MPU wegen aggressiven Verhaltens vermeiden!
In der MPU-Statistik bilden Verkehrsverstöße aufgrund von „aggressivem Verhalten“ eine beachtliche Rolle. Bei den Begutachtungsgründen führend ist zwar sind zwar Alkohol- und drogenbedingte Fragestellungen. Etwa 40 % der medizinisch-psychologischen Untersuchungen erfolgen wegen Alkohol- und weitere rund 30 % wegen Drogenproblematiken. Bei den sonstigen Anlässen fallen allerdings die in der Statistik als sonstige strafrechtliche Auffälligkeiten und Verkehrsauffälligkeiten bezeichneten Begutachtungsgründe ebenfalls mit rund 20 Prozent ins Gewicht.
(https://www.bast.de/DE/Presse/Mitteilungen/2022/07-2022.html)
Hierzu zählen schwerpunktmäßig solche Fallgestaltungen, denen ein strafrechtliches Verfahren wegen aggressivem Verhalten im Straßenverkehr vorausging, z.B. Gefährdung des Straßenverkehrs, Nötigung, Beleidigung, etc.
Die Durchfallquoten bei solchen Fallgestaltungen liegen bei über 40 %. Dennoch führen diese Fallgestaltungen in der Öffentlichkeit ein Schattendasein.
Für die Betroffenengruppe ergeben sich einige schwerwiegende Besonderheiten. Insbesondere gibt es zur Vorbereitung auf die MPU keine „standardisierten“ Kurse und Vorgehensweisen, wie dies etwa für Alkoholverstöße der Fall ist. Vor allem aber fehlt es aber nach meiner praktischen Erfahrung oft von vornherein an einem Problembewusstsein bei Betroffenen. Es ist nach meiner Einschätzung nicht allgemein bekannt, dass aggressives Verhalten im – aber auch außerhalb – des Straßenverkehrs fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen auslöst. Betroffene unterschätzen die Bedeutung solcher Strafverfahren.
Eine zentrale Rolle zur Vermeidung von fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen spielt aber die richtige und frühzeitige Verteidigung im Strafverfahren. Das Strafverfahren ist der regelmäßige Auslöser für das zeitlich nachgelagerte Verfahren vor der Fahrerlaubnisbehörde.
Gerade die typischen „aggressionsgeneigten“ Verstöße, wie etwa Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c StGB, häufig in Zusammenhang mit Nötigung nach § 240 StGB und/oder Beleidigung und Bedrohung, sind von einer geradezu gegenseitigen Begehungsweise geprägt. Typisch ist, dass es immer einen Anzeigeerstatter und einen Beschuldigten gibt. Typisch sind auch geradezu aufgebauschte Sachverhalte bis hin zu falschen Verdächtigungen und eben gegenseitige Begehungsweisen.
Wer nun aber solche Sachen auf die leichte Schulter nimmt und nicht rechtzeitig die Akte prüft und eine Einlassung abgibt, der verschenkt nicht nur im Rahmen des Strafverfahrens erhebliches „Einstellungspotential“, sondern provoziert den Erlass eines Strafbefehls. Ist der Strafbefehl in der Welt, steht faktisch der oder die Schuldige fest. Die Hauptverhandlung lässt sich dann kaum noch vermeiden. Der Mandant ist vorverurteilt.
Demgegenüber lässt sich mit einer Stellungnahme nach Aktenprüfung und vor Erlass eines Strafbefehls nicht selten noch die Einstellung des Strafverfahrens erreichen. Noch nie ist es in meiner Praxis passiert, dass sich eine Mandantin oder ein Mandant nach einer solchen Einstellung zurückgemeldet hätte, weil er oder sie Post von der Fahrerlaubnisbehörde erhalten hätte.
Selbst wenn aber eine Bestrafung des Beschuldigten im Einzelfall nicht zu vermeiden ist, auch das kommt vor, kann ich als Verteidiger aber, wenn ich diese Situation rechtzeitig zutreffend einschätze, zumindest fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen noch vermeiden oder abmildern.
Im Groben gibt es bei einer Verurteilung oder einem Strafbefehl durch das Strafgericht zwei Fallgestaltungen:
- Das Strafgericht entzieht dem oder der Verurteilten im Urteil/Strafbefehl die Fahrerlaubnis. Das ist vor allen Dingen bei § 315 c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) eine Regelfolge. Dann muss der Betroffene einen Antrag auf Neuerteilung bei der Fahrerlaubnisbehörde stellen, was regelmäßig eine MPU auslösen wird. Hier kann es bereits aus diesem Grund angezeigt sein, Rechtsmittel einzulegen, was allerdings Vor- und Nachteile hat, die im jeweiligen Einzelfall abzuwägen sind, Stichworte: zeitlicher Ablauf, Sperrfrist etc..
- Das Strafgericht belässt dem Verurteilten die Fahrerlaubnis, indem es entweder keine Führerscheinmaßnahme anordnet oder zumindest auf ein Fahrverbot nach § 44 StGB „abmildert“. Gerade in dieser Konstellation ist der oder die Verurteilte nur dann vor einer MPU sicher, wenn das Strafgericht seine Fahreignung ausdrücklich im Urteil bestätigt. Der Verteidiger sollte also den oder die Richterin in der Verhandlung ausdrücklich unter Hinweis auf die Folgen für die Mandantschaft bitten, im Urteil wörtlich zu vermerken, dass das Gericht den oder die Verurteilte (wieder) für geeignet hält, am Straßenverkehr teilzunehmen. Nur an eine solche ausdrückliche Feststellung ist die Fahrerlaubnisbehörde gebunden.
Aber wie erreiche ich das als Beschuldigter bzw. Verteidiger?
Komme ich zu der Erkenntnis, dass nach Prüfung der Akte eine Verurteilung oder ein Strafbefehl nicht zu vermeiden ist, dann sollte ich der Mandantschaft frühzeitig anraten, an einer verkehrspsychologischen Schulung teilzunehmen. Für aggressives Verhalten im Straßenverkehr gibt es – im Gegensatz zu Alkohol oder Drogenauffälligkeiten – zwar keine standardisierten Schulungen. Es gibt aber verkehrspsychologische Intensivkurse. Diese sind zwar recht teuer, hier wird aber der oder die Betroffene in mehreren Sitzungen mit einem Verkehrspsychologen intensiv und einzelfallmäßig beraten. Durch die Teilnahme an einer solchen Maßnahme kann das Gericht überzeugt werden, dass beim jeweiligen Beschuldigten Einsicht im sein Fehlverhalten eingekehrt ist und er sein Verhalten in Zukunft ändern und beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilnehmen wird.
Nur wenn es nicht gelingt, dass das Gericht die Fahreignung positiv feststellt, kann auch in einem Fall, in dem das Gericht die Fahrerlaubnis nicht im Urteil entzogen hat, nachfolgend noch eine MPU angeordnet werden.
Absolut wesentlich aus anwaltlicher Sicht ist, dass ich das Thema MPU erkenne und es Teil meiner Beratung in einer strafrechtlichen Verteidigung wegen aggressiven Verhaltens (vor allem im Straßenverkehr) ist. Die MPU ist letzten Endes in der Regel das Schlimmste, was der oder die Betroffene zu befürchten hat.