Cannabis – Änderungen des Straßenverkehrsrechts
Der Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften hat den Bundestag passiert.
Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig. Es ist damit zu rechnen, dass es noch diesen Sommer verkündet werden und damit in Kraft treten wird.
Folgende Änderungen des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts in Bezug auf Cannabis werden im Wesentlichen kommen:
In § 24a StVG wird folgender Absatz eingeführt werden:
„(1a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat.“
Dieses dürfte die wichtigste Änderung sein. Der Gesetzgeber hat sich entschieden, der Expertenkommission zu folgen und einen gesetzlichen Grenzwert für Cannabis einzuführen. Bislang war die Rechtsprechung von einem Grenzwert von 1,0 ng/ml aktivem THC ausgegangen.
Was bedeutet der neue Grenzwert faktisch?
Bei dem alten, gesetzlich nicht geregelten Grenzwert von 1,0 ng/ml bestand die Gefahr, dass auch noch bis zu etwa zwei Tage nach dem Konsum eine Grenzwertüberschreitung möglich war. Der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml sollte etwa vier bis acht Stunden nach dem Konsum unterschritten werden. Hierbei ist zu beachten, dass der Abbau von Aktiv-THC sowohl vom Konsumverhalten als auch von der Person des Konsumenten abhängig ist. Eine exakte Berechnung, wann der Wert unterschritten ist und der oder die Betroffene wieder fahren darf, ist daher nach wie vor nicht möglich. Zumindest sollte aber im Regelfall einen Tag nach dem Konsum keine Ordnungswidrigkeit mehr vorliegen.
Weiter wird der Mischkonsum in einem neuen Abschnitt in Zukunft härter bestraft:
„(2a) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine in Absatz 1a genannte Handlung begeht und
- ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt oder
- die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines alkoholischen Getränks steht.“
Wer also gleichzeitig „bekifft“ fährt und dabei Alkohol trinkt oder unter der Wirkung von Alkohol steht, muss mit einer höheren Geldbuße rechnen. Die Regelbuße für Ersttäter beläuft sich bei Mischkonsum auf 1.000,00 Euro und einen Monat Fahrverbot.
Für Fahranfänger gilt in Zukunft analog zur Regelung beim Alkohol, dass bei der Fahrt nicht konsumiert werden darf und nicht „unter der Wirkung von Cannabis“ gefahren werden darf.
Bereits beim Alkohol war es früher streitig, wann eine „Wirkung“ von Alkohol im Sinne des § 24 c StVG vorliegt. Es wurde oft von der Nullpromillegrenze für Fahranfänger gesprochen. Die überwiegende Rechtsprechung – und nun auch ausdrücklich der Gesetzgeber – gehen aber von 0,2 Promille aus. Wann aus Sicht des Gesetzgebers eine Wirkung von Cannabis eintritt bzw. noch vorhanden ist, ergibt sich ebenfalls aus der Gesetzesbegründung. Darin heißt es:
„Für Fahranfänger und Fahranfängerinnen bzw. junge Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres wird das bestehende Alkoholverbot in § 24c StVG um das Verbot von Cannabiskonsum ergänzt und hierfür der bisher von der Rechtsprechung festgelegte analytische Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum angesetzt.“
Für Fahranfänger gilt also der „alte“ Grenzwert von 1,0 ng/ml THC.
Schließlich ist nun eine Klarstellung des Gesetzgebers zum sog. verwaltungsrechtlichen Grenzwert erfolgt. Bislang waren Teile der Anwaltschaft davon ausgegangen, dass es für Fahrerlaubnisangelegenheiten bei einem Grenzwert von 1,0 ng/ml THC bleiben solle. Es müsse künftig zwischen dem ordnungswidrigkeitenrechtlichen Grenzwert von 3,5 ng/ml und dem verwaltungsrechtlichen Grenzwert von 1,0 ng/ml unterschieden werden. Hieße vereinfacht: Bußgeld ab 3,5 ng/ml THC, MPU aber schon ab 1,0 ng/ml THC.
Das hielt ich von Anfang an für unvereinbar mit der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und zudem für unlogisch. Es hätte bedeutet, dass ein Betroffener, der einen THC-Wert zwischen 1,0 ng/ml und 3,5 ng/ml hatte, nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht ordnungswidrig gehandelt sondern rechtmäßig am Straßenverkehr teilgenommen hat, dennoch mit einer Fahrerlaubnismaßnahme der Fahrerlaubnisbehörde hätte rechnen müssen.
Mit einfachen Worten: Trotz ordnungsgemäßer Teilnahme am Straßenverkehr hätte eine MPU angeordnet werden können.
In der Gesetzesbegründung stellt der Gesetzgeber nun wörtlich klar:
„Mit dem Gesetz wird zudem die in Anlage 4 Nummer 9.2.1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) enthaltene Legaldefinition von Cannabismissbrauch an den gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC Blutserum in § 24a Absatz 1a StVG angepasst. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab welcher ein allgemeines Unfallrisiko beginnt.
Aufgrund der Einheit der Rechtsordnung ist folglich auch im Rahmen der Anlage 4 Nummer 9.2.1 FeV in der Legaldefinition von Cannabismissbrauch darauf abzustellen, dass das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs nicht hinreichend sicher getrennt werden können.“
Das ist vor allem für aktuell laufende Verfahren und für Betroffene von Bedeutung, die wegen Cannabisverstoßes bereits eine Fahrerlaubnisentziehung hatten und nun die Fahrerlaubnis neu beantragen müssen. Lag der THC-Wert unter 3,5 ng/ml, dann darf – spätestens ab Inkrafttreten des Gesetzes – keine MPU vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis mehr angeordnet werden. Das setzt natürlich voraus, dass keine sonstigen Anhaltspunkte für Cannabismissbrauch oder sonstige Eignungszweifel bestehen. Jeder Fall ist ein Einzelfall.
Schließlich bedeutet diese Klarstellung meines Erachtens auch das, was ich von Anfang an vermutet habe: „Missbrauch“ liegt schon bei der ersten Fahrt mit 3,5 ng/ml THC vor. Es bestehen beim Gelegenheitskonsumenten also grundsätzlich erst dann Eignungszweifel, wenn er mit 3,5 ng/ml THC oder mehr fährt, weshalb eine MPU dann nach wie vor gerechtfertigt ist. Nach der Neuregelung der Fahrerlaubnisverordnung gilt das nur dann nicht, wenn der Betroffene ein geändertes, gefestigtes Konsumverhalten nachweist. Nach meinem Dafürhalten kann er das durch Abstinenznachweise tun.
Wichtiger Hinweis: Aufgrund zahlreicher Anfragen zu diesem Thema möchte ich hiermit darauf hinweisen, dass jeder Fall ein Einzelfall ist und es in jedem Fall erforderlich ist, den gesamten Sachverhalt zu kennen. Es ist daher nicht möglich und unseriös, ohne vollständige Sachverhaltskenntnis, insbesondere aber der relevanten Dokumente, einen verbindlichen anwaltlichen Rat zu Ihrem konkreten Einzelfall zu erteilen. Wenn Sie ein einschlägiges Problem haben, melden Sie sich bei mir! Ich erteile gerne unverbindliche Informationen auf Basis Ihrer Sachverhaltsschilderung und kläre Sie darüber auf, ob eine Beauftragung Sinn macht oder nicht. Ich werde aber nicht kostenlos Ihre Dokumente (wie z.B. negative MPU-Gutachten) lesen und Ihren Fall kostenlos bearbeiten. Senden Sie mir also bitte nicht unaufgefordert Dokumente zu! Vielen Dank im Voraus für Ihr Verständnis!