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MPU immer häufiger unter 1,6 Promille

person driving and drinking

Man hat inzwischen, vermutlich aufgrund der  Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.3.2021 –  3 C 3/20, welche die bisherige Rechtsprechung eigentlich nur wiederholt hat, den Eindruck, dass die Fahrerlaubnisbehörden ab 1,1 Promille zunehmend medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU) anordnen.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Deutsches Autorecht (DAR 2023, 286-287) ist ein beispielhaftes Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth VG vom 13. September 2022 – B 1 K 22.30 – veröffentlicht, anhand dessen ich kurz die Problematik darstellen möchte. Ich möchte anhand dieses Falles noch einmal darauf hinweisen, von welcher Bedeutung Einlassungen und Verhaltensweisen des Beschuldigten im Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt für ein späteres Fahrerlaubnisverfahren sind.

Gegenstand der Entscheidung ist eine Klage auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangenem strafrichterlichem Entzug. Der Kläger klagte auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gegen die zuständige Fahrerlaubnisbehörde. Diese hatte eine medizinisch-psychologische Untersuchung vor Erteilung der Fahrerlaubnis angeordnet. Der Kläger hielt die Anordnung für rechtswidrig. Das VG Bayreuth gab der Fahrerlaubnisbehörde Recht und wies die Klage ab.

Die Anordnung war in diesem Fall auf  § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e) der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) gestützt. Danach muss die Behörde eine MPU anordnen, wenn „sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht.“

Zum Sachverhalt:

Beim Kläger wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle eine Blutalkoholkonzentration von 1,12 ‰ festgestellt. Ein Fahrfehler im Sinne einer verkehrsbezogenen Ausfallerscheinung wurde nicht festgestellt.

Im Rahmen der Blutentnahme werden ein polizeilicher Bericht (sog. Torkelbogen) und ein ärztlicher Bericht zum Zustand des Beschuldigten gefertigt, anlässlich dessen verschiedene Tests durchgeführt werden. Der ärztliche Untersuchungsbericht enthielt im Falle des Klägers folgende Feststellungen:

„Gang (geradeaus) sicher, Drehnystagmus feinschlägig, Finger-Finger-Prüfung, Finger-Nasen-Prüfung sicher, Sprache deutlich, Pupillen unauffällig, Pupillenlichtreaktion prompt, Bewusstsein klar, Denkablauf geordnet, Verhalten beherrscht, Stimmung gereizt, äußerlicher Anschein des Einflusses von Alkohol leicht bemerkbar.“

Zum Trinkverhalten gab der Kläger an, vor Fahrtantritt zwei Biere getrunken, sich aber für fahrtauglich gehalten zu haben. Er habe unvorhergesehen wegen einer Streitigkeit den ehemaligen Freund seiner Tochter und seine Tochter nach Hause fahren müssen. Die hohe BAK könne er sich nicht erklären.

Das VG Bayreuth führt in Anlehnung an die Entscheidung des BVerwG aus:

„Unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV liegen dann Zusatztatsachen vor, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 ‰ oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Denn dies deutet auf eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung hin und begründet eine damit einhergehende erhöhte Wiederholungsgefahr für einen Verstoß gegen das Trennungsgebot und damit Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn. …

Der vom Kläger eingeräumte Alkoholkonsum steht dabei in Widerspruch zu der bei ihm gemessenen Blutalkoholkonzentration. Der Wert von 1,12 ‰ zwei Stunden nach dem eingeräumten letzten Konsum lässt sich mit zwei Bier unter Berücksichtigung des Körpergewichts des Klägers von nur 62 kg nicht erklären. …

Die vom Kläger geschilderten Umstände der Alkoholfahrt, nämlich dass er unvorhergesehen und auch um einen Disput mit seiner Ehefrau zu beenden, den ehemaligen Freund seiner Tochter nach Hause habe fahren wollen, entlastet ihn nicht. Zwar ist die Schilderung durchaus glaubwürdig, dennoch hat sich der Kläger dazu entschieden, in erheblich alkoholisiertem Zustand am Straßenverkehr teilzunehmen, noch dazu mit seiner Tochter und deren ehemaligem Freund im Fahrzeug.

Wenn der Kl. vorträgt, er könne sich die bei ihm gemessene BAK nicht erklären, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Insbesondere ist nicht von Amts wegen nach anderen möglichen Ursachen für den gemessenen Wert zu suchen, wie z. B. eine – vom Klagebevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angedeutete – mögliche von der Norm abweichende gesundheitliche Disposition des Kl., ohne dass konkrete Anhaltspunkte hierfür vorliegen. Auch spricht die Schilderung des Kl., er habe sich durch den vorhergegangenen Alkoholkonsum nicht beeinträchtigt gefühlt, eher für die Feststellungen des Arztes, wonach keine Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. Dem Kl. hätte es offen gestanden, im strafrechtlichen Verfahren dergleichen vorzubringen. Außerdem bedürfte es hierzu grundlegender substantiierter Darlegungen.“

(VG Bayreuth, Urteil vom 13. September 2022 – B 1 K 22.30 –, Rn. 29, juris)

Entscheidende Zusatztatsache, die für den Verdacht auf Alkoholmissbrauch ausreichte, war sicherlich die Tatsache, dass der Kläger bei der ärztlichen Untersuchung einen nahezu nüchternen Eindruck hinterließ.

Aber auch alle weiteren Angaben, die gemacht bzw. nicht gemacht wurden, hat das Verwaltungsgericht gewertet, in diesem Fall zu Lasten des Klägers verwertet.

Der Fall ist geradezu typisch. Es ist üblich und menschlich verständlich, dass das Trinkverhalten von Beschuldigten im Rahmen der Verkehrskontrolle  bzw. auf der Polizeiwache heruntergespielt wird. Auch höre ich oft von meinen Mandanten, sie hätten ja „alle Tests bestanden“, womit dann die Tests im Rahmen des Torkelbogens gemeint sind.

Sie müssen an solchen Tests nicht mitwirken und sollten das auch nicht tun. Machen Sie als Beschuldigte/r im Rahmen der polizeilichen Kontrolle und Vernehmung keine Angaben zur Sache und zwar weder zum Trink- noch zum Fahrverhalten, zum Anlass der Fahrt oder sonstigen Umständen! Sie haben das Recht zu Schweigen. Auch wenn im nachfolgenden Fahrerlaubnisverfahren nachteilige Schlüsse aus Ihrem Schweigen gezogen werden können, sollten Sie von diesem Recht Gebrauch machen und umgehend einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufsuchen!

Dominik Weiser

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht

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