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Archiv: 18. September 2024

Neuer THC-Grenzwert: AG Landstuhl stellt Verfahren ein

Im Nachgang zu meinem Beitrag zur Entscheidung des OLG Oldenburg vom 16.9.2024 habe ich heute die erste Einstellungsmitteilung in einem meiner eigenen Fälle erhalten.

3,5 ng/ml THC gilt auch für Altfälle (OLG Oldenburg)

Der Mandant hatte sich im März 2024 gemeldet. Sein THC-Wert lag zwischen 1,0 ng/ml und 3,5 ng/ml. Im April kam der Bußgeldbescheid über 500,00 Euro und einen Monat Fahrverbot.

Meinen Antrag auf Einstellung und hilfsweise Aussetzung des Verfahrens wegen der anstehenden Gesetzesänderung hat die Zentrale Bußgeldstelle RLP abgelehnt und das Verfahren ans Amtsgericht Landstuhl abgegeben.

Den Einspruch habe ich nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung gegenüber dem Amtsgericht mit Schriftsatz vom 26.8.2024 ergänzend begründet wie folgt:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

am 22.8.2024 ist das Gesetz zur Änderung des StVG in Kraft getreten. Nach § 24 a Abs. 1 a StVG wurde der Grenzwert, was absehbar war, auf 3,5 ng/ml THC festgelegt. Unter Bezugnahme auf meine Einspruchsbegründung beantrage ich hiermit noch einmal die Einstellung des Verfahrens.

Da das Gesetz zwischenzeitlich in Kraft getreten ist, muss hier § 4 III OWiG gelten.

„Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.“

Mit Entscheidung ist der Zeitpunkt der Ahndung und somit die letzte Entscheidung gemeint (Göhler § 4 Rn9). Kann eine Handlung nach späterem Recht nicht geahndet werden, so ist dieses eindeutig das mildeste (Göhler § 4 Rn5). Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung wird daher das neue Recht anzuwenden sein.

Soweit ersichtlich hat der Gesetzgeber keine anderweitigen Überleitungsvorschriften beschlossen. Sollte ich hier einem Missverständnis unterliegen, bitte ich hiermit höflich um einen Hinweis vor Durchführung der Hauptverhandlung.“

Als Reaktion habe ich heute den nachfolgenden Einstellungsbeschluss erhalten:

Klicke, um auf AGLandstuhlEinstellungTHC.pdf zuzugreifen

Das AG Landstuhl wendet § 4 III OWiG direkt an. Das OLG Oldenburg analaog. Das Ergebnis ist das Gleiche. Es gilt das mildere Recht. Also gilt für Altfälle, die noch nicht endgültig entschieden sind, der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml THC.

Die Verfahrenskosten und die Rechtsanwaltskosten trägt die Landeskasse.

Spannend bleibt die Frage, ob und ggflls. wie die Fahrerlaubnisbehörde reagieren wird. Nach meiner Rechtsauffassung ist in diesem Fall – und in allen anderen Fällen mit einem Aktivwert von weniger als 3,5 ng/ml THC, in denen keine sonstige Problematik bekannt ist, keine fahrelaubnisrechtliche Maßnahme (z.B. MPU) zulässig.

Cannabis Legalisierung

3,5 ng/ml THC gilt auch für Altfälle (OLG Oldenburg)

Das OLG Oldenburg hat einen Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 24 a StVG freigesprochen. Hintergrund war, dass der Betroffene vom Amtsgericht Papenburg zu einer Geldbuße von 1.000 € und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt worden war. Er hatte ein Fahrzeug mit einem THC-Wert von 1,3 ng/ml THC im Blut geführt und damit nach der alten Rechtslage gegen § 24 a StVG verstoßen. Nach dem Urteil wurde der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml THC ins Gesetz aufgenommen. Das OLG Oldenburg führt aus:

„Zwar war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Papenburg noch davon auszugehen, dass der Betroffene mit einem THC-Wert von 1,3 ng/ml im Blut gegen § 24a StVG verstoßen hat. Durch das am 22. August 2024 in Kraft getretene 6. Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, ist allerdings § 24a StVG durch die Einfügung von Absatz 1a) dahingehend geändert worden, dass der maßgebliche Wert nunmehr 3,5 ng/ml beträgt.

Zwar beruhte der bisherige analytische Grenzwert von 1,0 ng/ml nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, sondern war von der Rechtsprechung – entsprechend eines Beschlusses der „Grenzwertkommission“- als maßgeblich angesehen worden. Gleichwohl ist zumindest der Rechtsgedanke des § 4 Abs. 3 OWiG heranzuziehen, wonach in dem Fall, in dem ein Gesetz, dass bei der Beendigung der Handlung gilt, vor der Entscheidung geändert wird, das mildeste Gesetz anzuwenden ist. Nachdem nunmehr der maßgebliche Wert in § 24a StVG über dem Wert liegt, den der Betroffene im Blut hatte, hätte er bei einer Tatbegehung nach Inkrafttreten des Gesetzes den Bußgeldtatbestand nicht verwirklicht.“

Mit anderen Worten: Es gilt nicht, wie von einigen Bußgeldstellen angenommen, die Gesetzeslage zum Tatzeitpunkt oder zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (sprich Erlass des Bußgeldbescheids). Vielmehr gilt bei nachträglichen Gesetzesänderungen das im Zeitpunkt der letzten Entscheidung mildere Gesetz.

Das Oberlandesgericht hat das Verfahren nicht eingestellt und auch nicht zurückverwiesen ans Amtsgericht, sondern den Betroffenen vom Tatvorwurf freigesprochen und sowohl die Verfahrenskosten als auch die Rechtsanwaltskosten der Landeskasse auferlegt.

Für alle Betroffene laufender Verfahren, die bei der Fahrt zwischen 1,0 ng/ml und 3,5 ng/ml THC im Blut hatten, gilt: Sie sollten sich verteidigen (lassen)!