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Archiv: 30. März 2021

person driving and drinking

BVerwG: MPU auch bei unter 1,6 Promille zulässig

Aufgrund mehrerer Nachfragen zu dem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, möchte ich dieses heute kurz vorstellen. Eins vorab: Das Urteil könnte man schlagwortartig zusammenfassen mit: Nichts Neues im Westen.

Das BVerwG wiederholt in dieser Entscheidung eigentlich nur das, was ohnehin ständige Rechtsprechung und allgemeine Meinung ist:

Die Fahrerlaubnisbehörde kann auch bei einer erstmaligen Trunkenhheitsfahrt unter 1,6 Promille eine medizinisch-psychologische Untersuchung zur Prüfung der Fahreignung anordnen.

Die Voraussetzungen hierfür sind in  § 13 S.1 Nr. 2 a) der Fahrerlaubnisverordnung niedergeschrieben.

§ 13 Fahrerlaubnisverordnung :

„Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass …

ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn

 … sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, …“ 

Sonstige Tatsachen ergeben sich häufig aus dem zugrundeliegenden Strafverfahren.

Auch der Fall, den das BVerwG zu entscheiden hatte, lag so, dass dem Kläger in einem Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Er war mit 1,3 Promille am Steuer erwischt worden. Der Kläger beantragte die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Die Behörde machte die Neuerteilung von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) abhängig. Da der Kläger dieses nicht beibrachte, wurde sein Antrag abgelehnt.

Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der MPU ergibt sich in solchen Fällen häufig daraus, dass ein stark alkoholisierter Beschuldigter im Strafverfahren keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigt. Regelmäßig wird das im Rahmen des polizeilichen und/oder des ärztlichen Untersuchungsberichtes (sog. Torkelbogen) festgestellt.

Aus der Pressemitteilung des BVerwG:

„Bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, besteht eine erhöhte Rückfallgefahr. Die Giftfestigkeit führt u.a. dazu, dass der Betroffene die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen kann. Deshalb liegt in dem Umstand, dass der Betroffene trotz eines bei seiner Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug festgestellten hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufwies, eine aussagekräftige Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Alt. 2 FeV.“

(BVerwG, Pressemitteilung Nr. 18/2021 vom 17.3.2021)

Einfach ausgedrückt: Je „besser“ man beim polizeilichen Torkeltest abschneidet, desto schlechter steht man im Fahrerlaubnisverfahren da. Denn wer mit annähernd 1,6 Promille mit Bravour den Finger-Nase-Test oder den Drehnachnystagmus-Test (10 Mal mit geöffneten Augen um die eigene Achse drehen) absolviert, bei dem darf die Fahrerlaubnisbehörde von einer hohen Alkoholgewöhnung ausgehen.

Blitzer Leivtec XV3: Hersteller stellt Messungen ein!

Ich hatte bereits darüber berichtet, dass der Messgerätehersteller Leivtec seine Bedienungsanleitung ändern musste. Hintergrund war, dass eine Sachverständigenvereinigung mittels Testmessungen nachgewiesen hatte, dass es bei dem Gerät zu erheblichen Messabweichungen kommt. Den Artikel finden Sie hier:

Geblitzt? Messabweichungen beimLeivtec XV3!

In der Folge hat sich laut dieser Sachverständigen gezeigt, dass die Verschärfung der Auswerterichtlinien nicht ausgereicht hat. Auch Messungen, die nach den strengeren Maßstäben verwertbar sind, können laut den Sachverständigen zu hohe Messergebnisse anzeigen.

Der Hersteller Leivtec hat nun reagiert und die Betreiber des Mesgeräts per E-Mail gebeten, einstweilen von weiteren amtlichen Messungen Abstand zu nehmen.

In der E-Mail von Leivtec an die Messtellenbetreiber heißt es:

Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen
werden kann, dass es auch bei Beachtung der Regeln der ergänzten Gebrauchsanweisung zu
unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann, möchten wir sie bitten, von weiteren
amtlichen Messungen vorerst Abstand zu nehmen. Wir werden uns nach Veröffentlichung der
finalen Prüfergebnisse der PTB unverzüglich wieder bei Ihnen melden. Wir sind uns der
Tragweite unseres Schreibens bewusst, sehen jedoch in der Sache keine andere
Entscheidungsoption, da es uns als Ihr seit vielen Jahrzehnten zuverlässiger und seriöser
Partner darauf ankommt, den rechtssicheren Einsatz unserer Produkte im
Verkehrsüberwachungsbereich unter allen Umständen zu gewährleisten. Insoweit hoffen wir
auf Ihr Verständnis und verbleiben …“

Das Lasermessgerät Leivtec xV3 ist ein bundesweit eingesetztes Geschwindigkeitsmessgerät, das gerade im Saarland weit verbreitet eingesetzt wird.

Wenn Sie mit diesem Messgerät gemessen wurden, sollten Sie sich verteidigen!

Im Moment ist noch völlig unklar, wie die Gerichte, insbesondere das Amtsgericht St. Ingbert, das für das Saarland zentral für diese Verfahren zuständig ist, auf die Problematik reagieren werden.

Schließlich stellt sich gerade im Zusammenhang mit der Entscheidung des Saarländischen Verfassungsgerichts zum Traffistar S350 die Frage, welche Auswirkungen die Erschwerung der nachträglichen Überprüfung der Messung durch die Löschung von Rohmessdaten nun vor dem Hintergrund der im Raum stehenden Fehlerhaftigkeit des Messverfahrens hat.

Zuletzt hatte das AG St. Ingbert Messungen mit dem Leivtec XV3 für verwertbar erklärt. Ausreichend sei die Möglichkeit einer nachträglichen Plausibilitätskontrolle.

AG St. Ingbert: Es werde geblitzt! Leivtec XV3-Messungen wieder verwertbar.

Wenn das Messgerät fehlerhafte Messergebnisse auswerfen sollte, was wohl der Fall zu sein scheint, dann kommt der Tatsache, dass die Rohmessdaten nicht vollständig zur Verfügung gestellt werden, eine ganz andere – auch praktische – Bedeutung zu.

Zu begrüßen ist jedenfalls die Aufforderung des Herstellers, die Messungen vorläufig, bis zur Klärung der Problematik, nicht mehr durchzuführen.

Autounfall mit angeleintem Hund – Volle Haftung des Autofahrers

Das LG München I hat einen Autofahrer und seinen Kfz-Haftpflichtversicherer zu vollumfänglichem Schadensersatz für die Verletzung eines Hundes verurteilt. Es hat die Beklagten verpflichtet, die Heilbehandlungskosten – auch für eine physiotherapeutische Behandlung des Hundes –  zu erstatten.

Der Autofahrer war auf einem Werksgelände mit überhöhter Geschwindigkeit, mit mindestens 20 km/h statt der dort erlaubten 10 km/h, gefahren. Ein Mitarbeiter des Firmeninhabers führte den angeleinten Wachhund über das Werksgelände. Der Mitarbeiter konnte den Hund vor der Kollision noch ein Stück zurückziehen, der Hund wurde aber an der Pfote erfasst.

Das Gericht stellt klar, dass sich im konkreten Fall keine Tiergefahr verwirklicht hat. Zu berücksichtigen war nur die Betriebsgefahr des PKWs und das Verschulden des beklagten Autofahrers, der die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte.

Zwischen den Parteien war hilfsweise streitig, welche Heilbehandlungskosten für das verletzte Tier zu erstatten sind. Das LG München I hat hierüber Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Es führt aus:

„Aufgrund des überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachtens des Professors  … von der Universität … steht auch fest, dass die Verletzungen des Hundes mit dem Autounfall kompatibel snd und die Behandlungskosten angemessen, und dass richtig abgerechnet wurde und ebenfalls, dass eine Physiotherapie bei solchen Verletzungen notwendig ist.“ (LG München I, Urt. v. 15.9.2020 – 20 O 5615/18)