen. Außerdem bedürfte es hierzu grundlegender substantiierter Darlegungen.“

(VG Bayreuth, Urteil vom 13. September 2022 – B 1 K 22.30 –, Rn. 29, juris)

Entscheidende Zusatztatsache, die für den Verdacht auf Alkoholmissbrauch ausreichte, war sicherlich die Tatsache, dass der Kläger bei der ärztlichen Untersuchung einen nahezu nüchternen Eindruck hinterließ.

Aber auch alle weiteren Angaben, die gemacht bzw. nicht gemacht wurden, hat das Verwaltungsgericht gewertet, in diesem Fall zu Lasten des Klägers verwertet.

Der Fall ist geradezu typisch. Es ist üblich und menschlich verständlich, dass das Trinkverhalten von Beschuldigten im Rahmen der Verkehrskontrolle  bzw. auf der Polizeiwache heruntergespielt wird. Auch höre ich oft von meinen Mandanten, sie hätten ja „alle Tests bestanden“, womit dann die Tests im Rahmen des Torkelbogens gemeint sind.

Sie müssen an solchen Tests nicht mitwirken und sollten das auch nicht tun. Machen Sie als Beschuldigte/r im Rahmen der polizeilichen Kontrolle und Vernehmung keine Angaben zur Sache und zwar weder zum Trink- noch zum Fahrverhalten, zum Anlass der Fahrt oder sonstigen Umständen! Sie haben das Recht zu Schweigen. Auch wenn im nachfolgenden Fahrerlaubnisverfahren nachteilige Schlüsse aus Ihrem Schweigen gezogen werden können, sollten Sie von diesem Recht Gebrauch machen und umgehend einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufsuchen!

Cannabis am Steuer – Was kommt auf Sie zu?

Sie wurden unter Cannabiseinfluss am Steuer erwischt und fragen sich, was nun auf Sie zukommt?

Mit diesem Beitrag gebe ich Ihnen einen groben Überblick. Ausführlichere Erläuterungen können Sie sich in meiner nachfolgend verlinkten Podcastfolge anhören:

Zum Verkehrsrecht-Podcast: # 26 Cannabisfahrt – Was tun?

Zunächst ist es für Betroffene wichtig, zwischen verschiedenen rechtlichen Problemkreisen zu unterscheiden. Diese stehen zwar in engem rechtlichen, nicht aber zwingend im engen zeitlichen Zusammenhang, z.B. tauchen fahrerlaubnisrechtliche Fragestellungen oft erst lange nach Abschluss des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens auf.

Kommt es zu einem Unfall, stehen auch versicherungsrechtliche Probleme an. Denn betreffend die Kfz-Haftpflichtversicherung kommt ein betragsmäßig begrenzter Regress in Betracht. Die Vollkaskoleistung können Sie sogar vollständig verlieren. Das soll aber nicht Gegenstand dieses Beitrages sein. Wir gehen im Folgenden von einer Cannabisfahrt OHNE Unfall aus.

Bei Cannabis sind mehrere Werte zu unterscheiden. Hauptsächlich kommt es auf den THC-Wert (aktiver Wert) und den THC-COOH-Wert (THC-Carbonsäurewert, Abbauwert oder Langzeitwert) an. Daneben wird in manchen Fällen auch der THC-OH-Wert ermittelt. Dieser gibt Anhaltspunkte für einen zeitnahen Konsum, da er innerhalb weniger Stunden auf Null zurückgeht.

Der „Grenzwert“ bei Cannabis liegt nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung (Ausnahme Bayern) bei einem THC-Gehalt von 1,0 ng/ml. Liegt der Wert darunter, sind Sie nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht unter der Wirkung von Cannabis gefahren. Eine Strafbarkeit kommt dann nicht in Betracht, ebenso wenig eine Ordnungswidrigkeit.

Liegt der THC-Wert bei 1,0 ng/ml oder darüber, so wird zunächst ein Strafverfahren gegen den oder die Beschuldigte(n) eingeleitet. Eine Bestrafung wegen Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB kommt aber nur in Betracht, wenn – unabhängig von der tatsächlichen Höhe des THC-Wertes – verkehrsbezogene Ausfallerscheinungen nachweisbar sind. Typische Ausfallerscheinungen sind beispielsweise Schlangenlinien, das Überfahren von Bordsteinen, etc..

Sind solche Ausfallerscheinungen feststellbar, folgt eine Bestrafung – bei erwachsenen Beschuldigten häufig durch Strafbefehl – und eine Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht. Der Beschuldigte muss dann bei der Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragen.

Sind solche Ausfallerscheinungen nicht feststellbar, so liegt, auch bei sehr hohen THC-Werten, keine Strafbarkeit nach § 316 StGB vor. Die Staatsanwaltschaft stellt dann das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein und gibt die Akte an die Bußgeldstelle ab. Dem Betroffenen wird sodann „nur noch“ eine Ordnungswidrigkeit, konkret ein Verstoß gegen § 24 a Absatz 2 StVG, vorgeworfen. Satz 1 dieser Vorschrift lautet:

„Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. …“

Rechtsfolge ist ein Bußgeldbescheid über 500,00 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat. Wird dem Betroffenen Vorsatz vorgeworfen, verdoppelt sich die Geldbuße.

Mit der Rechtskraft des Bußgeldbescheides sind Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren abgeschlossen.

Bei einem solchen Ablauf – also einer Entscheidung im Bußgeldverfahren – tritt der Betroffene das Fahrverbot an und erhält dann seinen Führerschein zurück. Betroffene gehen dann häufig davon aus, dass „nichts mehr kommt“. Denn Ihnen wurde die Fahrerlaubnis nicht vom Gericht entzogen.

Tatsächlich aber erhält die Fahrerlaubnisbehörde spätestens nach Abschluss des Bußgeld- oder Strafverfahrens eine Information über die Cannabisfahrt, häufig auch schon früher. Daraufhin wird ein fahrerlaubnisrechtliches Verfahren zur Klärung der Frage eingeleitet, ob der Betroffene geeignet ist, Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Für die Frage der Eignung bzw. die Frage, welche Maßnahme die Behörde ergreift, ist entscheidend, ob ein einmaliger, ein gelegentlicher oder ein regelmäßiger Konsum von Cannabis vorliegt.

Die Behörde prüft in diesem Zusammenhang unter anderem vorab, wie hoch der THC-COOH Wert (Langzeitwert) ist. Aber auch Einlassungen des Betroffenen und sonstige Tatsachen aus der Bußgeld- bzw. Strafakte werden von der Behörde geprüft. Die Fahrerlaubnisbehörde erhält hierfür nicht nur Einsicht in die Bußgeldakte sondern holt auch weitere Auskünfte ein (Fahrerlaubnisregisterauszug, polizeiliche Auskünfte, BZR-Auszug, …). In diesem Zusammenhang kann es auch passieren, dass andere, allgemeine Strafsachen, die ebenfalls Eignungszweifel wecken, auf den Tisch kommen. Damit wollen wir uns in diesem Beitrag aber nicht beschäftigen.

Zu beachten ist im Fahrerlaubnisverfahren, dass es sich, auch wenn es Betroffene häufig anders empfinden, bei Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde nicht um Strafmaßnahmen sondern letztlich um verwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Sicherung des Straßenverkehrs handelt. Dass es sich nicht um Strafverfahren handelt, bedeutet auch, dass die strafrechtlichen Grundsätze, wie etwa, dass Schweigen nicht zum Nachteil des Betroffenen gewertet werden darf oder im Zweifel zu Gunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, keine Geltung beanspruchen.

Der Betroffene ist hier in der „Bringschuld“. Er muss daran mitwirken, dass seine Eignung festgestellt wird. Nimmt er an rechtmäßig angeordneten Maßnahmen nicht teil, wird ihm die Fahrerlaubnis entzogen.

Liegt einmaliger Konsum vor, was so gut wie nie vorkommt und bereits anhand des Langzeitwertes widerlegbar ist, ist keine weitere Maßnahme veranlasst.

Meistens liegt gelegentlicher Konsum vor. Dieser wird bereits bei eingeräumtem zweimaligen Konsum angenommen und steht bei einem THC-COOH-Wert von mehr als 5 ng/ml praktisch fest.

Bei gelegentlichem Konsum wird die Behörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) anordnen, um die Frage zu klären, ob der Betroffene zukünftig zwischen dem Konsum und dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr trennen können wird.

Bei regelmäßigem Konsum, welcher ab 75 ng/ml THC-COOH-Wert anzunehmen ist, wird die Fahrerlaubnis entzogen.

Wie bereits erwähnt, sind für das Konsumverhalten nicht nur die Blutwerte maßgeblich, sondern auch die Erkenntnisse aus dem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Wer im Strafverfahren von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch macht, wird in dem oft Monate später angestoßenen Fahrerlaubnisverfahren mit entlastenden Angaben (z.B. versehentliche Einnahme oder einmaliger Konsum) in der Regel nicht mehr gehört.

Wer mit Cannabis am Steuer erwischt wurde, sollte sich also nicht nur fragen, ob und wie er sich äußert, sondern vor allem auch wann. Letztlich kann wegen der Komplexität dieser Verfahren und den erheblichen Rechtsfolgen für Betroffene, nur angeraten werden, sich sofort nach dem Verstoß an einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu wenden.

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BayObLG zu den Promillegrenzen für E-Scooter

Das bayerische Oberlandesgericht hat bestätigt, dass die für Autofahrer geltende Grenze von 1,1 Promille zur absoluten Fahruntauglichkeit auch für E-Scooter gilt. Es hat die Fahrerlaubnisentziehung eines Scooterfahrers, der auf dem Münchener Oktoberfest mit 1,35 Promille angehalten worden war, bestätigt. Er hatte eine Strecke von 300 m auf einem Bürgersteig zurückgelegt.

Der Angeklagte hatte einwendet, bei einem E-Scooter handele es sich nicht um Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB. Ferner seien die Promillegrenzen nicht auf den EScooter übertragbar, allenfalls sei eine Vergleichbarkeit mit einem Fahrrad gegeben. Bei einem solchen tritt absolute Fahruntauglichkeit erst ab 1,6 Promille ein.  Zudem liege bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad kein Regelfall für eine Fahrerlaubnisentziehung vor. Das AG München hat sämtliche Einwendungen des Angeklagten verworfen.  

Die Entscheidung des BayObLG ist wenig überraschend, denn sie orientiert sich an der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das BayObLG führt aus:

„Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 28. Juni 1990 den Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers unter Berücksichtigung medizinischnaturwissenschaftlicher Erfahrungswerte mit 1,1 Promille festgelegt und dabei zugleich ausdrücklich ausgesprochen, dass dieser Wert für alle Führer von Kraftfahrzeugen gilt (BGH NJW 1990, 2393, 2395).

Auch wenn der Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Trunkenheitsfahrt eines Autofahrers zugrunde lag, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass dieser Grenzwert generell für (alle) Führer von Kraftfahrzeugen gilt, und dies zusätzlich durch Bezugnahme auf vorausgegangene Entscheidungen zu Kraftradfahrern (BGHSt 22, 352) sowie Fahrrädern mit Hilfsmotor, sog. Mofa 25 (BGHSt 30, 251) und auch Führen eines abgeschleppten betriebsunfähigen PKW (BGHR StGB § 316 Fahruntüchtigkeit alkoholbedingte 2, = BGHSt 36, 341) zum Ausdruck gebracht.

Von dem Grundsatz, dass die Promillegrenze von 1, 1 Promille für alle Kraftfahrzeugarten gilt, im Falle der E-Scooter abzuweichen, besteht kein Anlass.“ (BayObLG, Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20)

In einer sehr ausführlichen Begründung bestätigt das BayObLG sodann die Wertung des Amtsgerichts München, wonach auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter ein Regelfall für eine Fahrerlaubnisentziehung vorliegt.

Zu der Einwendung der kurzen Fahrtstrecke führt es aus:

„Das Amtsgericht hat an tatbezogenen Umständen über den Aspekt hinaus, dass die Fahrt mit einem im Vergleich zu einem Personenkraftwagen leichteren E-Scooter stattfand, berücksichtigt, dass die vom Angeklagten bis zu seiner polizeilichen Kontrolle gefahrene Strecke von ca. 300 m nicht allzu lang war. Wenn das Amtsgericht darin keinen Fall einer Bagatellfahrt mehr gesehen hat, so liegt dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums.“ (BayObLG a. a. O.)

Meine Meinung: Daran, dass die Promillegrenzen für Autofahrer auch für E-Scooterfahrer gelten, hatte ich auch vor dieser Entscheidung wenig Zweifel. Eine Fahrerlaubnisentziehung bei einer Fahrtstrecke von 300 m auf dem Gehweg auszusprechen, mag im Beurteilungsspielraum des entscheidenden Gerichts liegen. Vielleicht hat es hier aber in erster Instanz auch an entsprechendem Vortrag  zu den Tatumständen und dem Nachtatverhalten des Angeklagten gefehlt, die eine anderweitige Bewertung erlaubt hätten.

Das Urteil finden Sie im Volltext hier: BayObLG, Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20

Fahrrad/Pedelec/E-Scooter/Segway – Alkohol erlaubt?

Auch an Fasching gelten bekanntermaßen die Alkoholgrenzen. Ich erinnere daher heute aus Anlass des Rosenmontags, der auch im schönsten  Bundesland der Welt, also im Saarland, gebührend gefeiert wird, an die geltenden Alkoholgrenzen. Unten stehend finden Sie mein Video, in dem die Alkoholgrenzen übersichtlich erklärt werden. Außerdem habe ich einige Links zum Thema rausgesucht.

Die meisten, wenn auch leider nicht alle, Jecken sind schlau und verantwortungsvoll genug, die Umzüge zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu besuchen, wenn sie denn Alkohol trinken möchten.

Da einige sicher auch zu nicht motorisierten Fahrzeugen greifen werden, gegebenenfalls auch in der irrigen Annahme, das sei erlaubt, folgende Kurzinformation zum Thema Alkohol auf dem Fahrrad (E-Scooter, Segway, Pedelec etc.):

Hier noch einige ausgesuchte Links zu diesem Thema:

 

Verkehrsgerichtstag 2020 – Die Empfehlungen

Vom 29. bis 31. Januar fand der jährliche Verkehrsgerichtstag – eine Zusammenkunft von Verkehrsexperten – in Goslar statt. Er endet mit den Empfehlungen der Arbeitskreise.

Wer sich die Empfehlungen im Volltext durchlesen will, findet diese hier:

Meine Zusammenfassung:

Arbeitskreis I –  Grenzüberschreitende Unfallregulierung in der EU

Das materielle Schadensersatzrecht der verschiedenen EU-Länder muss für den (ausländischen) Anwalt einfacher zu verstehen sein. Die EU-Kommission soll entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung stellen.

Des Weiteren soll für grenzüberschreitende Gerichtsprozesse ein System geschaffen werden, wie es bereits für Zivil- und Handelssachen besteht.

Einführung von Videokonferenzen für Vernehmungen im Ausland.

Kurze Verjährungsfristen in anderen EU-Staaten sollen auf mindestens drei oder vier Jahre verlängert werden.

Arbeitskreis II – Abschied vom fiktiven Schadensersatz

Empfehlung: Kein Abschied vom fiktiven Schadensersatz. Außerdem: Werkstattverweis bei fiktiver Abrechnung ist für alle Beteiligten an der Unfallregulierung nervig und zeitaufwendig. Der BGH wird gebeten, sich etwas einfallen zu lassen.

Arbeitskreis III – Aggressivität im Straßenverkehr

Schulungen und Anti-Aggressions-Maßnahmen sollen gefördert werden.

Die gesetzlichen Möglichkeiten, auf aggressives Verhalten zu reagieren, müssen konsequent ausgeschöpft werden.

Es sollte ein Bußgeld für „aggressives Posen im Straßenverkehr“ geben.

Fahrerlaubnisbehörden sollen Einsicht in das Bundeszentral- und Erziehungsregister erhalten.

Sofern sich bei einer Straftat, die im Zusammenhang mit der Kraftfahrteignung steht, Anhaltspunkte für hohes Aggressionspotential ergeben, soll die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU anordnen.

Der „Alleinrasertatbestand“ (§ 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB)  sollte im Wortlaut nachgebessert werden.

Arbeitskreis IV – Praxistauglichkeit des Bußgeldverfahrens

Der Gesetzgeber soll per Gesetz regeln, unter welchen Voraussetzungen ein standardisiertes Messverfahren vorliegt. Außerdem soll er per Gesetz ein umfassendes Einsichtsrecht in die Messdateien vorschreiben.

Bußgeldverfahren sollen gegen Auflagen eingestellt werden können.

Nach einer verkehrstherapeutischen Schulung soll vom Fahrverbot abgesehen werden können.

Arbeitskreis V – Elektrokleinstfahrzeuge

Aktuell herrscht in der Bevölkerung weitgehende Unkenntnis, was man mit E-Scootern überhaupt darf und was nicht. Das erfordert mehr Öffentlichkeitsarbeit, vor allem durch die Verleihfirmen.

Öffentlichkeitsarbeit habe ich selbst ja bereits geleistet:

10 Fragen und Antworten zum E-Scooter

Außerdem:

– Mehr Infrastruktur für E-Scooter und Fahrräder

– Blinkerpflicht für E-Scooter

– Keine Zulassung von Fahrzeugen ohne Lenkstange

– Erfassung und Herausgabe der Nutzerdaten durch Verleihfirmen zum Zweck der Verfolgung von Straftaten und Orddnungswidrigkeiten

– verbindliche Astellplätze für Verleihscooter

– Prüfbescheinigungspflicht für E-Scooter

Arbeitskreis VI  – Fahranfänger – neue Wege zur Fahrkompetenz

Der Arbeitskreis begrüßt das Optionsmodell, das Folgendes vorsieht:

Drei statt zwei Jahre Probezeit, aber verkürzbar auf bis zu zwei Jahre durch Teilnahme an Schulungsmaßnahmen oder begleitetes Fahren.

Auswetung örtlicher Unfalldaten von Fahranfängern und darauf gestützte regionalisierte Fahranfängervorbereitung.

Arbeitskreis VII – Entschädigung von Opfern nach terroristischen Anschlägen

Neben Harmonisierungen der Opferentschädigung und Zentralisierungen von Strukturen, insbesondere Opferbeauftragte, empfiehlt der Arbeitskreis die Schaffung eines Fachanwaltes für Personenschadensrecht.

 

Ein Mal bekifft gefahren? Reicht nicht für Fahrerlaubnisentzug! BVerwG ändert seine Rechtsprechung

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 11.4.2019 seine lang erwartete Entscheidung zum Thema Fahrerlaubnisentzug  und Cannabiskonsum gefällt. Es hat sich überraschender Weise für die Mindermeinung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und damit gegen die überwiegende Meinung – hier vertreten durch das des OVG Nordrhein-Westfalen – und seine eigene bisherige Rechtsprechung entschieden.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts titelt:

Erstmaliger Verstoß eines gelegentlichen
Cannabiskonsumenten gegen das Gebot des Trennens von Konsum und Fahren führt
regelmäßig nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis

Über das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes hatte ich hier berichtet:

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/cannabis-am-steuer-mpu-statt-sofortiger-entzug-der-fahrerlaubnis/
Stellvertretend für die bis dato geltende herrschende Meinung:
https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/ovg-schleswig-holstein-es-bleibt-dabei-ein-mal-cannabis-am-steuer-fuehrerschein-weg/

Aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:

An seiner gegenteiligen Annahme im
Urteil vom 23. Oktober 2014 hält das Bundesverwaltungsgericht nicht
fest. Auch ein einmaliger Verstoß begründet aber Bedenken gegen die
Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen muss. Erforderlich ist
eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem
möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem
Fahren trennen wird. Um hierfür eine ausreichend abgesicherte
Beurteilungsgrundlage zu haben, bedarf es in der Regel der Einholung eines
medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde hat gemäß
§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3
FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines
solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden.

Die Pressemitteilung ist hier veröffentlicht:

https://www.bverwg.de/pm/2019/29

Damit ist der ständigen Praxis fast aller Bundesländer, bei einer erstmaligen Cannabisfahrt ohne weitere Prüfung die Fahrerlaubnis zu entziehen, ein Riegel vorgeschoben worden. In Zukunft müssen die Fahrerlaubnisbehörden dazu übergehen, zu prüfen, ob eine medizinisch-psychologische Begutachtung der Fahreignung angezeigt ist. Dies wiederum wird auch beim erstmaligen Fahren unter Cannabiseinfluss der Regelfall sein. Es heißt nun also doch: MPU statt Sofortentzug der Fahrerlaubnis.

Für den Betroffenen bringt das den ganz entscheidenden Vorteil mit sich, dass er zukünftig bis zur MPU seinen Führerschein behalten werden darf. Bislang wurde die Fahrerlaubnis nach der Praxis fast aller Bundesländer sofort entzogen. Sodann musste der Betroffene entweder im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom Verwaltungsgericht seiner Fahrerlaubnis hinterherlaufen (im wahrsten Sinne des Wortes) oder eben einen Neuantrag stellen und das Antragsverfahren durchlaufen (wiederum im wahrsten Sinne des Wortes).

Fazit: Die Entscheidung ist ein echter „Knaller“ und eine ausdrückliche Abkehr von der bisherigen Marschroute. Zu beachten ist Folgendes: Die Entscheidung bezieht sich auf gelegentliche Konsumenten von Cannabis. Nach ständiger Rechtsprechung liegt gelegentlicher Konsum allerdings bereits beim zweiten Konsumvorgang vor. Der gelegentliche Konsum ist daher der Regelfall und wird bereits durch die Carbonsäurewerte hinreichend zu belegen sein. Des Weiteren ist die Entscheidung nur auf Ersttäter anwendbar.

OVG Schleswig-Holstein: Es bleibt dabei. Ein Mal Cannabis am Steuer = Führerschein weg!

Das OVG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass bereits eine einmalige Fahrt unter Einfluss von Cannabis eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach sich zieht.
Der Betroffene wurde mit 1,5 ng/ml THC im Blutserum angehalten. Es stand im Verfahren fest, dass der Betroffene gelegentlicher Konsument (nicht einmaliger Konsument) von Cannabis war.
Ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml liegt nach der ständigen Rechtsprechung eine Wirkung des Betäubungsmittels vor. Der Betroffen berief sich darauf, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen liege erst ab 3,0 ng/ml THC-Gehalt im Blut eine Rauschwirkung vor, die die Fahrtauglichkeit beeinträchtige.
Er stützte seine Argumentation auf die Empfehlung der Grenzwertkommission und des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstags, wonach der Grenzwert auf 3 ng/ml angehoben werden solle.
Über die Empfehlung des Verkehrsgerichtstages zur Anhebung des Cannabisgrenzwertes hatte ich hier berichtet:

Cannabis, Fahreignung und Unfallfucht – Die Empfehlungen des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstags

Mit dieser Argumentation drang er beim OVG Schleswig-Holstein nicht durch.

Das Gericht führt aus:

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml davon auszugehen ist, dass der Betroffene nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann (BVerwG, Beschl. v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 -, NJW 2015, 2439; BVerfG, Beschl. v. 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 -, NJW 2005, 349, Rn. 29 f. bei juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 22.12.2014 – 2 O 19/14 -, NJW 2015, 2202, Rn. 6 bei juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 23.01.2017 – 4 MB 2/17 -; Rn. 11 bei juris, VGH Kassel, Beschl. v. 17.08.2017 – 2 B 1213/17 -, VerkMitt 2018 Nr. 3).

Es entspricht weiterhin dem Stand der Wissenschaft, dass bereits bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht. Das Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München ist in der Untersuchung „Unfälle und reale Gefährdung des Straßenverkehrs und der Cannabis-Wirkung“ (abgedruckt in: Blutalkohol Vol. 43/2006, S. 441 – 450) in ausdrücklicher Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 -, NJW 2005, 349, Grenzwert 1,0 ng/ml) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 25.01.2006 – 11 CS 05.1711 -, ZfSch 2006, 236, Grenzwert 2,0 ng/ml) zu dem Ergebnis gekommen, dass eine abstrakte Gefährdung sogar bei einem Wert von weniger als 1,0 ng/ml besteht.

Das OVG beschäftigt sich in dieser Entscheidung ausführlich mit verschiedenen Studien zum Thema Fahrtauglichkeit und Cannabis.

Das Urteil finden Sie hier:

Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.06.2018 – 4 MB 45/18

Fazit:

Bis auf Bayern liegen aktuell noch alle Bundesländer auf der Linie, ab einer Konzentration von 1,0 ng/ml THC und festgestellter Fahrt die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Zur Entscheidung des VGH München, das die Ansicht vertritt, die Fahreignung sei bei einmaliger Fahrt vor Entziehung der Fahrerlaubnis mittels MPU zu überprüfen, lesen Sie meinen Artikel vom 1.12.2017:

Cannabis am Steuer – MPU statt sofortiger Entziehung der Fahrerlaubnis

Ob das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung ändert und damit dem Verkehrsgerichtstag und dem VGH München folgen wird, bleibt abzuwarten.

Nochmal zum Fahrradfahrverbot (VG Gelsenkirchen)

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in seiner Entscheidung vom 6. Juni 2018 festgestellt, dass das Untersagen des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (zum Beispiel Fahrrädern) im Straßenverkehr durch die Fahrerlaubnisbehörde rechtmäßig sein kann.

Dem Antragsteller war wegen Führens eines Fahrzeugs unter Einfluss von Cannabis, Alkohol und Methadon von der Fahrerlaubnisbehörde untersagt worden, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen.

Der Antragsteller wendete sich in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die sofortige Wirksamkeit dieser Maßnahme an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

Dieses stellte fest:

Die Untersagung zum Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als hierzu ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet erweist. Die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gelten, nämlich nach den §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 4 StVG und §§ 46 Abs. 1, 11 Abs. 1 FeV. Dies ist sachgerecht, weil es beim Führen erlaubnisfreier ebenso wie beim Führen erlaubnispflichtiger Fahrzeuge um die Teilnahme am Straßenverkehr und die dafür erforderliche Umsicht sowie Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit geht. Das Gefährdungspotential, welches hierbei ‑ etwa durch unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten ‑ von dem ungeeigneten Fahrer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs ausgehen kann, rechtfertigt es, an die Fahreignung diesen Maßstab anzulegen.

Vor diesem Hintergrund ist die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auch verhältnismäßig. Es trifft zwar zu, dass die Verkehrsteilnahme mit einem motorisierten Fahrzeug wegen der möglichen höheren Geschwindigkeiten ein größeres Gefährdungsrisiko als mit einem Fahrrad in sich birgt. Jedoch geht auch von einem fahrungeeigneten Führer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ‑ etwa durch der Verkehrssituation nicht angepasste Reaktionen sowie ein unkontrolliertes und die Verkehrsregeln missachtendes Fahrverhalten ‑ ein erhebliches Gefährdungspotential für diesen selbst sowie für andere Verkehrsteilnehmer aus. (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 6.6.2018 – 7 L 2934/17)

Über das Problem Fahrradfahrverbot habe ich schon einige Male berichtet:

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/besser-mal-einen-zug-nehmen-fahrradfahrverbot-wegen-trunkenheitsfahrt/

OVG Magdeburg – Fahrerlaubnisrecht: Zur Überprüfung der Eignung nach einjähriger Drogenabstinenz

Nach einjähriger Drogenabstinenz muss die Fahrerlaubniserteilung geprüft werden. Sie darf nicht ohne Weiteres abgelehnt werden.

Das OVG Magdeburg hat entschieden:

Behauptet der Inhaber einer Fahrerlaubnis, dem diese wegen Drogenkonsums nach § 11 Abs. 7 FeV entzogen werden soll, der Fahrerlaubnisbehörde gegenüber hinreichend substantiiert seine langfristig bestehende Drogenabstinenz, ist es dieser spätestens nach Ablauf eines Jahres ab dem behaupteten Beginn der Abstinenz nicht mehr möglich, die Annahme fortbestehender Fahruntauglichkeit ohne weitere Ermittlungen allein auf die Drogenfahrt zu stützen (verfahrensrechtliche Einjahresfrist). (Beschluss vom 14.06.2013 – 3 M 68/13)

Der Betroffene hatte wegen einer dreieinhalb Jahre zurückliegenden Fahrt unter dem Einfluss von harten Drogen die Fahrerlaubnis entzogen bekommen. Bei Antragstellung wies er einen Abstinenzzeitraum von einem Jahr nach. Die Fahrerlaubnisbehörde vertrat die Ansicht, aufgrund der Drogenfahrt stehe nach wie vor fest, dass der Betroffene ungeeignet sei, Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Der Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis wurde daher ohne weitere Prüfung zurückgewiesen. Richtig wäre es gewesen, Anordnungen zur Überprüfung der Eignung zu treffen (MPU oder ärztliches Gutachten). Das OVG Magdeburg führt aus:

Allerdings durfte der Antragsgegner die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr ohne weitere Überprüfungen allein auf die am 13.06.2009 festgestellte Fahrt unter Einfluss von Drogen stützen. Denn die Vermutung wegen Betäubungsmittelkonsums verloren gegangener Fahreignung, aufgrund derer die Fahrerlaubnisbehörde ohne weitere Untersuchungen die Fahrerlaubnis entziehen kann, § 11 Abs. 7 FeV, besteht nicht unbegrenzt.

Dem Fahrerlaubnisinhaber ist die Möglichkeit eingeräumt, nach einjähriger nachgewiesener Abstinenz die Fahreignung wieder zu erlangen. Der in der Regel erforderliche einjährige Abstinenzzeitraum ergibt sich dabei aus Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV.

Der Senat lässt es dahinstehen, ob Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV in den überwiegenden Fällen des Drogenkonsums, in denen noch keine Abhängigkeit besteht, direkt oder analog anwendbar ist. Jedenfalls entfällt nach Ablauf eines Jahres beginnend ab dem Tag, den der Betroffene als Beginn seiner Betäubungsmittelabstinenz angibt oder von dem an unabhängig von einem solchen Vorbringen Anhaltspunkte für eine dahingehende Entwicklung vorliegen (sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“), die Möglichkeit, seine dahingehenden Einlassungen für die Annahme feststehender Fahruntauglichkeit unberücksichtigt zu lassen.

Solange nämlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Einlassung des Betroffenen zutrifft oder die auf einen Verhaltenswandel hindeutenden Umstände stichhaltig sind, steht, sobald ein Jahr seit jenem Stichtag verstrichen ist, nicht mehr im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Betroffene tatsächlich noch fahrungeeignet ist. Zwar hat die Behörde auch in Fällen, in denen ein längerer Zeitraum zwischen der Drogenfahrt und der Prüfung der Entziehung der Fahrerlaubnis liegt, trotz des in § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG erwähnten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht ohne konkreten Anlass zu prüfen, ob es zu einem Verhaltenswandel des Fahrerlaubnisinhabers gekommen ist.

Beruft dieser sich aber gerade darauf, seit der aktenkundigen Drogenfahrt keine Drogen mehr zu nehmen und abstinent zu sein, so muss sie dies zum Anlass nehmen, den Wahrheitsgehalt der Einlassungen des Betroffenen mit geeigneten Mitteln zu prüfen (vgl. umfassend dazu: BayVGH, Beschl. v. 09.05.2005 – 11 CS 04.2526 -, juris).

Trotz 1,6 Promille keine MPU?!

Die Fahrerlaubnisverordnung sieht in § 13 vor, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einer Alkoholfahrt ab einer BAK von 1,6 Promille zwingend eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen hat:

 

Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass … ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn … ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr … geführt wurde.

Der Fahrerlaubnisbehörde steht nach dem eindeutigen Wortlaut der Fahrerlaubnisverordnung kein Ermessen zu. Wird die Grenze von 1,6 Promille erreicht, muss die MPU angeordnet werden.


Dennoch gibt es Fälle, in denen der Betroffene die MPU vermeiden kann. Heute möchte ich einen solchen Fall aus meiner Praxis vorstellen. Mein Mandant hatte wegen einer Alkoholfahrt mit mehr als 1,6 Promille einen Strafbefehl erhalten, gegen den ich Einspruch einlegte.

Im Rahmen der Hauptverhandlung konnten wir eine mehrmonatige Abstinenz meines Mandanten und die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Schulung nachweisen. Der zuständige Strafrichter hob die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis auf und händigte meinem Mandanten in der Hauptverhandlung den Führerschein aus. Auf meine Bitte hin vermerkte er in den Urteilsgründen:

„Im Hinblick auf die Dauer des vorläufigen Maßregelvollzugs ist der Angeklagte aufgrund seiner zwischenzeitlichen Nachschulungsmaßnahme und Verhaltensänderung im Hinblick auf Alkoholkonsum – entsprechende Unterlagen wurden in  der Hauptverhandlung vorgelegt – zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet zu erachten, sodass lediglich noch ein deklaratorisches Fahrverbot verhängt wird.“

Mithin enthielt das Urteil positive Feststellungen zur Fahreignung des Mandanten. Die Entscheidung erging am 17.8.2017. Am 2.2.2018 meldete sich die zuständige Fahrerlaubnisbehörde schriftlich bei meinem Mandanten und ordnete die Vorlage einer MPU an.

Die Anordnung dieser MPU war allerdings rechtswidrig. Hintergrund ist die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 S. 1 des Straßenverkehrsgesetzes:

„Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht.“

Da die Urteilsgründe erkennen ließen, dass der Strafrichter sich ein eigenes Bild von der Eignung meines Mandanten gemacht und eine eigene Beurteilung der Eignung vorgenommen hatte, durfte die Fahrerlaubnisbehörde hiervon nicht zum Nachteil des Mandanten abweichen.

Nach einem Hinweis auf die Rechtslage und die Feststellungen des Amtsgerichts zur Eignung hob die Fahrerlaubnisbehörde die Anordnung sofort auf.

Im Ergebnis musste der Mandant also trotz einer BAK von mehr als 1,6 Promille keine MPU absolvieren.

Tipp: Bei Alkoholfahrten direkt zum Anwalt!

Die Tendenzen der Gerichte, selbst über die Eignung zu entscheiden, sind eher rückläufig. Hierfür muss der Fall "richtig liegen" und ausreichend Vortrag gehalten werden (Abstinenznachweise etc.). Aber auch wenn es nicht gelingt, das Gericht zu einer Eignungsentscheidung zu bewegen, ist es wichtig, im Strafverfahren dafür zu sorgen, dass der Führerschein nicht zu lange entzogen bleibt. Das ist beispielsweise mit Sperrfristverkürzungskursen möglich. Eine kompetente Verteidigung im Strafverfahren setzt gerade bei Führerscheinmaßnahmen voraus, dass der Verteidiger seinem Mandanten hilft, die Weichen für ein nachfolgendes Fahrerlaubnisverfahren frühzeitig in die richtige Richtung zu stellen.

Cannabis und Fahreignung – Unfallfucht – Die Empfehlungen des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstages

Vom 24. Januar bis 26. Januar 2018 fand in Goslar der 56. Deutsche Verkehrsgerichtstag statt.
Hierbei handelt es sich um eine Tagung von Verkehrsjuristen aus verschiedenen Branchen. Diese finden sich in Arbeitskreisen zusammen, in denen aktuelle Themen behandelt werden. Im Anschluss an die mehrtägigen Beratungen sprechen die Arbeitskreise Empfehlungen an den Gesetzgeber aus.
Von besonderem Interesse für meine berufliche Ausrichtung waren dieses Jahr die Arbeitskreise V (Cannabiskonsum und Fahreignung) und III (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort).
Der Arbeitskreis V hat zum Thema Cannabis und Fahreignung folgende Empfehlung ausgesprochen:

Die Fahrerlaubnis- Verordnung bedarf im Hinblick auf Arznei- und berauschende Mittel einer Überarbeitung durch den Verordnungsgeber.

Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass der erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordene, gelegentliche Cannabiskonsument nicht ohne Weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird, sondern lediglich Zweifel an seiner Fahreignung auslöst, die er mittels einer MPU ausräumen kann.
Der Arbeitskreis vertritt die Meinung, dass nicht bereits ab 1 ng/ml THC im Blutserum fehlendes Trennungsvermögen unterstellt werden darf. Er teilt die Feststellungen der Grenzwertkommission, wonach dies erst ab einem THC-Wert von 3 ng/ml Blutserum der Fall ist.
Auch im Falle einer medizinischen Indikation, insbesondere für die Verordnung von Cannabis-Blüten, begründet eine Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis Zweifel an der Fahreignung. Aus dem Gebot der Verkehrssicherheit heraus ist es deshalb erforderlich, dass dann auch vor dem Hintergrund der Grunderkrankung die Fahreignung zu prüfen ist.
Auch in diesem Sinne müssen die Patienten, die ein Kraftfahrzeug führen wollen, durch entsprechend qualifizierte Ärzte umfassend über ihre Beeinträchtigung der Fahreignung und Fahrsicherheit informiert und begleitet werden. Dies ist entsprechend zu dokumentieren.
Der Gesetzgeber wird gebeten, für Kontrollen im Straßenverkehr ein geeignetes Nachweisdokument vorzusehen.

Zum Thema Unfallflucht spricht der Arbeitskreis III folgende Empfehlung aus:

1.
Die strafrechtlichen und versicherungsvertragsrechtlichen Regelungen zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort führen zu gewichtigen Rechtsunsicherheiten. Dadurch können Verkehrsteilnehmer überfordert werden. …
2.
Der Arbeitskreis empfiehlt mit überwiegender Mehrheit dem Gesetzgeber zu prüfen, wie eine
bessere Verständlichkeit des § 142 StGB erreicht werden kann, insbesondere durch eine Begrenzung des Unfallbegriffs auf Fortbewegungsvorgänge und eine Präzisierung der Wartezeit bei Unfällen mit Sachschäden bei einer telefonischen Meldung, etwa bei einer einzurichten den neutralen Meldestelle.
3.
Der Arbeitskreis fordert mit überwiegender Mehrheit den Gesetzgeber auf, die Möglichkeiten
der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe bei tätiger Reue in § 142 Abs. 4 StGB zu reformieren. Dabei sollte die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs entfallen und die Regelung auf alle Sach- und Personenschäden erweitert werden.

4.
Der Arbeitskreis fordert mit knapper Mehrheit, dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nicht mehr im Regelfall zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führt. Die Worte „oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden“ in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sollten gestrichen werden.

Der Arbeitskreis empfiehlt, bis zu einer gesetzlichen Änderung einen Regelfall der Entziehung der Fahrerlaubnis nur noch bei erheblichen Personen –
und besonders hohen Sachschäden (ab 10.000 EUR) anzunehmen.

5.
Der Arbeitskreis hält es für notwendig, den Inhalt der auf das Verbleiben an der Unfallstelle
bezogenen versicherungsvertraglichen Aufklärungsobliegenheit den strafrechtlichen Pflichten nach § 142 StGB entsprechend zu verstehen. Er fordert die Versicherer auf, dies durch unmittelbare Bezugnahme auf § 142 StGB in den AKB klarzustellen.

Als Verkehrsrechtler kann man beide Empfehlungen vollumfänglich unterschreiben. ES bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese Empfehlungen aufnimmt und umsetzt.

Cannabis am Steuer: MPU statt sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis?

Keine sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis bei einmaliger Fahrt unter der Wirkung von Cannabis.

Verkürzt dargestellt, ist dies die Kernaussage des aktuellen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH München) vom 25.04.2017. Der VGH München hat entschieden:

„Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten kann die Fahrerlaubnisbehörde nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Vielmehr sieht § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor.“ (VGH München, Urt. V. 25.04.2017 – 11 BV 17.33)

Beim Cannabiskonsum sind verschiedene Konsumformen zu trennen. In der vorliegenden Konstellation geht es um den sogenannten Gelegenheitskonsumenten. Gelegenheitskonsument ist nach der Rechtsprechung derjenige, der mindestens zwei Mal, aber nicht täglich oder fast täglich, Cannabis konsumiert. Das dürfte die weit größte Fallgruppe in der Praxis sein.

Gängige Verwaltungspraxis – und vielleicht bald „Veraltungspraxis“ – in allen Bundesländern war bislang, dass auch bei einer einmaligen Cannabisfahrt eines Gelegenheitskonsumenten die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen ist.

Das basiert auf der Entscheidung des BVerwG vom 23.10.2014 – 3 C 3.13 (hier veröffentlicht: bundesveraltungsgericht.de – BVerwG vom 23.10.2014 – 3 C 3.13). Demnach galt bislang bundesweit Folgendes:

„Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist.“ (BVerwG a. a. O.)

Das bedeutet, wer Gelegenheitskonsument ist und unter der Wirkung von Cannabis (also ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml), ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr fährt, muss mit der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen.

Dem stellt sich nunmehr ausgerechnet das bei Drogendelikten wohl schärfste Bundesland entgegen, indem der VGH München postuliert, dass in einem solchen Fall zunächst eine Überprüfung der Fahreignung mittels MPU zu erfolgen habe.
Die Entscheidung ist rechtsdogmatisch sehr überzeugend begründet. Sie bezieht sich auf den Fall einer als Ordnungswidrigkeit geahndeten Tat, mithin einer Drogenfahrt nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes.

Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei einer solchen Drogenfahrt ist § 14 der Fahrerlaubnisverordnung (FEV).

§ 14 Absatz 1 Satz 3 FEV lautet:

„Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.“

Demgegenüber ist in § 14 Absatz 2 Nr. 3 FEV geregelt:

„Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist für die Zwecke nach Absatz 1 anzuordnen, wenn

wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes begangen wurden.“ (Hervorhebung durch Unterzeichner)

Wenn nun aber bei wiederholten Fahrten unter Cannabiseinfluss zwingend eine MPU anzuordnen ist, dann stellt sich doch die Frage, weshalb bei einer einmaligen Drogenfahrt nach § 24 a StVG der Sofortentzug gerechtfertigt sein soll. Demnach „dürfte“ der Wiederholungstäter zur MPU, während der Ersttäter sofort den Führerschein abgeben müsste. Das erscheint systemwidrig und kann so vom Gesetzgeber nicht gemeint gewesen sein.

Abschließend möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass die Führerscheinstellen – jedenfalls jenseits des Weißwurstäquators – weiterhin von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgehen und die Fahrerlaubnis in einem solchen Fall sofort entziehen.
Das Urteil des VGH München ist nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht in dieser Sache entscheiden wird und ob hier ein Umdenken erfolgen wird oder nicht.

Bundesverwaltungsgericht: MPU unter 1,6 Promille nur unter besonderen Voraussetzungen

Ist der Betroffene mit 1,6 Promille oder mehr am Steuer erwischt worden, kommt die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) der Fahreignung zwingend. Die Fahrerlaubnisbehörde hat in einem solchen Fall kein Ermessen. Das gleiche gilt, wenn ein wiederholter Verstoß unter Alkoholeinfluss begangen wurde und zwar schon bei zwei Fahrten, auch unter 1,6 Promille.

In beiden Fallgestaltungen hat die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU anzuordnen.

Was aber gilt bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt, wenn der Betroffene eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille hatte?

Auch in einem solchen Fall kann eine MPU durch die Fahrerlaubnisbehörde angeordnet werden. Es handelt sich dann aber um eine Ermessensentscheidung der Behörde. Die Behörde kann, muss aber keine MPU anordnen.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte über eine solche Fallgestaltung zu entscheiden. Der Klägerin war im Strafverfahren wegen einer einmaligen Trunkenheitsfahrt bei einer BAK von 1,28 Promille die Fahrerlaubnis entzogen worden. Auf Ihren Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis hin ordnete die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU an.

Die Klägerin zog dagegen vor das Verwaltungsgericht und unterlag in beiden Vorinstanzen. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch nachfolgend der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wiesen ihre Klage ab und erklärten die Anordnung der MPU für rechtmäßig. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schloss sich in seinem Urteil aktuellen Tendenzen in der Rechtsprechung an, wonach nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der Blutalkoholkonzentration die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen sei.
In einem Bundesland wie Bayern, in dem man nach der Beckstein’schen Formel nach zwei Maß Bier noch fahrtüchtig ist, ein erstaunliches Ergebnis.
Zur Erinnerung:

Nach zwei Maß Bier darf Beckstein noch fahren

Das Bundesverwaltungsgericht dagegen gab der Klage statt und verurteilte die Fahrerlaubnisbehörde dazu, der Klägerin die Fahrerlaubnis (ohne vorherige MPU) zu erteilen. Es führt aus:

Diese Auffassung ist mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a bis c FeV (Fahrerlaubnisverordnung) nicht vereinbar. Lag die Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille, so bedarf es bei einer einmalig gebliebenen Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zusätzlicher Tatsachen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht genügt für sich gesehen nicht.

Segway

Segway ist Kraftfahrzeug: Absolute Fahruntauglichkeit ab 1,1 Promille

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass ein Segway ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB ist. Das hat zur Folge, dass die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit für einen Segwayfahrer, ebenso wie für den Autofahrer, bei 1,1 Promille liegt.

Der Verurteilte wurde mit 1,5 Promille auf einem Segway angehalten. Die Grenze für Fahrradfahrer zur absoluten Fahruntauglichkeit liegt (derzeit noch) bei 1,6 Promille.

Promillegrenzen im Überblick (Video)

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/alkohol-am-fahrrad-steuer/

Der Verurteilte hatte gegen die amtsgerichtliche Verurteilung Revision zum OLG Hamburg eingelegt mit der Begründung, das Segway sei einem Fahrrad nicht aber einem Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB gleichzustellen.

Das hat das OLG Hamburg anders gesehen und die Revision zurückgewiesen. Für die Verkehrssicherheit eine begrüßenswerte Entscheidung. In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass die Empfehlung des Verkehrsgerichtstags Goslar aus dem letzten Jahr dahin ging, auch für Fahrradfahrer eine absolute Fahruntauglichkeitsgrenze von 1,1 Promille einzuführen. (Hier der Link zu meinem damaligen Artikel: Die Empfehlungen des deutschen Verkehrsgerichtstags 2016

Haschischkeks und Kokscola – Die versehentliche Einnahme von Betäubungsmitteln im Fahrerlaubnisrecht

Die Behauptung, ein Betäubungsmittel „einmalig und versehentlich“ eingenommen zu haben, findet sich in vielen verwaltungsgerichtlichen Urteilen.

Entzieht die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis, weil der Inhaber vermittels Bluttest als Konsument von Betäubungsmitteln feststeht, versucht der Betroffene oft, sich zu wehren, indem er behauptet, die Betäubungsmittel unwissentlich zu sich genommen zu haben.

Vom versehentlich gegessenen „Haschischkeks“ bis zum böswilligen „Kokscola“ in der Diskothek sind so ziemlich alle denkbaren Konstellationen, wie die Betäubungsmittel in den Körper gelangt sind.

Fast immer scheitert der Betroffene mit solchen Behauptungen und dies zumeist aus (guten) Gründen.
Oft ergibt sich bereits aus den Blutwerten, dass ein regelmäßiger Konsum stattgefunden haben muss. Es ist – gelinde ausgedrückt – unrealistisch, bei einem Blutgehalt von 8,3 kg/ml Amfetamin (stilistische Übertreibung) mit der Behauptung, man habe an der falschen Cola genippt, beim Verwaltungsgericht anzuklopfen.

Abgesehen von diesen Fallgestaltungen, gibt es auch solche, bei denen die Blutwerte nicht zwingend gegen einen einmaligen Konsum sprechen müssen. In aller Regel sind das die Fälle, in denen die Blutentnahme oder Urinkontrolle erst Wochen oder Monate nach dem Vorfall durchgeführt wird. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Meistens aber hat ein vorausgegangenes Strafverfahren, sei es wegen Trunkenheitsfahrt oder Besitz von Betäubungsmitteln o. ä. stattgefunden, das eben den Anlass zur Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde gesetzt hat. Wer nun von seinem guten Recht (Schweigen ist Gold?) im Strafverfahren Gebrauch gemacht hat, und dementsprechend keinen Ton vom einmaligen Konsum hat verlauten lassen, der braucht sich im Fahrerlaubnisverfahren auch nicht darauf zu berufen. Denn diese Behauptung wird als Schutzbehauptung abgebügelt werden.

Die Empfehlungen des deutschen Verkehrsgerichtstags 2016

An diesem Wochenende tagte der Verkehrsgerichtstag in Goslar. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Zusammenkunft von Experten auf verschiedenen Gebieten des Verkehrsrechts und angrenzender wissenschaftlicher Bereiche ( z.B. Psychologie, Medizin, Verkehrsmesstechnik, etc.).

Der Verkehrsgerichtstag diskutiert in mehreren getrennten Arbeitskreisen aktuelle Fragen des Verkehrsrechts aus und beschließt einen Empfehlungskatalog für den Gesetzgeber.

Im Video fasse ich die wesentlichen – und nach meiner Einschätzung für die Allgemeinheit auch interessanten – Empfehlung zusammen. Sie betreffen Fragen der Alkoholproblematik im Straßenverkehr (vor allem: MPU unter 1,6 Promille), des Messwesens (Blitzer etc.), Verwertung von Dashcamaufnahmen, steuerliche Fragen beim Verkehrsunfall, Beschleunigung des Verkehrszivilprozesses (Unfallklagen), sowie die Reform des Fahrlehrerrechts und Rechtsfragen um das Thema Mega-Containerschiffe.

Wer sich die Empfehlungen im Volltext ansehen möchte, findet hier den Link zum PDF-Dokument:

Die Empfehlungen des 54. deutschen Verkehrsgerichtstags (PDF)

 

Zwei Entscheidungen zu körperlichen Schwerstschäden

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat klargestellt, dass zögerliches Regulierungsverhalten des Haftpflichtversicherers bei körperlichen Schäden zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führt (OLG Brandenburg , Urt. v. 20.2.2015 – 2 O 120/08).

Das Landgericht Zweibrücken erhöhte das Schmerzensgeld im Falle einer schwerstgeschädigten Frau wegen der Alkoholisierung des Schädigers, der am Steuer eingeschlafen war (LG Zweibrücken, Urt. v. 20.2.2015 – 2 O 120/08).

Näheres zu den Fällen im Video:

Achtung! Neue Verjährungsfristen für Alkohol- und Drogenfahrten!

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Reform des Straßenverkehrsrechts mit Wirkung zum 1. Mai 2014 die Höchstgeldbuße für Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG (Alkoholordnungswidrigkeiten ab 0,5 Promille) von 1.500,00 € auf 3.000,00 € angehoben.

Es bleibt zwar dabei, dass die Regelbuße gemäß Bußgeldkatalog für fahrlässige Begehungsweise 500,00 €, 1 Monat Fahrverbot und 2 Punkte (neu) beträgt.

Die Anhebung des (theoretischen) Höchstsatzes auf 3.000,00 € hat aber die für den Betroffenen nachteilige Folge, dass es sich nun bei fahrlässiger Begehung um eine Ordnungswidrigkeit nach § 31 II Nr. 3 OWiG handelt. Bei fahrlässiger Begehung (halber Höchstssatz = 1.500,00 €) tritt Verjährung daher künftig erst nach einem Jahr und nicht – wie bislang – nach sechs Monaten ein.

Bei vorsätzlicher Tatbegehung ist § 31 II Nr. 2 OWiG anwendbar. Dann beträgt die Höchstbuße 3.000,00 € und Verjährung tritt erst nach zwei Jahren ein.

Abschließend weise ich darauf hin, dass diese Ausführungen nur für das Ordnungswidrigkeitenverfahren Geltung beanspruchen nicht aber für ein Strafverfahren wegen Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) oder Gefährdung des Straßenverkehrs ( § 315 c StGB).

Tipp: Schweigen ist Gold!

Wenn Sie mit Alkohol am Steuer erwischt wurden, sollten Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und sich bei mir melden! In Verkehrsstrafsachen erhalten Sie umgehend einen Besprechungstermin.

„Einmal blasen!“ „Bitte?!“ – Zur Belehrungspflicht beim Atemalkoholtest

Den meisten Betroffenen ist nicht klar, dass sie nicht verpflichtet sind, an einer Atemalkoholkontrolle mitzuwirken. Hier gilt der Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss.

Es ist also durchaus zulässig, wenn man die Aufforderung: „Einmal blasen bitte“ mit: „Nein, danke!“ beantwortet.

Die Frage, die im Rahmen dieses Beitrages angesprochen werden soll, ist allerdings nicht, was passiert, wenn man das gut gemeinte Angebot der Beamten höflich ausschlägt. Dann folgt im Regelfall schlicht und einfach die Anordnung einer Blutentnahme, an der man nicht vorbeikommt. Im Einzelfall mag man auch Glück haben, und die Beamten lassen einen fahren … (im wörtlichen Sinne) Darum geht es in diesem Beitrag aber nicht.

Wenn man gar nicht blasen muss, dann stellt sich zum einen die Frage, ob die Polizeibeamten verpflichtet sind, über diesen Umstand zu belehren. Und wenn eine solche Verpflichtung besteht, eine Belehrung aber nicht erfolgt ist, ist dann das Ergebnis des Atemalkoholtests trotzdem verwertbar oder nicht?

Muss der Beamte also auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Atemalkoholkontrolle hinweisen oder nicht?

Das Kammergericht Berlin (KG 30.7.14, 3 Ws (B) 356/14) meint, dass keine Belehrungspflicht besteht. Daraus folgt, dass auch ein ohne Belehrung durchgeführter Atemalkoholtest grundsätzlich verwertbar ist.

Anders sehen das das Amtsgericht Frankfurt und das Landgericht Freiburg. Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist nämlich durchaus uneinheitlich. Es kommt mehr oder weniger darauf an, im Bezirk welchen Gerichts man angehalten wird. Berlin ist also eher schlecht für den Betroffenen, Freiburg eher gut, nicht aber, wenn der Betroffene zusätzlich Cannabis dabei hat, dann nämlich wäre er besser in Hamburg, auf keinen Fall aber in München erwischt worden. Soviel sei nebenbei zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland und dem daraus resultierenden Gerechtigkeitsempfinden des einfachen Bürgers erwähnt.

Wenn einen ein Beamter anhält und zur Teilnahme an einem Atemalkoholtest auffordert, sollte man aus taktischen Gründen dennoch nicht unbedingt rückfragen, wo man sich gerade befindet. „Einmal blasen bitte!“ „Wo bin ich hier eigentlich?“, ist nicht gerade die Art Kommunikation, die den Interessen des Betroffenen dienlich sein dürfte.

Folgt man der zweiten Ansicht und hält eine Belehrung für erforderlich und ist diese unterblieben, dann stellt sich die Folgefrage, ob ein solches Messergebnis trotzdem verwertbar ist oder nicht.

Auch hierzu lassen sich unterschiedliche Ansichten vertreten. Klar ist nur, dass solche Alkoholmessungen unverwertbar sind, bei denen ein offenkundiger Irrtum des Betroffenen über die Freiwilligkeit bewusst ausgenutzt wird.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass in allen Fällen, in denen dem Betroffenen vorgespiegelt wird, er sei zur Mitwirkung verpflichtet, per se – und zwar unabhängig davon – ob eine Belehrungspflicht überhaupt besteht, eine Unverwertbarkeit vorliegt.

TENDENZIELL könnte man also wie folgt zusammenfassen:

„Einmal blasen! Ist freiwillig!“ verwertbar
„Einmal blasen!“ fraglich, in Berlin aktuell verwertbar
„Einmal blasen!“ „Muss ich?“ „Ja!“ unverwertbar
„Einmal blasen! Sie müssen!“ unverwertbar
„Einmal blasen!“ „Muss ich?“ „Sag‘ ich nicht!“ fraglich
„Einmal blasen!“ „Muss ich?“ „Weiß ich nicht.“ Beruf verfehlt

Die Thematik der Verwertbarkeit der Atemalkoholmessung spielt übrigens nur im Bußgeldverfahren eine Rolle, da die Ergebnisse eines Atemalkoholtestes im Strafverfahren per se nicht verwertbar sind. Im Strafverfahren muss ein Blutgutachten vorliegen. Da heißt es dann: „Einmal zapfen!“, und zwar zur Not auch gegen den ausdrücklichen Willen des Beschuldigten.

Verurteilung wegen Cannabisfahrt – Erkennbarkeit der Rauschwirkung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass für eine Verurteilung nach § 24 a StVG die Feststellung erforderlich ist, dass der Betroffene das Fortbestehen der Wirkung des Rauschmittels hätte erkennen können und müssen.

Liegt der Cannabiskonsum bereits mehr als einen Tag zurück und liegt nur eine geringfügige Überschreitung des analytischen Grenzwerts vor, so ist im Urteil darzulegen, warum der Betroffene dennoch von einer fortbestehenden Rauschwirkung ausgehen musste.

Promillegrenzen

Im folgenden Video erläutere ich, welche Promillegrenzen im Straßenverkehr gelten:

Im Straßenverkehr gelten für Autofahrer folgende Promillegrenzen:

1. Für Fahranfänger gilt eine Grenze von 0,2 Promille. Das absolute Alkoholverbot für Fahranfänger ist in § 24 c des Straßenverkehrsgesetzes geregelt. Darin heißt es, dass es für Fahranfänger verboten ist, unter der Wirkung von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln zu fahren. Es steht also nicht in der Vorschrift, dass Fahranfänger nur mit 0,0 Promille fahren dürfen. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Wirkung des konsumierten Alkohols anzunehmen ist. Da nach derzeitiger Ansicht in der Rechtsprechung eine Wirkung von Alkohol erst ab 0,2 Promille eintritt, gilt die 0,2 Promillegrenze für Fahranfänger.

2. Ab 0,3 Promille kann der Straftatbestand der Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 Strafgesetzbuch) erfüllt sein. Das ist aber nur der Fall, wenn alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (z.B. Fahrfehler wie etwa Schlangenlinien) festgestellt werden können. Man spricht dann von relativer Fahruntauglichkeit.

3. Ab 0,5 Promille ist auch für Nicht – Fahranfänger die Grenze zur Ordnungswidrigkeit überschritten. Wer mit 0,5 Promille ein Kraftfahrzeug führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes. Es ist nicht erforderlich, dass auch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vorgelegen haben. Liegen Anhaltspunkte für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vor, wird zunächst ein Strafverfahren eingeleitet werden.

4. Die Grenze zur sogenannten absoluten Fahruntauglichkeit liegt bei 1,1 Promille. Ab diesem Blutalkoholwert ist eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 StGB) gegeben, ohne dass es auf Ausfallerscheinungen ankommt.

5. Eine weitere wichtige Grenze ist die 1,6 Promillegrenze. Bei diesem Blutalkoholwert liegt die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit eines Fahrradfahrers. Auch für den Autofahrer ist diese Grenze von Bedeutung. Wird die 1,6 Promillegrenze erreicht, muss die Fahrerlaubnisbehörde eine medizinisch – psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Sie hat kein eigenes Ermessen, ob sie die MPU anordnet oder nicht.

 

Fahrerlaubnisentziehung bei „unbewusstem“ Konsum von Amfetamin

justiceDas Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 22.03.2012 AZ 16 B 231/12 Folgendes entschieden:

„1. Die im Regelfall die Kraftfahreignung ausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erfordert einen wissentlichen Konsum.

2. Der Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Drogenaufnahme ist ein Ausnahmetatbestand, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss.“

Dem Antragsteller war wegen des Nachweises von Amfetamin die Fahrerlaubnis entzogen worden. Er hatte vorgetragen, dass es sich um einen unbewussten Konsum gehandelt habe und sich darauf berufen, ihm sei das Amfetamin unbemerkt ins Getränk gemischt worden.

Das OVG NRW führt in den Entscheidungsgründen dazu aus:

„Der vom Antragsteller behauptete Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt.“

Im konkreten Fall hat das OVG die Schilderung des Antragstellers als unsubstantiierte Schutzbehauptung abgetan.

Das OVG NRW liegt damit auf Linie mit einigen weiteren oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zum Vortrag einer unbewussten Einnahme von Amfetamin. Ausgangspunkt zur Beurteilung der Rechtslage ist stets die gefestigte Rechtsprechung, dass bei allen Drogen außer Cannabis bereits der Nachweis des einmaligen Konsums – und zwar unabhängig von der Teilnahme am Straßenverkehr – genügt.

Dies jedenfalls im Regelfall. Eine Ausnahme vom Regelfall hat der jeweilige Betroffene substantiiert und widerspruchsfrei darzulegen, wobei eine starke Tendenz der Gerichte besteht, diese Einlassungen als Schutzbehauptungen abzutun.

Für Betroffene ist es von großer Bedeutung, bereits im Straf- oder Bußgeldverfahren entsprechende Weichen zu stellen, da die Fahrerlaubnisbehörde die Straf- und Bußgeldakten in jedem Fall weitergeleitet bekommen. Leider wird das in der Praxis wohl häufig übersehen. Zitat aus den Urteilsgründen (a.a.O.):

„Im Verwaltungsverfahren hat der Antragsteller seine damaligen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 2. November 2011 erklären lassen, er habe die Active O2-Flasche, die Herr T. ihm gegeben habe, getrunken. Diese habe einen bitteren Geschmack aufgewiesen. Dabei habe Herr T. ihm mitgeteilt, „Achte mal auf deinen Führerschein“. Demgegenüber lässt der Antragsteller seine jetzigen Prozessvertreter mit dem Antrag auf Regelung der Vollziehung – offenbar in Unkenntnis der früheren Einlassung ihres Mandanten – Folgendes vortragen: Am Abend des 8. März 2011 sei wie aus heiterem Himmel ein zuvor von Herrn T. entwendeter Werkzeugkasten wieder aufgetaucht. Unmittelbar neben dem Werkzeugkasten hätten sich ca. drei Flaschen des Energy-Drinks Active O2 befunden. Ihm, dem Antragsteller, sei sofort klar gewesen, dass nur Herr T. die Gegenstände wieder zurückgebracht haben konnte. Da Herr T. von seiner Vorliebe für dieses Getränk gewusst habe, habe er die Geste positiv gedeutet und die Flaschen als eine Art „Friedensangebot“ an sich genommen, von denen er eine dann gegen 21.00 Uhr zügig geleert habe.“

Autsch!

Dass die Fahrerlaubnisbehörden an einen positiven Ausgang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens nicht gebunden sind, wird anscheinend ebenfalls häufig übersehen. Die Devise heißt hier einmal mehr: „Tellerrand!“ oder: „Lieber gleich zum Fachanwalt!“. 🙂

NRW will die Promillegrenze für Fahrradfahrer senken

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger fordert eine Absenkung der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit für Fahrradfahrer. Bislang liegt die Grenze bei 1,6 Promille. Jäger möchte sie auf 1,1 Promille absenken.

Allenthalben ist jetzt auch zu lesen, Radfahren sei erst ab 1,6 Promille strafbar. Das ist falsch. Absolute Fahruntauglichkeit bedeutet lediglich, dass ab diesem Promillewert unwiderleglich vermutet wird, dass der Radfahrer untauglich ist, am Straßenverkehr teilzunehmen. Es bedeutet nicht, dass Radfahren unter 1,6 Promille nicht strafbar sein kann. Radfahren ist vielmehr, genau wie Autofahren, bereits ab 0,3 Promille strafbar, sofern beim Radfahrer verkehrsbezogene Ausfallerscheinungen (z.B. Schlangenlinien) festgestellt werden können.

Vor diesem Hintergrund hätte eine Herabsetzung der Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit allenfalls Signalwirkung, wenn überhaupt.

Zum Thema: Alkohol am Fahrradsteuer (Blogbeitrag vom 04. August 2010).

Über den neuen medienwirksamen Vorstoß des Innenministers berichteten gestern so ziemlich alle Medien. Die 1,6 Promillegrenze für Radfahrer beruht allerdings allein auf Richterrecht. Sie ist nirgendwo normiert. Grundlage dieser ständigen Rechtsprechung sind Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Eine Herabsetzung ist daher allein durch die Gerichte, namentlich den Bundesgerichtshof, möglich.
Man möge mich nicht falsch verstehen, betrunkene Fahrradfahrer gefährden sich und andere und dem gilt es selbstverständlich entgegenzuwirken.

Möglich wären zum Beispiel:

1. Eine Ahndung nach § 24 a StVG unter Heraufsetzung der Promillegrenze für Fahrradfahrer auf beispielsweise 1,1 Promille. Die 0,5 Promillegrenze, die für Autofahrer gilt (siehe hier: Promillegrenzen im Straßenverkehr) scheint dann nach den Erkenntnissen der Wissenschaft für Fahrradfahrer doch etwas niedrig angesetzt. Zudem sollte nicht die Signalwirkung: „Da kann ich ja gleich mit dem Auto fahren“, entstehen.
Konsequenz wäre dann ein Bußgeld in Höhe von 500,00 Euro (sollte für Radfahrer gegebenenfalls auch herabgesetzt werden) und ein Fahrverbot von einem Monat.

2. Ermöglichung von Fahrverboten nach § 44 StGB (also Fahrverbote durch den Strafrichter).

3. Verschärfung der Verwaltungspraxis bei den Fahrerlaubnisstellen. Diese dürfen dem betrunkenen Fahrradfahrer bisher als Einzige an den Führerschein. Allerdings wird hier bundesweit noch relativ zurückhaltend vorgegangen.

Besser mal einen Zug nehmen – „Fahrradfahrverbot“ wegen Trunkenheitsfahrt

Und es wird Sommer … Ästhetisch belästigende Presswürste, eingepackt in hautenge, schrittgezwängte und damit zeugungsfähigkeitsgefährdende (auch für den Beobachter) Jan Ullrich – Gedächtnis – Fahrradanzüge bevölkern die Straßen. Sport ist gesund.

Wer’s nicht sehen will, mag einfach wegschauen, während er mit seinem Auto zum Kippenautomaten gondelt. Ich halte es da lieber mit dem 97-er Udo Bölts – Tour de France – Klassiker. Ich kurbele gelegentlich im Vorbeifahren die Beifahrerscheibe runter und feuere die ohnehin schon Herzinfarktgefährdeten mit dem überraschenden, lautstarken und äußerst motivierenden Schlachtruf: „Quäl dich, du Sau!“, an. So weit so gut.

Kriminell wird’s aber, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind.

Zum Thema Fahrradfahrer und Straßenverkehrsrecht habe ich bereits einige Artikel veröffentlicht, z.B.:

Wie werde ich Geisterradler

Nutzungsausfallentschädigung für beschädigtes Fahrrad

Dass die Fahrerlaubnisbehörde weitgehende Eingriffsrechte gegenüber alkoholauffälligen Fahrradfahrern hat, war ebenfalls bereits Gegenstand eines Artikels, siehe hier:

Alkohol am Fahrradsteuer

Zu diesem Thema gibt es nun zwei aktuelle Entscheidungen, die ich kurz aufzeigen möchte. Wenig überraschend ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstraße, Urteil vom 30.01.2012, AZ 3 K 954/11, Leitsatz:

„Die Fahrerlaubnisbehörde hat nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c. Fahrerlaubnisverordnung, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 %o oder mehr geführt hat – hier Radfahrer mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,44 %o -, zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Hinblick auf seine Fahreignung anzuordnen. Dies gilt auch bei einem sog. Ersttäter, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge ist.“

Begründung:

„Bei einem Fahrradfahrer, der sich mit hoher Blutalkoholkonzentration am Straßenverkehr beteiligt und damit eine Verkehrsstraftat nach § 316 StGB begeht, ist in der Regel bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, er werde in alkoholisiertem Zustand nicht stets die nötige Selbstkontrolle aufbringen, vom Führen eines Fahrzeugs abzusehen.“

Kurzfassung: Ab 1,6 Promille auf dem Fahrrad folgt die MPU auf dem Fuß (zwingend).

Interessanter ist da schon die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen, Beschluss vom 02.02.2012, AZ 12 ME 274/11, Leitsatz:

„Einem Verkehrsteilnehmer, der bislang nur fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge in einem eignungsausschließenden Zustand geführt hat, kann die Nutzung fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge, ggf. auch eines Fahrrads, verboten werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls Anlass zu der begründeten Annahme besteht, er werde in überschaubarer Zukunft ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug im Zustand der Nichteignung führen und zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden.“

Der Antragsteller war in mehreren Fällen wegen Alkohol und / oder Drogen im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs und Leichtkraftfahrzeugs (Mofas) sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Beim Fahrradfahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss hatte man ihn allerdings nie erwischt.

Aus den Gründen:

„Ein derartiges Verbot setzt … die Feststellung voraus, dass der Betreffende gerade auch ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ist und die konkreten Umstände des Einzelfalls Anlass zu der begründeten Annahme geben, der Betroffene werde voraussichtlich in überschaubarer Zukunft ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug im Zustand der Nichteignung führen und so zu einer konkreten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer werden.“

M.a.W.: Auch wer noch nie Fahrrad gefahren ist bzw. noch nie mit Alkohol oder Drogen auf dem Fahrrad erwischt wurde, ist vor einem Fahrradfahrverbot nicht sicher. Damit liegt das OVG Niedersachsen auf einer Linie mit dem OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 08.06.2011, AZ 10 B 10415/11.

Das OVG Niedersachsen hat den Antragsteller übrigens darauf verwiesen, er könne mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Den Einwand des Antragstellers, er könne sich das nicht leisten, hat das OVG mit der Begründung, er solle sich das Geld für Drogen sparen und für öffentliche Verkehrsmittel ausgeben (Simplifizierung durch Unterzeichner) zurückgewiesen.

Ob der Betroffene in Zukunft „einen Zug nehmen“ wird oder nicht … Man weiß es nicht … 🙂

Promillegrenzen im Straßenverkehr

Im Straßenverkehr gelten für Autofahrer folgende Promillegrenzen:

1. Für Fahranfänger gilt eine Grenze von 0,2 Promille. Das absolute Alkoholverbot für Fahranfänger ist in § 24 c des Straßenverkehrsgesetzes geregelt. Darin heißt es, dass es für Fahranfänger verboten ist, unter der Wirkung von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln zu fahren. Es steht also nicht in der Vorschrift, dass Fahranfänger nur mit 0,0 Promille fahren dürfen. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Wirkung des konsumierten Alkohols anzunehmen ist. Da nach derzeitiger Ansicht in der Rechtsprechung eine Wirkung von Alkohol erst ab 0,2 Promille eintritt, gilt die 0,2 Promillegrenze für Fahranfänger.

2. Ab 0,3 Promille kann der Straftatbestand der Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 Strafgesetzbuch) erfüllt sein. Das ist aber nur der Fall, wenn alkoholbedingte Ausfallerscheinungen (z.B. Fahrfehler wie etwa Schlangenlinien) festgestellt werden können. Man spricht dann von relativer Fahruntauglichkeit.

3. Ab 0,5 Promille ist auch für Nicht – Fahranfänger die Grenze zur Ordnungswidrigkeit überschritten. Wer mit 0,5 Promille ein Kraftfahrzeug führt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes. Es ist nicht erforderlich, dass auch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vorgelegen haben. Liegen Anhaltspunkte für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vor, wird zunächst ein Strafverfahren eingeleitet werden.

4. Die Grenze zur sogenannten absoluten Fahruntauglichkeit liegt bei 1,1 Promille. Ab diesem Blutalkoholwert ist eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 StGB) gegeben, ohne dass es auf Ausfallerscheinungen ankommt.

5. Eine weitere wichtige Grenze ist die 1,6 Promillegrenze. Bei diesem Blutalkoholwert liegt die Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit eines Fahrradfahrers. Auch für den Autofahrer ist diese Grenze von Bedeutung. Wird die 1,6 Promillegrenze erreicht, muss die Fahrerlaubnisbehörde eine medizinisch – psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Sie hat kein eigenes Ermessen, ob sie die MPU anordnet oder nicht.

Hier finden Sie übrigens einen Promillerechner, der den ungefähren Blutalkoholwert nach dem Konsum verschiedener Getränke für Sie errechnet:

Promillerechner (interner Link).

MPU Statistik 2010 veröffentlicht

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat die MPU – Statistik für das Jahr 2010 veröffentlicht. Die gesamte Statistik ist auf der Internetseite des TÜV Hessen veröffentlicht: Externer Link.

Danach wurden im Jahr 2010 insgesamt 101.596 medizinisch-psychologische Untersuchungen durchgeführt.

Spitzenreiter unter den Anlassgruppen sind nach wie vor die Alkohol-Fragestellungen.

Mit insgesamt 54 % bilden die Alkohol-Fragestellungen nach wie vor die stärkste Anlassgruppe der MPU-Gutachten, wobei der größte Anteil der zu Begutachtenden (29 %) erstmalig mit Alkohol auffällig wurde. Die Gruppe Drogen und Medikamente machte es wie Holland bei der WM 2010 und landete auf dem zweiten Platz (20 % der Begutachtungen). Sonstige Verkehrsauffälligkeiten (ohne Drogen und Alkohol) bilden mit 15 % die drittstärkste Gruppe.

Wesentlich interessanter als die prozentuale Verteilung nach Anlassgruppen ist natürlich die immer wieder von tränendurchtränkten Mandantenaugen flankierte Frage, die sich auch viele Jurastudenten vor dem ersten Staatsexamen stellen: "Wie viele fallen denn da durch?"

Die pauschale Antwort lautet (für beide Fragesteller): "Viele!"

Auszugsweise sieht die Statistik 2010 für Alkoholauffällige wie folgt aus:

– Erstmalig Alkoholauffällige: 51,18 % haben bestanden, weiteren 13,17 % wurde Nachschulungsfähigkeit attestiert, 35,65 % sind glatt durchgefallen

– Wiederholt Alkoholauffällige: 44,48 % direkt bestanden, 11,79 % waren nachschulungsfähig, 43,73 % Totalausfall

– Alkohol in Zusammenhang mit verkehrs- und strafrechtlichen Auffälligkeiten: 43,19 % bestanden, 11,73 % mussten nachbessern und 45,08 % waren ungeeignet

– Mischkonsum (Alkohol und Drogen): 52,20 % waren geeignet, 6,71 % durften nachsitzen und 41,09 % haben es nicht geschafft

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Begutachtungen insgesamt um 4,23 % zurückgegangen. Es fanden 6,57 % weniger Begutachtungen wegen Alkohol statt. Die Anzahl der Begutachtungen wegen Drogen ist dagegen nur um 0,21 % zurückgegangen. Bereits in den vergangenen Jahren war die Anzahl der Begutachtungen wegen Alkohol rückläufig, während die Begutachtungen wegen Drogen in den Jahren 2007 bis 2009 jeweils anstiegen.

Fußballmetaphorisch lässt sich also sagen: Alkohol ist und bleibt das MPU-Spanien unter den Anlassgruppen, liegt allerdings nicht mehr im Trend. Vermutlich liegt's an den anhaltenden Vergewaltigungen des deutschen Biers durch diverse Geschmackszusätze (Feige, Mango, Litschi, Kirsche). Da vergeht einem doch die Lust am Trinken …

OLG Zweibrücken zum Beweisverwertungsverbot bei Blutentnahme

So, mein "Haus und Hof" – OLG, das OLG Zweibrücken hat jetzt auch sein "Machtwort" zum Beweisverwertungsverbot wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt bei Anordnung einer Blutentnahme durch Polizeibeamte gesprochen. Der Kollege Burhoff hat die Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 16.08.2010 hier ins Netz gestellt.

Der Entscheidung lag (stark vereinfacht) folgender Sachverhalt zugrunde: Der Betroffene des Bußgeldverfahrens gab auf Befragen an, mit dem Auto gefahren zu sein. Es ergab sich der Verdacht des Drogenkonsums. Ihm wurde nachmittags um 15:10 Uhr auf Anordnung der ermittelnden Polizeibeamten eine Blutprobe entnommen. Der zuständige Amtsrichter wurde nicht informiert, auch nicht die zuständige Staatsanwaltschaft. Ergebnis: Feststellung von Drogen im Blut.

Das OLG Zweibrücken hat sich in diesem Fall gegen ein Beweisverwertungsverbot ausgesprochen und die Verurteilung (unter Abänderung der REchtsfolgen) aufrechterhalten. Im Wesentlichen führt es aus, die Rechtslage sei für die ermittelnden Beamten unklar gewesen, weshalb kein schwerwiegender Verstoß gegen den Richtervorbehalt vorliege. Hierzu ist anzumerken, dass bei der sehr umstrittenen Frage, wann von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen ist, in der obergerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls insoweit Einigkeit herrscht, dass bei willkürlichen Verstößen von Polizeibeamten gegen den Richtervorbehalt von einer Unverwertbarkeit der Blutprobe auszugehen ist. Interessant ist insoweit, dass das OLG ausführt, eine solche Sache habe ihm noch nie zur Entscheidung vorgelgen. Da den ermittelnden Polizeibeamten deswegen auch keine obergerichtliche Rechtsprechung des OLG Zweibrücken hierzu bekannt sein konnte, sei kein Vorwurf eines schwerwiegenden Verstoßes zu erkennen. Einfach ausgedrückt: Eine Argumentation, die mir nicht nachvollziehbar ist.

Denkwürdig wird es dann aber, wenn das OLG weiter ausführt, künftig sei auch eine entgegengestzte Entscheidung (also für ein Verwertungsverbot) möglich.

Das genaue Gegenteil ist nämlich der Fall. Das OLG Zweibrücken hat mit dieser Entscheidung dafür gesorgt, dass sich künftig jeder Polizeibeamte, der mutwillig den Amtsrichter nicht anruft, auch auf die Entscheidung des OLG vom 16.08.2010 berufen wird.

Meine Meinung: Mit dieser Entscheidung hat sich das OLG Zweibrücken das eigene Hintertürchen vor der Nase zugeschlagen … Der Hinweis, es könne in Zukunft auch anders entschieden werden, geht voll ins Leere. Das OLG hat das eindeutig rechtswidrige Verhalten der Polizeibeamten abgesegnet, indem es diesen zu Gute hielt, sie könnten die Rechtslage nicht überblicken. Wie wird das denn wohl künftig aussehen, wo nun eine Entscheidung des OLG Zweibrücken contra Beweisverwertungsverbot vorliegt. Darauf wird sich doch wohl jeder Polizeibeamte berufen (dürfen). Eine bedauerliche Entscheidung!

Alkohol am (Fahrrad-)Steuer

Nach einer neuen Studie des Auto Club Europa (ACE) sind bei jedem achten Fahrradunfall Alkohol und / oder Drogen im Spiel. Im Vergleich dazu ist nur bei jedem 22. Autounfall Alkohol- oder Drogeneinnahme zu verzeichnen. Das gibt Anlass einmal kurz darzustellen, wie es sich mit den Rechtsfolgen bei Trunkenheitsfahrten von Fahrradfahrern verhält:

I. Straftaten

1. Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB): § 316 StGB knüpft an das Führen eines Fahrzeuges im Straßenverkehr an. Auch das Fahrrad ist ein Fahrzeug, weshalb sich derjenige, der im Zustand alkoholoder drogenbedingter Fahrunfähigkeit im Verkehr Fahrrad fährt, nach § 316 StGB strafbar macht. Absolute Fahruntauglichkeit liegt ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille vor. Liegt der Wert darunter, müssen verkehrsbezogene Ausfallerscheinungen (Schlangenlinien o.Ä.) hinzutreten.

2. Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB): Auch § 315 c StGB knüpft an den Begriff des Fahrzeuges an, weshalb auch eine Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Betracht kommt.

3. Kein Entzug der Fahrerlaubnis durch das Gericht (§ 69 StGB): Wird ein Autofahrer wegen der vorgenannten Verkehrsdelikte bestraft, so wird ihm das zuständige Gericht nach § 69 StGB in der Regel die Fahrerlaubnis entziehen. Die Fahrerlaubnis erlischt dann und muss nach Ablauf einer Sperrfrist bei der Fahrerlaubnisbehörde neu beantragt werden, ggf. unter Nachweis einer MPU. In § 69 StGB ist aber vom Führen von Kraftfahrzeugen die Rede. Egal wie muskulös die Beine sind, das Fahrrad ist kein Kraftfahrzeug, deshalb kann die Fahrerlaubnis nicht vom Strafgericht entzogen werden.

4. Kein Fahrverbot durch das Gericht (§ 44 StGB): Mit Fahrverbot ist die befristete Untersagung des Führens eines Kraftfahrzeugs gemeint. Die Fahrerlaubnis erlischt also nicht wie beim Entzug der Fahrerlaubnis, es wird dem Verurteilten lediglich für einen bestimmten Zeitraum (1 – 3 Monate) verboten, ein Kraftfahrzeug im Verkehr zu führen. Der Führerschein ist abzugeben und wird nach Ablauf der Frist wieder ausgehändigt. Auch § 44 StGB gilt nur für das Führen von Kraftfahrzeugen, also nicht für Fahrräder.

II. Ordnungswidrigkeiten

1. Keine Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes (Trunkenheits- oder Drogenfahrt). Auch diese Vorschrift bezieht sich nur auf Kraftfahrzeuge.

2. Vorsicht: Nicht alle Vorschriften des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts knüpfen wie § 24 a StVG an das Führen eines Kraftfahrzeugs an. Wer also z.B. auf der falschen Fahrbahn fährt, durch falsches Fahrverhalten einen Unfall verursacht o.Ä. muss, wenn und solange die Tat nicht schon als Straftat verfolgt wird, mit einem Bußgeld rechnen.

3. Kein Fahrverbot durch den Bußgeldrichter (§ 25 StVG): Alleinige Grundlage für die Verhängung eines Fahrverbotes im Bußgeldverfahren ist § 25 StVG. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf Kraftfahrzeuge. Auch der Bußgeldrichter kann demnach kein Fahrverbot verhängen. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis wie im Strafverfahren kommt schon nicht in Betracht, weil es eine solche im Bußgeldverfahren nicht gibt.

III. Fahrerlaubnisrecht

Wer nach Lektüre der obigen Ausführungen schon frohlockt hat, weil ihm weder der Bußgeldrichter noch das Strafgericht an den Lappen kann, wird im Folgenden bitter enttäuscht werden.

Die Fahrerlaubnisbehörde (FEB) darf so ziemlich alles von der Anordnung einer MPU bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Was die FEB im Einzelfall darf oder sogar muss, sprengt den Rahmen dieses Beitrages. Regelungsgrundlagen sind jedenfalls § 25 StVG, die Fahrerlaubnisverordnung sowie die Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung. Tendenziell lässt sich sagen, dass ab einem Blutalkoholwert von 1,6 % Promille fest damit zu rechnen ist, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde einschaltet. Die Staatsanwaltschaft ist übrigens ebenso wie die Bußgeldbehörde verpflichtet, der FEB Mitteilung zu machen, wenn der Verdacht eines fahrerlaubnisrelevanten Verstoßes vorliegt.

Fazit:

1. Nur wer Kenntnis von sämtlichen Regelungsmaterien, insbesondere vom Fahrerlaubnisrecht, hat, kann eine sachgerechte Verteidigung bieten.

2. Wer säuft, sollte mit dem Taxi fahren.

Sachsen – Anhalt und Mecklenburg – Vorpommern fordern die 0,0 Promillegrenze

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht das anders; Zitat: "Es kann nicht sein, dass wir jetzt jedem braven Bürger ein Glas Bier oder ein Glas Wein vergällen." Dass diese Stellungnahme aus Bayern kommt, verwundert wenig, kann man jenseits des Weißwurschtäquators nach der Beckstein'schen Formel doch ohnehin nach dem Genuss von zwei Maß Bier noch Autofahren.

Meine Meinung: Aus rein verkehrssicherheitstechnischer Sicht gibt es wohl nur eine Meinung, die man hier vertreten kann: Her mit der Null-Promille-Grenze. Das hat schließlich auch bei den Führerscheinanfängern und bis zu 21 – jährigen funktioniert. Aus Gründen der Verkehrssicherheit sollten wir dann aber auch alle künftig das Auto in der Garage stehen lassen und zu Fuß mit Sturzhelm und Protektoren bekleidet den nächsten ICE nehmen. Bei 50 Grad Celsius im Abteil und einer Schweißpfütze bodensee'schen Ausmaßes unterm Helm schmecken die zwei Maß dann auch gleich viel besser. Ich schließe mich Herrn Herrmann, nicht aber Herrn Beckstein, an. Ich möchte mir mein Bierchen nicht vergällen lassen, denn als vernünftiger Autofahrer bleibt es bei mir auch bei einem Bierchen. So weit muss die Allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen gehen!

0,0 Promille – Nein Danke!

Bundesverfassungsgericht zum Richtervorbehalt bei der Entnahme von Blutproben

Neues vom Bundesverfassungsgericht in Sachen Blutentnahme. Mit Beschluss vom 11.07.2010 hat das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung einer Blutentnahme durch Polizeibeamte, ohne vorherige Einholung eines richterlichen Beschlusses stattgegeben. Das Bundesverfassungsgericht folgt damit einer sich abzeichnenden Tendenz in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Zuletzt hatte das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 12.03.2009 AZ: 3 Ss 31/09 ebenso entschieden.

Meine Meinung: Während die Entscheidung in der Presse als "Stärkung des Richtervorbehaltes" angesehen wird und teilweise von grundlegender Bedeutung die Rede ist, sehe ich die Sache mal wieder etwas anders. Zum einen wurde die gleichzeitig eingelegte Beschwerde gegen die Wohnungsdurchsuchung als "offensichtlich unbegründet" zurückgewiesen. Was die Wohnungsdurchsuchung abelangt, soll nämlich ohne Weiteres Gefahr im Verzug anzunehmen gewesen sein. Zum anderen führt das Bundesverfassungsgericht aus, es sei Sache der Fachgerichte, zu prüfen, ob im Einzelfall Gefahr im Verzug vorliege. Ferner sei es es Sache des Einzelfalls, ob aus dem Verstoß gegen den Richtervorbehalt auch ein Beweisverwertungsverbot resultiere. Letztlich bleibt es also dabei, dass die Verteidigung wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt auf äußerst wackligen Beinen steht und nur in Ausnahmefällen erfolgversprechend erscheint.

Zur allgemeinen Situation um den Richtervorbehalt bei Blutentnahmen vertrete ich ohnehin die Auffassung, dass der Richtervorbehalt aus der Strafprozessordnung gestrichen werden sollte. Er ist eine bloße Förmelei. Man stelle sich vor, der Polizeibeamte vor Ort müsse zunächst den zuständigen Richter kontaktieren, diesem dann schriftlich den Sachverhalt erläutern und um Entscheidung bitten. Anschließend müsse er dann abwarten, bis ihm der schriftliche Beschluss des Richters – ggf. per Fax – zugeht und das, obwohl die Entscheidung des Richters gleichsam vorprogrammiert ist. Kein Richter wird vernünftigerweise, wenn ihm ein Polizeibeamter eine Trunkenheitsfahrt vorträgt, die Anordnung der Blutprobe verweigern. Die Blutprobe wird ohnehin immer und ausnahmslos angeordnet werden. Diese Meinung ist aus Verteidigersicht natürlich höchst unpopulär, aber letztlich dürfte sie, wenn man die Sache mit dem Richtervorbehalt mal "nüchtern" betrachtet, kaum von der Hand zu weisen sein.

Die gängige Praxis sieht jedenfalls so aus, dass es entgegen der Rechtslage den Regelfall darstellt, wenn die Polizeibeamten selbst die Blutprobe anordnen und ich fürchte, dass auch die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts daran nichts ändern wird.