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Schlagwort: E-Scooter

BGH: Promillegrenze für E-Scooter bleibt offen

Der BGH hat durch Beschluss vom 13.4.2023 – 4 StR 439/22 – entschieden, dass für E-Scooter, die nicht unter die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung fallen, der Grenzwert zur absoluten Fahruntauglichkeit bei 1,1 Promille liegt.

Hintergrund der Entscheidung war, dass der Angeklagte mit einem E-Scooter gefahren war, der eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte. Elektrokleinstfahrzeuge sind aber nur solche, die eine Maximalgeschwindigkeit von bis 20 km/h erreichen.

Die Frage, ob die 1,1 Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit auch für E-Scooter gilt, auf die die Elektrokleinstfahrzeugeverordnung anwendbar ist (max. Höchstgeschwindigkeit 20 km/h), hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offengelassen.

Die Tendenz in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und Landgerichte ist dagegen eindeutig: Alle mir bekannten obergerichtlichen Entscheidungen stellen auf die 1,1 Promillegrenze ab.

Rechtsfolge ist daher weiterhin, dass der Führerschein ab 1,1 Promille regelmäßig schon vor Ort von der Polizei beschlagnahmt bzw. sichergestellt wird und eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verhängung einer entsprechenden Sperrfrist im Raum steht.

Es lohnt sich aktuell eine Einzelfallbetrachtung zur Widerlegung der Regelvermutung, dass der oder die Betroffene ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Je nach Fall kann eine Fahrerlaubnisentziehung auch über 1,1 Promille noch abgewendet werden.

Ab 1,6 Promille ist übrigens die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zwingend vorgesehen. Das gilt für alle Fahrzeuge, auch Fahrräder. Nähert sich der/die Betroffene der 1,6 Promillegrenze an, kann eine MPU angeordnet werden, wenn Anhaltspunkte für Alkoholmissbrauch bestehen.

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BGH: Doch nicht 1,1 Promille für alle E-Scooter?!

Doch nicht 1,1 Promille für alle E-Scooter?

Die überwiegene obergerichtliche Rechtsprechung geht derzeit davon aus, dass ab einer Promillegrenze von 1,1 Promille auch beim Fahren mit einem E-Scooter  absolute Fahruntauglichkeit vorliegt. Das bedeutet, dass es ab einem Blutalkoholwert von 1,1 Promille nicht darauf ankommt, ob der Beschuldigte verkehrsbezogene  Ausfallerscheinungen aufgewiesen hat oder nicht (z.B. Schlangenlinien oder ähnliche Fahrfehler).

Konsequenz ist eine Häufung von Urteilen und vorläufigen Fahrerlaubnisentziehungen in diesen Fällen, insbesondere in meinem Tätigkeitsgebiet Saarland und angrenzende Rheinland-Pfalz.

Damit wendet die Rechtsprechung letztlich auf das Fahren mit E-Scootern unterscheidungslos die Promillegrenze für Autofahrer an.

Das dürfte nach einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichthofs falsch sein.

Der BGH hat die Promillegrenze für E-Scooter nämlich zumindest andeutungsweise geklärt, ohne sie ausdrücklich zu klären. Nach meiner rechtlichen Einschätzung gilt die 1,1 Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit für E-Scooter nur dann, wenn es sich um fahrerlaubnispflichtige E-Scooter handelt, nicht aber für die, wie üblich fahrerlaubnisfreien E-Scooter der typischen Mietanbieter.

Was hat der BGH also (nicht) entschieden?

Der BGH hatte (unter anderem) über mehrere Trunkenheitsfahrten mit einem E-Scooter zu entscheiden. Der Verurteilte hatte seine Verurteilung durch das Landgericht Hechingen wegen mehrerer Taten – unter anderem Fahren ohne Fahrerlaubnis und mehrere Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern – angegriffen.

Zugrunde lag, soweit für die Trunkenheitsfahrt mit E-Scootern von Bedeutung, folgender Sachverhalt:

 

„In den Fällen II.23., II.30., II.31. und II.34. führte der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand im öffentlichen Verkehr einen „Elektroroller Sunny-E-Bike“, der ein Versicherungskennzeichen trug und mit dem ohne Einsatz menschlicher Kraft eine Geschwindigkeit von 20 km/h erreicht werden kann. Dabei wies der Angeklagte in zwei Fällen jeweils eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 ‰ auf (Fälle II.23. und II.34.).“ (BGH, Beschluss vom 02. März 2021 – 4 StR 366/20 –, juris, Hervorh. d. Unterz.)

Der BGH hat das angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache ans LG Hechingen zur Aufklärung des Sachverhalts zurückverwiesen.

Orientierungssatz nach juris:

„In den Fällen II.23. und II.34. (Anmerkung des Unterzeichners: Trunkenheitsfahrten mit mehr als 1,1 Promille, siehe oben) fehlt es an Feststellungen zur fahrzeugtechnischen Einordnung des bei den Fahrten verwendeten Elektrorollers. Dem Senat ist es deshalb verwehrt, anhand der Urteilsgründe zu überprüfen, ob das Landgericht zu Recht den für alkoholisierte Führer von Kraftfahrzeugen als unwiderleglichen Indizwert für die Annahme absoluter Fahrtüchtigkeit entwickelten Grenzwert der Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89) seiner rechtlichen Bewertung der Taten zugrunde gelegt hat. Zwar ergibt sich aus den Feststellungen noch, dass mit dem Elektroroller ohne menschlichen Kraftaufwand eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h erreicht werden konnte, so dass es sich bei diesem um ein Elektrokleinstfahrzeug im Sinne des § 1 eKFV gehandelt haben könnte. …“

Wie der BGH die Rechtslage sieht ergibt sich aus folgendem Satz:

„Mangels näherer Feststellungen sowohl zu der Fahrzeugklasse des vom Angeklagten genutzten Elektrorollers als auch zu dessen technischen Merkmalen im Einzelnen vermag der Senat die Rechtsfrage im vorliegenden Fall nicht abschließend zu beantworten.“

(BGH, Beschluss vom 02. März 2021 – 4 StR 366/20 –, Rn. 9, juris)

Der BGH hätte die Promillegrenzen also auch ausdrücklich klarstellen können, wenn er den konkreten E-Scooter hätte einordnen können.

Er unterscheidet zuvor ausdrücklich zwischen fahrerlaubnispflichtigen Elektrokleinstfahrzeugen nach § 4 S. 1 FEV und solchen, für die keine Fahrerlaubnis benötigt wird, weil die Ausnahmereglung des § 4 S.2  1a FEV i.V.m. § 1 I eKFV (Elektrokleinstfahrzeugeverordnung). Es ergibt sich als Umkehrschluss aus eben diesem Zurückweisungsgrund, dass der BGH die Frage, welche Promillegrenze für E-Scooter gilt, vorliegend ging es um die 1,1 Promillegrenze, ausdrücklich beantwortet hätte, wenn er den E-Scooter hätte einordnen können.

Daraus kann nach meiner Einschätzung nur ein Schluss gezogen werden, nämlich dass aus Sicht des BGH die 1,1-Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit nur für solche E-Scooter gilt, auf die die Ausnahme von der Fahrerlaubnispflicht der eKFV nicht anwendbar ist, sprich für fahrerlaubnispflichtige E-Scooter.

Jedenfalls ist die Entchieung des BGH ein starkes Argument dafür, auf die fahrerlaubnisfreien Miet-E-Scooter gerade nicht die 1,1 Prmillegrenze anzuwenden. Der BGH hätte sonst offen lassen können, wie der E-Scooter einzuordnen ist, sprich fahrerlaubnispflichtig oder nicht.

Die 1,1-Promillegrenze zur absoluten Fahruntauglichkeit gilt nur für solche E-Scooter, die fahrerlaubnispflichtig sind. Ich meine, dass vieles dafür spricht, dass der BGH auf die fahrerlaubnisfreien E-Scooter die 1,6 Promillegrenze, analog zum Fahrradfahrer, anwenden wird.

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BayObLG zu den Promillegrenzen für E-Scooter

Das bayerische Oberlandesgericht hat bestätigt, dass die für Autofahrer geltende Grenze von 1,1 Promille zur absoluten Fahruntauglichkeit auch für E-Scooter gilt. Es hat die Fahrerlaubnisentziehung eines Scooterfahrers, der auf dem Münchener Oktoberfest mit 1,35 Promille angehalten worden war, bestätigt. Er hatte eine Strecke von 300 m auf einem Bürgersteig zurückgelegt.

Der Angeklagte hatte einwendet, bei einem E-Scooter handele es sich nicht um Kraftfahrzeug im Sinne des § 316 StGB. Ferner seien die Promillegrenzen nicht auf den EScooter übertragbar, allenfalls sei eine Vergleichbarkeit mit einem Fahrrad gegeben. Bei einem solchen tritt absolute Fahruntauglichkeit erst ab 1,6 Promille ein.  Zudem liege bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad kein Regelfall für eine Fahrerlaubnisentziehung vor. Das AG München hat sämtliche Einwendungen des Angeklagten verworfen.  

Die Entscheidung des BayObLG ist wenig überraschend, denn sie orientiert sich an der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das BayObLG führt aus:

„Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 28. Juni 1990 den Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers unter Berücksichtigung medizinischnaturwissenschaftlicher Erfahrungswerte mit 1,1 Promille festgelegt und dabei zugleich ausdrücklich ausgesprochen, dass dieser Wert für alle Führer von Kraftfahrzeugen gilt (BGH NJW 1990, 2393, 2395).

Auch wenn der Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Trunkenheitsfahrt eines Autofahrers zugrunde lag, hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass dieser Grenzwert generell für (alle) Führer von Kraftfahrzeugen gilt, und dies zusätzlich durch Bezugnahme auf vorausgegangene Entscheidungen zu Kraftradfahrern (BGHSt 22, 352) sowie Fahrrädern mit Hilfsmotor, sog. Mofa 25 (BGHSt 30, 251) und auch Führen eines abgeschleppten betriebsunfähigen PKW (BGHR StGB § 316 Fahruntüchtigkeit alkoholbedingte 2, = BGHSt 36, 341) zum Ausdruck gebracht.

Von dem Grundsatz, dass die Promillegrenze von 1, 1 Promille für alle Kraftfahrzeugarten gilt, im Falle der E-Scooter abzuweichen, besteht kein Anlass.“ (BayObLG, Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20)

In einer sehr ausführlichen Begründung bestätigt das BayObLG sodann die Wertung des Amtsgerichts München, wonach auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter ein Regelfall für eine Fahrerlaubnisentziehung vorliegt.

Zu der Einwendung der kurzen Fahrtstrecke führt es aus:

„Das Amtsgericht hat an tatbezogenen Umständen über den Aspekt hinaus, dass die Fahrt mit einem im Vergleich zu einem Personenkraftwagen leichteren E-Scooter stattfand, berücksichtigt, dass die vom Angeklagten bis zu seiner polizeilichen Kontrolle gefahrene Strecke von ca. 300 m nicht allzu lang war. Wenn das Amtsgericht darin keinen Fall einer Bagatellfahrt mehr gesehen hat, so liegt dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums.“ (BayObLG a. a. O.)

Meine Meinung: Daran, dass die Promillegrenzen für Autofahrer auch für E-Scooterfahrer gelten, hatte ich auch vor dieser Entscheidung wenig Zweifel. Eine Fahrerlaubnisentziehung bei einer Fahrtstrecke von 300 m auf dem Gehweg auszusprechen, mag im Beurteilungsspielraum des entscheidenden Gerichts liegen. Vielleicht hat es hier aber in erster Instanz auch an entsprechendem Vortrag  zu den Tatumständen und dem Nachtatverhalten des Angeklagten gefehlt, die eine anderweitige Bewertung erlaubt hätten.

Das Urteil finden Sie im Volltext hier: BayObLG, Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20