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Schlagwort: Verkehrsunfall

BGH Parkplatzunfall: rechts vor links?

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.11.2022, VI ZR 344/21, entschieden:

„Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor links“) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.“

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger befuhr mit seinem Pkw eine zwischen Parkflächen befindliche Fahrgasse auf dem Parkplatz eines Baumarktes.

Der Beklagte befuhr von links kommend eine diese Gasse kreuzende Fahrspur. Wegen eines parkenden Sattelzuges hatten beide Parteien ein eingeschränktes Sichtfeld in den Kreuzungsbereich. Im Kreuzungsbereich kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge.

Der Kläger erhielt vorgerichtlich 50 % seines Schadens ersetzt. Seine Klage auf restlichen Schadensersatz wies das LG Lübeck zurück. Der BGH hat in seiner Revisionsentscheidung das Urteil des LG Lübeck bestätigt. Der Kläger blieb auf 50 % seines Schadens sitzen.

Der BGH stellt in seiner Grundsatzentscheidung zunächst noch einmal klar, was ständige und einhellige Rechtsprechung ist.

Ein Parkplatz ist dagegen – als Ganzes betrachtet – keine Straße, sondern eine Verkehrsfläche, die – vorbehaltlich spezifischer Regelungen durch den Eigentümer oder Betreiber – grundsätzlich in jeder Richtung befahren werden darf. Parkflächenmarkierungen, die den Platz in Parkplätze und Fahrspuren aufteilen, ändern für sich genommen daran nichts, so dass durch solche Markierungen entstehenden Fahrbahnen – wie allein durch die tatsächliche Anordnung der geparkten Fahrzeuge gebildeten Gassen – kein Straßencharakter zukommt.

Rechtsfolge ist, dass die Regelungen der StVO nicht unmittelbar auf einem Parkplatz zur Anwendung kommen, es sei denn, die jeweiligen Fahrbahnen haben besagten „Straßencharakter“. Das war in dem zu entscheidenden Fall aber nicht gegeben. Es handelte sich vielmehr um Fahrspuren im Sinne von Gassen. Hierzu ist anzumerken, dass solche Fahrspuren, denen Straßencharakter zukommt, auf Parkplätzen oder Parkhäusern durch die Inhaber häufig durch Vorfahrtsstraßenschilder gekennzeichnet sind.

Dann gilt „rechts vor links“ ohnehin nicht analog. Solche Fahrspuren sind beispielsweise die breiteren, oft mehrspurigen Fahrspuren, die um den Parkplatz herumführen (Ein- und Ausfahrtspuren).

Grundsätzlich ist die Regelung des § 8 Absatz 1 Satz 1 StVO (rechts vor links) unstreitig nicht direkt anwendbar, vielmehr gilt nach ständiger Rechtsprechung auf Parkplätzen grundsätzlich die in § 1 Absatz 2 StVO normierte sog. Allgemeine Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr:

„Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“

Bis hierhin enthält die Entscheidung des BGH nichts Neues.

Weiterhin entspricht es der gefestigten Rechtsprechung, dass zumindest einige Vorschriften der StVO im Rahmen der Haftungsabwägung mittelbar über die allgemeine Sorgfaltspflicht nach § 1 StVO Anwendung finden. Hauptanwendungsfall dürfte hier das Rückwärtsfahren nach § 9 Absatz 5 StVO sein. Dieses kann zu einer vollständigen Haftung führen.

Der BGH stellt klar, dass die Regelung „rechts vor links“ nur auf solche Fahrspuren unmittelbar oder mittelbar anwendbar sein soll, die Straßencharakter haben. § 8 Absatz 1 StVO schütze das ungestörte Vorwärtskommen im fließenden Verkehr. Auf einem Parkplatz könne aber grundsätzlich in alle Richtungen gefahren werden. Das Tempo werde dabei durch den typischen Betrieb auf einem Parkplatz bestimmt und entsprechende, jedenfalls bei Fahrspuren ohne Straßencharakter (Suchverkehr) eben nicht demjenigen im gleichgerichteten fließenden Straßenverkehr. Die Fahrspuren auf einem Parkplatz dienten damit nicht dem Verkehrsfluss sondern eben der Nutzung der Parkflächen, auch durch entsprechende Rangiervorgänge. Anderes gelte nur für solche Fahrspuren, die erkennbar aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht der Nutzung der Parkflächen sondern der Zu- und Abfahrt dienten (Straßencharakter). Solche örtlichen Gegebenheiten können beispielsweise Fahrbahnmarkierungen, vor allem aber die Verkehrsführung an sich sein.

Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass sich Verkehrsteilnehmer im Zweifelsfall auf Parkplätzen häufig entsprechend der Regelung rechts vor links absprechen würden.

Fazit: Bei einer Kollision im Kreuzungsbereich von „Suchverkehrfahrspuren“ auf einem Parkplatz gilt eine hälftige Haftungsverteilung. Bei Zu- und Abfahrten gilt rechts vor links mittelbar über § 1 Absatz 2 StVO.

Eine hälftige Haftungsverteilung findet aber auch dann nicht statt, wenn einem Unfallbeteiligten weitergehende Verstöße gegen die StVO nachzuweisen sind (beispielsweise Rückwärtsfahren, überhöhte Geschwindigkeit u. ä.).

Tödlicher Unfall mit Handy: 1 Jahr und 9 Monate Haft ohne Bewährung!

Die Verurteilung eines Autofahrers wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung ist rechtskräftig. Der Verurteilte muss die Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten antreten. Er hatte die erlaubte Geschwindigkeit von 70 km/h auf einer Landstraße um mindestens 15 km/h überschritten und im Unfallzeitpunkt auf seinem Mobiltelefon gerade Textnachrichten gelesen und verfasst.

Aus diesem Grund übersah er drei Fahrradfahrer in einer langgezogenen Rechtskurve. Mit mindestens 82 km/h kollidierte er mit den Fahrrädern. Die Mutter wurde getötet. Die dreijährige Tochter, die auf dem Kindersitz des Fahrrades saß und die sechsjährige Tochter, die mit ihrem Kinderrad vor der Mutter fuhr, wurden schwer verletzt.

Der Verurteilte hatte ein frühes Geständnis abgegeben, was das Landgericht Paderborn schon in der ersten Instanz zu seinen Gunsten berücksichtigt hatte. Ebenso hat es zu seinen Gunsten bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass er keine Vorstrafen und auch keine Voreintragungen im Fahrerlaubnisregister hatte.

In erster Instanz erhielt er eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren.

Das Landgericht Paderborn hat diese Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Zwar läge eine günstige Prognose vor, mithin sei zu erwarten, dass der Verurteilte nicht wieder strafrechtlich in Erscheinung treten werde, allerdings sei die Vollstreckung der Haftstrafe nach § 56 II StGB geboten.

Danach wird die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung dies gebietet.

Das Landgericht hatte die Tatsache, dass der Verurteilte sich für einen belanglosen Austausch von Textnachrichten über das sog. „Handyverbot“ des § 23 Abs.1 StVO hinweggesetzt hat, herangezogen. Seine Tat sei Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die den erheblichen Unrechtsgehalt des Handyverbots verkennen in der unberechtigten Annahme, es käme von vornherein keine Haftstrafe in Betracht.

Das OLG Hamm hat das Urteil des Landgerichts bestätigt und sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Die Haftstrafe hat es auf ein Jahr und neun Monate herabgesetzt.

Diese Entscheidung ist von ganz erheblicher Bedeutung für alle Straßenverkehrsteilnehmer. Denn das OLG Hamm postuliert letztlich, dass Freiheitsstrafen in solchen Fällen in der Regel nicht zur Bewährung auszusetzen sind. Wird ein Mensch bei einem Unfall wegen einer Handynutzung schwer verletzt oder getötet, ist regelmäßig mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten zu rechnen.

Inwiefern die Entscheidung bei anderen Verstößen gegen die StVO – beispielsweise Nutzung einer Rettungsgasse o. ä. – herangezogen werden wird, bleibt abzuwarten.

Kommt es wegen der Nutzung elektronischer Geräte zur Verletzung oder Tötung, ist daher – nicht nur im Gerichtsbezirk des OLG Hamm – damit zu rechnen, dass die Freiheitsstrafe angetreten werden muss. Denn die „Verteidigung der Rechtsordnung“ hat mir der Persönlichkeit des Täters und der Prognose, ob der Täter rückfällig wird oder nicht, nichts zu tun. Dagegen wird von der Verteidigung schwer anzukämpfen sein.

LG Köln: 10.095,00 Euro Nutzungsausfall

Nicht zuletzt in Folge von Lieferschwierigkeiten aufgrund der Corona-Pandemie kommt es in den letzten Monaten häufig zu Verzögerungen bei der Ersatzbeschaffung oder Reparatur des Unfallfahrzeugs.

Sei es, dass Teile für die Reparatur nicht lieferbar sind oder sich eben die Lieferung des bestellten Neuwagens verzögert.

Wird bei einem Unfall ein Fahrzeug derart beschädigt, dass es nicht mehr fahrbereit und/ oder nicht mehr verkehrssicher ist, dann kann der Geschädigte Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, für den Zeitraum für den er sich einen Mietwagen nimmt. Für den Zeitraum, indem er keinen Mietwagen in Anspruch nimmt, weil er sich beispielsweise mit einem Fahrzeug aus der Familie behilft, erhält er eine sogenannte Nutzungsausfallentschädigung.

Das bedeutet, dass er eine Tagespauschale erhält, für diejenigen Tage, an denen er das Fahrzeug nicht nutzen kann. Über welche Zeiträume diese Entschädigung beansprucht werden kann, ist Frage des Einzelfalles. Bei längeren Ausfallzeiträumen wenden die Kfz-Haftpflichtversicherer regelmäßig einen Verstoß des Geschädigten gegen die sogenannte Schadensgeringhaltungspflicht ein.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 2.6.2021 – 4 O 388/120 – einem Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung von weiteren 8.955,00 Euro zugesprochen. Vorgerichtlich hatte der Kläger bereits 1.140,00 Euro vom beklagten Haftpflichtversicherer erhalten.

Im konkreten Fall handelte es sich um eine Sonderkonstellation. Der Geschädigte hatte das verunfallte Fahrzeug erst wenige Tage vor dem Unfall erworben. Ihm stand daher gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer eine sogenannte Neupreisentschädigung zu. Der Unfall fand im Oktober 2019 statt. Es handelte sich um einen Totalschaden an einem Neufahrzeug. Der Kläger hatte die Beklagte  darauf hingewiesen, dass er die Finanzierung des Ersatzfahrzeuges nicht vorleisten könne.

Am 22.11.2019 sagte der beklagte Versicherer die Neupreisentschädigung zu. Am 19.2.2020  wurde die Haftung vom Versicherer zu 100 % anerkannt. Am 18.3.2020 bestellte der Kläger das Neufahrzeug, das am 31.7.2020 zugelassen wurde.

Das LG Köln hat von der gesamten Dauer des Nutzungsausfalls lediglich den Zeitraum vom 19.2.2020 bis 18.3.2020 ausgenommen, da es hier einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht sah. Der Kläger hätte, nachdem die Beklagte am 19.2.2020 eine Haftungserklärung abgegeben hat, unmittelbar ein Fahrzeug bestellen können. Dass er damit rund vier Wochen lang gewartet hat, ging nicht zu Lasten des beklagten Versicherers.

Im Übrigen wurde der Klage stattgegeben.

Das LG Köln weist zudem noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, eine bestehende Vollkaskoversicherung zur Vorfinanzierung des Ersatzfahrzeugs in Anspruch zu nehmen:

„Der Kläger war überdies nicht verpflichtet zur Schadensminderung seine eigene Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Ein Geschädigter eines Verkehrsunfalls ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den eigenen Kaskoversicherer auf Behebung des Unfallschadens in Anspruch zu nehmen, um die Zeit des Nutzungsausfalls und damit die Höhe der diesbezüglichen Ersatzverpflichtung des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherers möglichst gering zu halten …“

(LG Köln, Urteil vom 2.6.2021 – 4 O 388/120)

OLG Zweibrücken zum Autounfall mit Pedelec

Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass ein Pedelec nur unter besonderen Voraussetzungen ein Kraftfahrzeug ist. Im Regelfall handelt es sich nicht um ein Kraftfahrzeug. Es hat einer Pedelec-Fahrerin vollen Schadensersatz zugesprochen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Pedelec-Fahrerin (Klägerin) war auf die vom Beklagten befahrene Straße aufgefahren. Durch einen vorausfahrenden PKW, der den Seitenabstand nicht einhielt, geriet sie ins Straucheln und wurde vom PKW des Beklagten erfasst. Der Beklagte hielt seinerseits – vermutlich – den gebotenen Seitenabstand nicht ein.

Der Fall gab dem OLG Zweibrücken noch einmal Anlass zunächst klarzustellen, dass ein Pedelec kein Kraftfahrzeug ist.  Im Gegensatz zu einem zulassungspflichtigen E-Bike gibt es bei einem Pedelec keine Betriebsgefahr, also einfach ausgedrückt: Keine verschuldensunabhängige Haftung.

Das ergibt sich allerdings bereits aus dem Gesetz. § 1 III StVG lautet:

„Keine Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes sind Landfahrzeuge, die durch Muskelkraft fortbewegt werden und mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und

  1. beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 km/h oder früher,

2. wenn der Fahrer im Treten einhält,

unterbrochen wird.“

Daraus folgt, dass eine Mithaftung des Pedelec-Fahrers nur bei nachgewiesenem oder unstreitigem Verschulden des Pedelec-Fahrers in Betracht kommt.

Im Gegensatz dazu haftet ein PKW-Halter verschuldensunabhängig aus § 7 I StVG. Gleiches gilt für den PKW-Fahrer nach § 18 StVG.

Im konkreten Fall stand zwar fest, dass die Klägerin mit ihrem Pedelec ins Schlingern geraten war. Einen Fahrfehler vermochte das OLG Zweibrücken allerdings nicht feststellen. Des Weiteren war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die Klägerin trotz des Schlingerns noch äußerst rechts gefahren war.

Ob der PKW-Fahrer den Seitenabstand zur Klägerin eingehalten hatte oder nicht, ließ das OLG Zweibrücken offen, da er ohnehin zu 100 % haftete.

Im Ergebnis verblieb es daher beim vollen Schadensersatz für die Klägerin.

mercedes benz parked in a row

Unfallabwicklung bei Leasingfahrzeugen

Bei der Verkehrsunfallabwicklung entstehen Besonderheiten, wenn das beschädigte Fahrzeug geleast ist. Die nachfolgenden Ausführungen gelten analog für finanzierte Fahrzeuge, wenn diese, wie üblich, sicherungsübereignet sind.

Diese Besonderheiten resultieren daraus, dass bei einem Leasingfahrzeug nicht der Leasingnehmer Eigentümer ist sondern der Leasinggeber. Der Einfachheit halber bezeichne ich den Leasinggeber nachfolgend als die Bank.

Ein Fahrzeugleasingvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass die Bank dem Leasingnehmer das Fahrzeug zur Nutzung zur Verfügung stellt. Der Leasingnehmer trägt alle Kosten des Fahrzeugs (Steuer, Versicherung, etc.) und ist alleiniger Nutzer.

Wer die wirtschaftliche Last über das Fahrzeug trägt und dieses in seiner Gewalt hat, wird vom Gesetzgeber als sogenannter Halter des Fahrzeugs betrachtet. Im Falle des Leasings weichen also der Eigentümer (Bank) und der Halter (Leasingnehmer) bestimmungsgemäß voneinander ab. Gegen die Bank greift daher bei einem Umfang die weitgehende und verschuldensunabhängige Haftung des Fahrzeughalters nach § 7, 17 StVG nicht. Die sich daraus ergebenden Besonderheiten sollen im Rahmen dieses Beitrags nicht beleuchtet werden.

Was passiert jetzt aber, wenn ein Leasingnehmer in einen Unfall mit dem geleasten Fahrzeug gerät?

  1. Vertragsverhältnis zwischen der Bank und dem Leasingnehmer

Ist an dem Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten, besteht ein Sonderkündigungsrecht für beide Seiten des Leasingvertrages. In den meisten Vertragsbedingungen ist vorgesehen, dass das Sonderkündigungsrecht schon dann besteht, wenn sich die Reparaturkosten auf mehr als 60 % des Wiederbeschaffungswertes belaufen.

Der Leasingnehmer muss in einem solchen Fall die noch offenen Darlehensraten (ohne Zinsanteil) an den Darlehensgeber zahlen. Er muss das Darlehen also „ablösen“.

Das Problem dabei ist, dass gerade in den ersten Leasingmonaten das Fahrzeug stark an Wert verliert. Sowohl die Vollkaskoversicherung als auch der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners müssen aber bei einem Totalschaden regelmäßig nur den sogenannten Wiederbeschaffungsaufwand erstatten. Das heißt, es wird der Wert des Fahrzeugs unmittelbar vor dem Unfall berechnet und hiervon wird der Restwert, der durch den Verkauf des verunfallten PKWs erzielt wird, abgezogen.

In der Regel sind aber die noch offenen Darlehensraten, gerade in den Anfangsmonaten beim Leasing, wesentlich höher als der Wiederbeschaffungsaufwand. Es verbleibt regelmäßig eine Lücke, auf der der Leasingnehmer sitzen bleibt. Das ist eine typische Gefahr bei der Eingehung eines Leasingvertrages. Um diese Gefahr zu kompensieren, kann bei vielen Versicherern, teilweise auch bei den Banken, eine sogenannte GAP-Klausel vereinbart werden. Mittels dieser Klausel wird die finanzielle Differenz zwischen dem restlichen Finanzierungsaufwand und der Schadensersatzleistung/Vollkaskoleistung aus dem Unfall (je nach Klausel zumindest teilweise) ersetzt.

Der Abschluss einer GAP-Versicherung ist ebenso dringend anzuraten, wie die inhaltliche Prüfung der GAP-Klausel.

  1. Sachschaden am Fahrzeug/Wertminderung

Bezüglich des Sachschadens am Fahrzeug ist eigentlich nur der Eigentümer Geschädigter. Grundsätzlich kann nur er als Anspruchsberechtigter den Ersatz des Fahrzeugschadens geltend machen. Eigentümer ist aber, wie gesagt, die Bank.

In der Praxis wird dieses Problem dahingehend gelöst, dass die Bank den Leasingnehmer in den Leasingbedingungen dazu ermächtigt, Schadensersatzansprüche aus einem Unfall im eigenen Namen geltend zu machen.

Um die Regulierung zu beschleunigen, sollte von der Bank eine sogenannte Freigabeerklärung eingeholt werden zur Vorlage beim gegnerischen Haftpflichtversicherer. Zu beachten ist auch, dass der Leasingnehmer nach den üblichen Vertragsbedingungen verpflichtet ist, das Fahrzeug wieder instandzusetzen, weshalb eine „Nettoabrechnung“ nur in Absprache mit der Bank erfolgen kann.

Des Weiteren fehlt es dem Leasingnehmer für eine Klage auf Ersatz des Fahrzeugschadens grundsätzlich an der Aktivlegitimation. Er ist nicht der richtige Kläger. Um als Leasingnehmer dennoch im eigenen Namen Klage auf Schadensersatz erheben zu können, wird eine Freigabeerklärung der Bank benötigt, mit welcher die Bank den Kläger auch für das Prozessverfahren ermächtigt, im eigenen Namen Klage einzureichen.

Eine im Reparaturfall entstandene merkantile Wertminderung des Fahrzeugs steht nach den meisten Leasingbedingungen ebenfalls alleine der Bank zu, ist aber bei einer späteren Rückgabe des Fahrzeugs zu Gunsten des Leasingnehmers im Regelfall auf die Raten anzurechnen.

  1. Sonstige Schäden

Gutachterkosten, Nutzungsausfall, Mietwagenkosten, Unkostenpauschale stehen dem Leasingnehmer zu. Er benötigt zur Geltendmachung keine Ermächtigung der Bank, da es sich um Ansprüche handelt, die ihm aus der Verletzung seines Besitzrechts am Fahrzeug entstehen.

Autounfall mit angeleintem Hund – Volle Haftung des Autofahrers

Das LG München I hat einen Autofahrer und seinen Kfz-Haftpflichtversicherer zu vollumfänglichem Schadensersatz für die Verletzung eines Hundes verurteilt. Es hat die Beklagten verpflichtet, die Heilbehandlungskosten – auch für eine physiotherapeutische Behandlung des Hundes –  zu erstatten.

Der Autofahrer war auf einem Werksgelände mit überhöhter Geschwindigkeit, mit mindestens 20 km/h statt der dort erlaubten 10 km/h, gefahren. Ein Mitarbeiter des Firmeninhabers führte den angeleinten Wachhund über das Werksgelände. Der Mitarbeiter konnte den Hund vor der Kollision noch ein Stück zurückziehen, der Hund wurde aber an der Pfote erfasst.

Das Gericht stellt klar, dass sich im konkreten Fall keine Tiergefahr verwirklicht hat. Zu berücksichtigen war nur die Betriebsgefahr des PKWs und das Verschulden des beklagten Autofahrers, der die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten hatte.

Zwischen den Parteien war hilfsweise streitig, welche Heilbehandlungskosten für das verletzte Tier zu erstatten sind. Das LG München I hat hierüber Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Es führt aus:

„Aufgrund des überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachtens des Professors  … von der Universität … steht auch fest, dass die Verletzungen des Hundes mit dem Autounfall kompatibel snd und die Behandlungskosten angemessen, und dass richtig abgerechnet wurde und ebenfalls, dass eine Physiotherapie bei solchen Verletzungen notwendig ist.“ (LG München I, Urt. v. 15.9.2020 – 20 O 5615/18)

Schleudertrauma

Es geht auch ohne Gutachten – BGH entscheidet zum Nachweis eines Schleudertraumas

Es geht auch ohne teure Gutachten!

So könnte man das Urteil des BGH vom 23.6.2020 – VI ZR 435/19 zusammenfassen.

HWS-Distorsionen (umgangssprachlich: Schleudertraumata) sind typische Verletzungsfolgen eines Verkehrsunfalles. In der Rechtsprechung und Literatur sind sie äußerst umstritten. Nicht selten muss das Schmerzensgeld wegen einer HWS-Distorsion eingeklagt werden.

In aller Regel kommt es dann zu zwei Begutachtungen. Im Rahmen der ersten Begutachtung wird ein biomedizinisches Gutachten erstellt zur Ermittlung, von welcher „Aufprallgeschwindigkeit“ (sehr vereinfacht ausgedrückt) ausgegangen werden muss. Sodann wird in einem zweiten, medizinischen Gutachten – meist durch Untersuchung der Geschädigten und durch Prüfung der vorgelegten ärztlichen Befunde – ermittelt, ob eine HWS-Distorsion aus medizinischer Sicht vorgelegen hat bzw. vorgelegen haben kann.

Die Begutachtungen kosten den Unterlegenen – in der Regel die Versicherungswirtschaft – des jeweiligen Rechtsstreites mehrere Tausend Euro.

Dass es auch ohne Begutachtung geht, hat der BGH in seiner aktuellen Entscheidung dargelegt. In diesem Fall war der Beweis, dass eine HWS-Distorsion eingetreten war, zwar nicht erbracht. Der BGH hat aber auf Folgendes hingewiesen:

„Der angefochtenen Entscheidung liegt die rechtsfehlerhafte Auffassung zugrunde, dass sich eine unfallbedingte Körperverletzung nur dann feststellen ließe, wenn die Klägerin die von ihr behauptete HWS-Distorsion beweisen könnte. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass auch die von der Zeugin W. bekundeten starken Nacken-und Kopfschmerzen als Primärverletzung in Betracht kommen können, und deshalb Feststellungen dazu unterlassen, ob diese Schmerzen unfallbedingt waren und zur Arbeitsunfähigkeit der Zeugin W. geführt haben.“ (BGH Urteil vom 23.6.2020 – VI ZR 435/19)

Mit anderen Worten: Die HWS-Distorsion steht zwar nicht fest. Es genügt aber, dass der Geschädigte das Gericht davon überzeugt, dass er starke Schmerzen hatte. Primärverletzungen sind eben die starken Nacken. Und Kopfschmerzen.

Hintergrund des Prozesses war eine Arbeitgeberregressklage, so dass die eigentliche Geschädigte als Zeugin vernommen wurde. Für den Geschädigten, der selbst auf Schmerzensgeld klagt, gilt aber das gleiche. Es muss in Zukunft verstärkt darauf gedrängt werden, das Gericht, vor allem mittels informatorischer Anhörung oder Parteivernehmung des Geschädigten dazu zu bewegen, sich – auch ohne Gutachten – von dem Vorhandensein entsprechender Schmerzsymptome zu überzeugen.

Lesenswert zum Thema „richterliche Überzeugung vom Vorliegen eines HWS-Schleudertraumas“: OLG Saarbrücken Urt. v. 28.2.2013 – 4 U 587/10.

Die Begutachtungen in den Schleudertrauma-Fällen sind ein großes Ärgernis. Sie verschlingen Unsummen an Geldern der Versichertengemeinschaft und zudem sind sie für die Geschädigten, die Monate nach einem Unfall noch ärztlich „untersucht“ werden sollen, belastend.

 

BGH zur Verweisung auf eine günstigere Werkstatt – Zeitpunktfrage geklärt!

Seit Jahren ist es, infolge der VW-Entscheidung des BGH (Urt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09), ständige Regulierungspraxis bei der sogenannten fiktiven Abrechnung:

Der Geschädigte möchte sein Fahrzeug nicht oder günstiger als im Haftpflichtgutachten berechnet reparieren. Er rechnet  fiktiv ab und beansprucht die Reparaturkosten netto gemäß des von ihm vorgelegten Haftpflichtgutachtens. Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers kürzt den Anspruch, indem er dem Geschädigten einen sogenannten Prüfbericht zusendet. Häufig werden die Kürzungen darauf gestützt, dass die Reparatur in einer vom Haftpflichtversicherer benannten Werkstatt, sog. Verweiswerkstatt, günstiger sei als im Gutachten berechnet.

Bezüglich der Zulässigkeit des Verweises stellen sich viele Fragen. Häufig in der Praxis nicht beachtet, wird, dass sich auch in dieser Verweiswerkstatt regelmäßig die Preise ändern. Viele telefonische Nachfragen der letzten Jahre haben in meiner Praxis gezeigt, dass die Stundenverrechnungssätze im Prüfgutachten falsch waren und nicht selten wurden Preisaufschläge auf die Ersatzteile erhoben, die ebenfalls zu Unrecht gekürzt worden waren.

Ein spezielles Problem dieser Verweisproblematik hat der BGH nun geklärt und zwar die Frage, welcher Zeitpunkt für die Reparaturkostenberechnung in der Verweiswerkstatt maßgeblich ist.

Beispiel: Unfallzeitpunkt soll der 19.11.2019 sein. Der Geschädigte legt Ende November 2019 ein Gutachten vor, welches Reparaturkosten netto von 4.000,00 Euro ausweist. Der Prüfbericht mit Benennung der Verweiswerkstatt wird am 15.12.2019 vorgelegt. Der Verweis soll in diesem Beispiel zulässig sein. Der Versicherer kürzt die Reparaturkosten wegen der günstigeren Stundenverrechnungssätze (= „Stundenlöhne“) netto um 500,00 Euro und überweist dem Geschädigten 3.500,00 Euro. Zum 1.1.2020 erhöht die Verweiswerkstatt ihre Stundenverrechnungssätze. Auf Basis der Stundenverrechnungssätze, die ab dem 1.1.2020 gelten, ergeben sich Reparaturkosten in der Verweiswerkstatt von 4.500,00 Euro, also 500,00 Euro mehr als im Gutachten ausgewiesen.

Mitte Januar 2020 erhebt der Geschädigte Klage. Am 1.1.2021 erhöht die Verweiswerkstatt erneut die Stundenlöhne. Es ergeben sich ab dem 1.1.2021 sogar 4.700,00 Euro Reparaturkosten. Die letzte mündliche Verhandlung vorm Amtsgericht findet am 20.1.2021 statt. Das Fahrzeug hat der Geschädigte nicht repariert.

Das LG Saarbrücken hat in der Vorinstanz auf den Zeitpunkt des Unfalls abgestellt. Somit wäre die Berechnung des Versicherers korrekt und der Geschädigte müsste sich den Abzug vonn 500,00 Euro gefallen lasen. Anders der BGH:

„Wie im Ausgangspunkt vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, ist der materiell-rechtlich maßgebliche Zeitpunkt für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs in Geld …

der Zeitpunkt, in dem dem Geschädigten das volle wirtschaftliche Äquivalent für das beschädigte Recht zufließt, also der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung. …Verfahrensrechtlich ist, wenn noch nicht vollständig erfüllt ist, der prozessual letztmögliche Beurteilungszeitpunkt, regelmäßig also der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, maßgeblich. … Diese Grundsätze dienen in erster Linie dem Schutz des Gläubigers gegen eine verzögerte Ersatzleistung des Schuldners. Zusätzliche Schäden und eine Verteuerung der Wiederherstellungskosten vor vollständiger Erfüllung, etwa durch Preissteigerungen, gehen deshalb in der Regel zu dessen Lasten. (BGH, Urt. v. 18.2.2020 – VI ZR 115/19)

Im Beispielsfalle müsste das Gericht dem Geschädigten also 4.700,00 Euro zusprechen.

Rechts vor links und trotzdem Mitschuld?

Unter dieser Überschrift möchte ich heute einige praxisrelevante Konstellationen vorstellen, in denen der Vorfahrtsberechtigte trotz Rechts vor Links mithaftet. Grundsätzlich gilt bei einem Vorfahrtsverstoß des Wartepflichtigen ein Anscheinsbeweis für sein Verschulden. Geregelt ist das in § 8 Absatz 1 der StVO:

„An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt.“ Das gilt jedenfalls dann, wenn keine besondere Vorfahrtsregelung vorliegt.

In der Regel kommt es zu einer 100 %-igen Haftung des Wartepflichtigen.

Aber: Die Ausnahme bestätigt die Regel.

Es gibt auch Konstellationen, in denen der Vorfahrtberechtigte mithaftet. Es wird dann eine Haftungsquote gebildet.

Typische Fälle, bei denen es zu einer Mithaftung des Vorfahrtberechtigten kommen kann, sind (nicht abschließend):

  1. Der sogenannte Vorfahrtsverzicht

Eine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten kommt dann in Betracht, wenn er dem Wartepflichtigen gegenüber den Anschein erweckt hat, er werde von seinem Vorfahrtsrecht keinen Gebrauch machen. Die Anforderungen an einen solchen Vorfahrtsverzicht sind sehr hoch. Der Wartepflichtige muss darlegen und beweisen, dass der Vorfahrtberechtigte ihm durch sein Verhalten bedeutet hat, er werde anhalten oder ihn passieren lassen. Hierfür genügt es beispielsweise nicht, dass der Vorfahrtberechtigte langsam gefahren ist der seine Geschwindigkeit verringert hat.

  1. Irreführendes Blinken

Wie aus dieser Bezeichnung ersichtlich sein dürfte, handelt es sich hierbei um Fallgestaltungen, in denen der Vorfahrtberechtigte links blinkt, dann aber dennoch geradeaus weiterfährt. Diesen Fällen ist zunächst eins gemein, nämlich, dass der Wartepflichtige den Vollbeweis erbringen muss, dass der  Unfallgegner tatsächlich geblinkt hat. Das gelingt nur im Einzelfall, beispielsweise wenn die Polizei das bei der Unfallaufnahme vermerkt hat oder es der Vorfahrtberechtigte einräumt.

Steht fest, dass geblinkt wurde, führt das für sich alleine betrachtet allerdings noch immer nicht zu einer Mithaftung des Vorfahrtberechtigten. Vielmehr gilt hier:

Will der Wartepflichtige an einer Kreuzung in eine Vorfahrtsstraße einbiegen, darf er nur dann darauf vertrauen, dass der Vorfahrtberechtigte seinerseits abbiegen will, wenn dieser blinkt und zusätzlich die Annäherungsgeschwindigkeit deutlich und erkennbar herabsetzt oder zweifelsfrei mit dem Abbiegen bereits begonnen hat.

  1. Geschwindigkeitsüberschreitung

Häufiger anzutreffen, ist die Argumentaton des Wartepflichtigen, der Vorfahrtsberechtigte sei „viel zu schnell gefahren“.

In dieser Fallgruppe geht es meist im ersten Schritt darum, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung des Vorfahrtsberechtigten überhaupt bewiesen werden kann oder nicht. Die Beweislast trifft den Wartepflichtigen. Der Beweis kann durch ein unfallanalytisches Gutachten geführt werden.

Ergibt dieses, eine Geschwindigkeitsüberschreitung, dann kann diese unter mehreren Gesichtspunkten zu einer Mithaftung des Vorfahrtberechtigten führen.

Nicht übersehen werde darf, dass sich die Geschwindigkeitsüberschreitung kausal auf den Unfall ausgewirkt haben muss. Falsch ist es daher, pauschal zu behaupten, ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von x Prozent liege eine Mithaftung vor.  Hervorzuheben ist hier die Fallgruppe, in denen die überhöhte Geschwindigkeit dazu führt, dass das vorfahrtberechtigte Fahrzeug überhaupt nicht rechtzeitig vorm Einfahrvorgang des Wartepflichtigen erkannt werden konnte.

Tendenziell erhöht sich die Mithaftungsquote mit der prozentualen Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit. Beispiele:

Für eine 100 %-ige Haftung des Vorfahrtsberechtigten bei 30 bis 40 km/h Übrschreitung innerorts bei erlaubten 50 km/h: OLG Hamm DAR 01, 362.

50 %-ige Haftungsverteilung bei 28 km/h Überschreitung innerorts: OLG Köln OLGR 96,210.

50 % bei 55 km/h Überschrietung bei erlaubten 0 km/h: OLG Zweibrücken DAR 00,312.

  1. Die sogenannte halbe Vorfahrt

Das Thema halbe Vorfahrt setzt sich erst nach und nach bei den Versicherern durch und wird immer noch sehr selten eingewandt, obgleich es hierzu bereits  viele Entscheidungen  gibt.

Ist eine Kreuzung innerorts schlecht überschaubar, muss der Vorfahrtberechtigte sich selbst nach rechts vergewissern, ob sich von dort ein ihm gegenüber vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug nähert. Gegebenenfalls muss er hierfür auch die Geschwindigkeit verringern. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass hierdurch auch der eigentlich Wartepflichtige, der von links kommt, geschützt ist.

BGH entscheidet zu Gunsten der Geschädigten bei Vorschadensproblematik

Der Bundesgerichtshof hat in einem wegweisenden Beschluss von ganz erheblicher praktischer Bedeutung der bisher wohl herrschenden Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte (z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 8.4.2016 – I-9 U 79/15) eine deutliche Absage erteilt. Er hat die Anforderungen an die Darlegung eines Vorschadens durch den Geschädigten deutlich reduziert, indem er in weitem Umfang den Zeugenbeweis für zulässig erklärt hat. Damit hat er sich in einer für die Geschädigten oft unverschuldeten und misslichen Lage auf deren Seite gestellt. Eine sehr begrüßenswerte Entscheidung.

Worum geht es? Die Vorschadensproblematik beim Verkehrsunfall!

Das Problem stellt sich vor allem bei älteren Fahrzeugen, die der Geschädigte als Gebrauchtfahrzeug erworben hat. Fahrzeuge aus zweiter, dritter Hand etc..

Definitionen

Altschaden = unreparierter vorangegangener Unfallschaden
Vorschaden = reparierter vorangegangener Unfallschaden

Beispiel:

A erwirbt einen 5 Jahre alten BMW X1 von privat. Beide verwenden einen Mustervertrag aus dem Internet für einen Privatverkauf gebrauchter PKW, der auch einen Gewährleistungsausschluss enthält. Der Verkäufer teilt A mündlich mit, er habe keinen Unfall mit dem PKW, den er selbst gebraucht gekauft habe, gehabt. A geht auch davon aus, dass das Fahrzeug keinen Unfall hatte, denn es ist kein Vor- oder Altschaden erkennbar. Das Fahrzeug sieht einwandfrei aus.

A erleidet mit dem PKW einen unverschuldeten Unfall. Der Kfz-Haftpflichtversicher (H) des Schädigers ist dem Grunde nach eintrittspflichtig. Darüber besteht auch kein Streit.

A lässt sein Fahrzeug begutachten, reicht das Gutachten bei H ein und beziffert seine Schäden. Es ist nach den Ausführungen des Sachverständigen ein Totalschaden. Den Wiederbeschaffungswert – Wert unmittelbar vor dem Unfall – gibt der Sachverständige mit 20.000,00 Euro an.

H prüft das Gutachten und gibt das Fahrzeug in sein Hinweis- und Informationssystem (HIS) ein. Dort werden bestimmte Daten zu Unfällen gespeichert. Es ergibt sich, dass das Fahrzeug vor dem Verkauf an A einen Verkehrsunfall hatte. Mithin hat es einen Vorschaden. Wie der H mitteilt, handelt es sich um einen gravierenden Vorschaden.

H verweigert aus diesem Grund die Zahlung, bestreitet den Wiedebeschaffungswert und fordert den A auf, darzulegen, welche Vorschäden am Fahrzeug vorhanden waren und  ob und wie diese repariert wurden.

Unstreitig und nach wie vor ständige Rechtsprechung ist und wird es bleiben, dass es Sache des Geschädigten ist, die Schadenshöhe nachzuweisen. Wenig zweifelhaft ist es weiterhin, dass ein solcher Vorschaden erheblichen Einfluss auf den Wert des Fahrzeugs vor dem Unfall (Wiederbeschaffungswert) haben kann.

Klar ist daher, dass A nun erstmal die A-Karte gezogen hat, denn er muss den Wiederbeschaffungswert schlüssig darlegen. Also muss er auch darlegen, ob und wie sich der Vorschaden, der in seinem Gutachten nicht erwähnt ist, ausgewirkt hat.

Fraglich ist, wie detailliert diese Darlegungen sein müssen und welche Anforderungen an die Beweisführung zu stellen sind.

Bisher waren die Oberlandesgerichte gegenüber den Geschädigten in solchen Fällen äußerst streng. Die Anforderungen an die Darlegungen zum Vorschaden, vor allem an die durchgeführten Reparaturarbeiten waren kaum einzuhalten.

Insbesondere ließen die Gerichte Zeugenbewiese, beispielsweise zum Zustand des Fahrzeugs vor dem Unfall, zu den durchgeführten Reparaturarbeiten etc. häufig nicht zu und schmetterten solche Zeugenbeweisanträge als unsubstantiiert oder als sog. unzulässige Beweisausforschungsanträge ab. Die Rechtsfolge ist für die Geschädigten bitter. Denn sie verlieren nicht nur vollständig den Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens sondern bleiben darüber hinaus auch auf den Kosten des Gutachtens sitzen.

Diese ausufernde Rechtsprechung hat der BGH nun erst einmal ausgebremst, indem er klargestellt hat:

„Behauptet der Geschädigte eines Verkehrsunfalles, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und den beschädigten Pkw in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann ihm nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich nicht gehindert, die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Darin liegt weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis.“ (BGH, Beschl. v. 15.10.2019 – VI ZR 377/18)

Damit ist der restriktiven Rechtsprechung der Untergerichte Einhalt geboten. Zukünftig muss in sehr weitem Umfang Zeugenbeweisanträge zum Zustand des Fahrzeuges und zu den Reparaturarbeiten am Fahrzeug nachgegangen werden. Denn der BGH konkretisiert zu Gunsten des Geschädigten die Anforderungen, die an einen Beweisantritt zu stellen sind wie folgt:

„Gemäß § 373 ZPO hat die Partei, die die Vernehmung eines Zeugen beantragen will, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die dieser vernommen werden soll. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptung habe. Wie weit eine Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, hängt von ihrem Kenntnisstand ab (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1988 – IVa ZR 67/87, NJW-RR 1988, 1529, juris Rn. 8). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Anerkanntermaßen ist jedoch bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (Senatsurteil vom 25. April 1999 – VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111, juris Rn. 13; BGH, Urteile vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159, juris Rn. 40; 7. Februar 2019 – III ZR 498/16, NJW 2019, 1137 Rn. 37; jeweils mwN).“ (BGH a. a. O.)

Auffahrunfall, Unfallregulierung, Fachanwalt für Verkehrsrecht

50:50 bei Auffahrunfall wegen grundloser Vollbremsung (LG Saarbrücken)

Das Landgericht Saarbrücken hat entschieden, dass der Vorausfahrende zu 50 % mithaftet, wenn er grundlos stark abbremst (LG Saarbrücken, Urt. v. 14.10.2019 – 13 S 69/19).

Die maßgebliche Regelung findet sich im Absatz 1 Satz 1 und 2 des § 4 StVO:

Absatz 1

„Satz 1: Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.

Satz 2: Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.“

Die rechtliche Einordnung eines grundlosen Abbremsvorganges wird von Gerichten unterschiedlich vorgenommen. Zunächst ist es wichtig, zwischen einer Bremsung aus verkehrsbedingtem Anlass und einer grundlosen Bremsung zu unterscheiden. Wer aus einem verkehrsbedingten Anlass heraus, beispielsweise wegen kreuzenden Verkehrs oder Personen auf der Fahrbahn, bremst, der bremst nicht ohne zwingenden Grund, so dass kein Verstoß gegen § 4 Absatz 1 Satz 2 StVO vorliegt.

Der Auffahrende haftet in einem solchen Fall grundsätzlich voll. Er hat gegen § 4 Absatz 1 Satz 1 StVO verstoßen. Satz 1, also das Abstandsgebot, begründet einen Anscheinsbeweis. Es wird vermutet, dass der Auffahrende den Unfall verschuldet hat.

Bei einem grundlosen, scharfen Bremsvorgang oder einer grundlosen Vollbremsung des Vordermannes, ist unter den Gerichten streitig, ob hierdurch der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden bereits erschüttert ist oder nicht. Das Landgericht Saarbrücken vertritt die Position, dass es grundsätzlich beim Anscheinsbeweis bleibt, aber auf der Ebene des Mitverschuldens die Vollbremsung berücksichtigt werden muss. Im vorliegenden Fall führte das zu einer hälftigen Haftungsverteilung.

Praxishinweis: „Der Auffahrende ist immer Schuld“, ist eine weit verbreitete Fehlmeinung. Tatsächlich sind die Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Beweislastverteilung maßgeblich. Fährt ein Fahrzeug auf ein anderes auf, was bereits objektiv feststehen muss (Kollisionspunkt etc.), dann gilt zunächst der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden. Dieser besagt zunächst, dass der Auffahrende  den Unfall vollumfänglich verschuldet hat und alleine haftet. Die Betriebsgefahr des Vorausfahrenden tritt zurück. Der Anscheinsbeweis ist im Einzelfall aber erschütterbar. Gelingt dies nicht, ist es immer noch möglich, im Rahmen der Haftungsabwägung bewiesenes Verschulden des Vordermannes in die Haftung einzustellen. So hat es das Landgericht in diesem konkreten Fall gelöst.

Im Übrigen bleibt es dabei:

Eine Schadensabwicklung ohne Rechtsanwalt ist fahrlässig! (OLG Frankfurt)

OLG Frankfurt: Schadensabwicklung ohne Rechtsanwalt ist fahrlässig!

 

OLG Saarbrücken: Auch beim Reißverschlussverfahren spricht der Anscheinsbeweis gegen den Spurwechsler

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden:

„Ereignet sich ein Unfall im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem
Fahrstreifenwechsel, spricht auch beim Reißverschlussverfahren der
Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes, unfallursächliches Verhalten des
Spurwechslers.“

OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.8.2019 – 4 U 18/19

Der Entscheidung liegt ein Unfall auf der Autobahnauffahrt
Wilhelm-Heinrich-Brücke in Fahrtrichtung Mannheim zugrunde.

Diese Zufahrtstraße verfügt über zwei Beschleunigungsstreifen,
die sich am Ende auf eine Spur verengen, welche auf die Autobahn führt. Die
rechte Fahrspur endet durch eine schraffierte Sperrfläche. Die rechte Fahrspur
mündet also in die linke Fahrspur. Die linke Fahrspur führt auf die Autobahn.

Der Kläger fuhr auf der rechten Fahrspur. Die beklagte
Fahrerin des gegnerischen Unfallfahrzeuges fuhr auf der linken Fahrspur. Zwischen
den Fahrzeugen kam es zu einem Zusammenstoß, wobei das klägerische Fahrzeug
hinten links und das Beklagtenfahrzeug vorne rechts beschädigt wurde.

Die Unfalldarstellungen der Parteien wichen voneinander ab.
Der Kläger behauptete, er habe die Spur vollständig gewechselt und die Beklagte
sei ihm nach mehreren Sekunden von hinten aufgefahren. Somit berief sich der
Kläger auf den Anscheinsbeweis, des Auffahrens durch die Beklagte.

Die Beklagte behauptete, der Kläger habe sie rechts überholt
und habe dann unmittelbar vor ihr die Spur gewechselt und gebremst. Ein rechtzeitiges
Bremsen sei ihr nicht mehr möglich gewesen.

Somit lag ein Klassiker vor: „Spurwechsel vs. Auffahrunfall“.

Grundsätzlich hat sich der Bundesgerichtshof zu dieser
Konstellation bereits geäußert:

Im vom BGH entschiedenen Fall obsiegte der Fahrer, der sich
auf das Auffahren des andren Fahrers berufen hatte. Das ergab sich aus der Tatsache,
dass der Spurwechsel nicht beweisen werden konnte.

Der Sachverhalt, über den das OLG Saarbrücken zu entscheiden hatte, ist aber dadurch geprägt, dass der Spurwechsel unstreitig war. Fraglich war also, ob die Kollision noch im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel stand oder nicht.

Das OLG Saarbrücken bestätigte das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken, welches die Klage abgewiesen hatte. Es führt aus:

„Der rechtliche Zusammenhang zwischen dem Spurwechsel und dem Auffahren ist noch
nicht unterbrochen, wenn sich der Unfall ereignet, nachdem sich der
Fahrstreifenwechsler etwa fünf Sekunden im Fahrstreifen des Auffahrenden
befunden hat. Diese Grundsätze gelten auch für einen Spurwechsel im Reißverschlussverfahren. … Der auf dem durchgehenden
Fahrstreifen Fahrende hat grundsätzlich Vortritt. Wer bei Reißverschlussbildung die
Spur wechselt, darf nicht darauf vertrauen, dass ihm dies ermöglicht wird.“

OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.8.2019 – 4 U 18/19

Eine Mithaftung des Auffahrenden kommt in einer solchen Konstellation nur in Betracht, wenn ihm ein Verschulden nachzuweisen ist. Nach dem OLG ist das beispielsweise dann der Fall, wenn er den Spurwechsel erkennen konnte, die Geschwindigkeit aber trotzdem nicht herabgesetzt hat oder wenn er sonst falsch reagiert hat. Diese Umstände müssen aber unstreitig oder bewiesen sein. Das war bei vorliegender Sache aber gerade nicht der Fall.

Dass gerade die Konstellation „Spurwechsel vs. Auffahrunfall“ höchst problematisch ist, ist bekannt. Auf meiner Homepage finden Sie weitere Beiträge zu diesem Thema.

OLG Celle – Regulierungsfrist 6 Wochen! Auf Einsicht in die Behördenakte kommt es nicht an!

Man hat das Gefühl, es wird immer länger. Das OLG Frankfurt hat im Februar letzten Jahres  entschieden, dass die Prüfungsfrist für Kfz-Haftpflichtversicherer maximal 4 Wochen beträgt.

Nach der Rechtsprechung des LG Saarbrücken und des OLG Saarbrücken sind ebenfalls regelmäßig 4 bis 6 Wochen anzunehmen.

Das OLG Celle hat nun in einem Kostenbeschluss von einer angemessenen Regulierungsfrist von 6 Wochen gesprochen. Der Beschluss liest sich, als ginge das OLG Celle generell davon aus, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer sechs Wochen Zeit zur Anspruchsprüfung hat, also sozusagen mindestens 6 Wochen Prüfungsfrist einzuräumen sind.

Gleichzeitig stellt das OLG Celle aber noch einmal klar, was ständige Rechtsprechung ist und hoffentlich auch bleiben wird:

„Ein Verzug der Haftpflichtversicherung nach Ablauf der angemessenen Prüfungsfrist von 6 Wochen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese bis zu jenem Zeitpunkt noch keine Einsicht in die Ermittlungsakten hat nehmen können.“

OLG Celle, Beschl. v. 18.9.2013 – 3 W 46/13

Hierbei handelt es sich um eine ständige Argumentation der Versicherer, die einfach nicht tot zu kriegen ist. „Wir warten die Einsicht in die Behördenakte ab“. Das kann man ja machen, muss dann aber damit rechnen, dass man die Kosten des Rechtsstreits tragen muss, auch wenn man nach Einreichung der Klage dann doch noch reguliert.

„Denn der Haftpflichtversicherer kann sich über seinen Versicherungsnehmer bzw. evtl. mitversicherte Personen über den Sachverhalt unterrichten. Die Entscheidung der Eintrittspflicht von einer vorherigen Einsicht in die Ermittlungsakten abhängig zu machen, ist grundsätzlich nicht geboten bzw. erforderlich, zumal mit einer Akteneinsicht erfahrungsgemäß oft erst nach Monaten zu rechnen ist und ein entsprechendes Zuwarten den berechtigten Interessen des Geschädigten an einer raschen Regulierung zuwiderlaufen würde (OLG Dresden, Beschl. v. 29.06.2009, 7 U 499/09, zitiert nach Juris-Rn. 15).“

OLG Celle a. a. O.

Fazit:

Nicht begrüßenswert ist, dass das OLG Celle – jedenfalls scheinbar – davon ausgeht, dass grundsätzlich eine Prüffrist von 6 Wochen besteht. Das ist vor allem dann höchst problematisch für die Geschädigten eines Verkehrsunfalls, wenn das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit und verkehrssicher ist und ein Mietwagen angemietet werden muss. Denn letztlich positionieren sich die Versicherer ja nicht selten so, dass dem Geschädigten auch die Dauer der Mietwagenanmietung angelastet wird. Er muss dann die Reparatur oder Ersatzbeschaffung vorfinanzieren oder darlegen, warum er das – gegebenenfalls auch unter Inanspruchnahme eines Kredits – nicht konnte.

An diesem Punkt sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Prüfungsfrist überhaupt erst beginnt, wenn der Geschädigte dem Versicherer den Schaden durch Gutachten oder bebilderten Kostenvoranschlag nachgewiesen hat, eine nachvollziehbare Unfallschilderung und eine spezifizierte Schadensaufstellung vorliegt.

Ansonsten passiert häufig – leider aus Sicht der Versicherer zu Recht – gar nichts, da es weder Sache des Versicherers ist, den Unfallhergang darzulegen noch den Schaden zu ermitteln.

Um es mit den Worten des OLG Frankfurt auszudrücken:

“Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln.”

OLG Frankfurt, Urteil vom 2.12.2014 – 22 U 171/13

OLG Düsseldorf spricht für 110 Tage Nutzungsausfall 4.730 Euro Entschädigung zu

Das OLG Düsseldorf hat einem Geschädigten eines Verkehrsunfalls für einen Ausfallzeitraum von 110 Tagen (ca. 4 ½ Monate) Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 43,00 Euro pro Ausfalltag zugesprochen. Das entspricht einem Gesamtbetrag von 4.730,00 Euro.

Kann ein Geschädigter trotz Nutzungswille und Nutzungsmöglichkeit sein Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen, erhält er für jeden Ausfalltag eine Geldentschädigung. Die Höhe des Tagessatzes bestimmt sich dabei nach dem Fahrzeugtyp. Nutzungsausfallentschädigung kann für Zeiträume, in denen ein Mietwagen genommen wird, nicht beansprucht werden. Für diese Zeiträume werden die Mietwagenkosten ersetzt.

Die Dauer des Ausfallzeitraumes muss der Geschädigte wegen der Schadenminderungspflicht natürlich geringhalten. Unproblematisch ist der Zeitraum, bis das vom Geschädigten beauftragte Gutachten vorliegt, sofern der Begutachtungsauftrag unverzüglich erteilt wird und das Gutachten innerhalb weniger Tage vorliegt. Hinzuzurechnen ist, je nach Einzelfall, noch ein Überlegungszeitraum von drei bis vier Tagen. Danach sollte der Geschädigte entscheiden, wie er mit dem Fahrzeug verfahren möchte bzw. sich darum kümmern, dass er schnellstmöglich wieder einen fahrbaren Untersatz erhält. Sprich der Geschädigte muss, sobald er das Gutachten in angemessener Zeit geprüft hat, die Schadensbeseitigung betreiben.

Was aber, wenn der Geschädigte hierzu finanziell gar nicht in der Lage ist und der Haftpflichtversicherer keine Zahlungen leistet?

Über einen solchen Fall hatte das OLG Düsseldorf zu entscheiden. Es führt aus:

„Seine finanzielle Leistungsfähigkeit ist dagegen der eigentlichen Schadensbeseitigung und damit auch dem Gegenstand der gutachterlichen Schätzung vorgelagert. Der Geschädigte kann den Reparaturauftrag erst erteilen, wenn er in der Lage ist, die Reparaturkosten zu begleichen. Ebenso kann er vernünftigerweise erst bestellen und kaufen, wenn er die Mittel dazu hat. Kann der Geschädigte also glaubhaft machen, dass er die Schadensregulierung aus finanziellen Gründen nicht betreiben konnte und aus diesem Grund auch in dieser Zeit auf ein Fahrzeug verzichten musste, so steht ihm auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung zu.“

OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2019 -1 U 115/18

Dazu muss noch angemerkt werden, dass an die Darlegung der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit regelmäßig hohe Anforderungen von Seiten der Gerichte gestellt werden. Unter anderem wird gefordert, dass der Geschädigte beweist, dass er nicht kreditwürdig war, also zur Vorfinanzierung der Reparatur oder des Ersatzfahrzeuges keinen Kredit erhalten hat.

Vor allem aber ist es erforderlich, dass der Haftpflichtversicherer frühzeitig, bestenfalls mit der Schadenmeldung, darüber informiert wird, dass das Fahrzeug dringend benötigt wird und keine Möglichkeit der Vorfinanzierung besteht.

Im konkreten Fall hat der Kläger seine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit aber nach Auffassung des Gerichts ausreichend dargelegt.

Das Urteil bestätigt im Übrigen die ständige Rechtsprechung, wonach Nutzungsausfallentschädigung auch bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis (sog. Fiktive Abrechnung) zu zahlen ist.

LG Darmstadt: Fiktive Abrechnung von Unfallschäden unzulässig!

Das Landgericht Darmstadt hat – in Abkehr zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – die fiktive Abrechnung eines Unfallschadens („Abrechnung nach Gutachten“) für unzulässig erklärt.

Hintergrund ist die gängige und auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fußende Praxis, einen Unfallschaden anhand eines Haftpflichtgutachtens fiktiv abzurechnen. Das funktioniert dann so, dass der Geschädigte die im Gutachten ausgewiesenen, geschätzten Reparaturkosten ohne Umsatzsteuer erhält und das Fahrzeug billiger oder gar nicht repariert. Gerade bei älteren Fahrzeugen, bei denen eine vollumfängliche Reparatur in einer Fachwerkstatt keinen Sinn macht, macht der Geschädigte auf diesem Wege sozusagen „einen guten Schnitt“. Das ist gängige Regulierungspraxis.

Das LG Darmstadt hat diese Abrechungsmethode nun für unzulässig erklärt:

Entgegen der Auffassung des BGH (VII ZR 46/17, Urteil vom 22.02.2018) erstreckt sich die dort entschiedene Aufgabe der Zulässigkeit des sogenannten fiktiven Schadensersatzes auf Gutachtenbasis auf sämtliche Sachschadensfälle und damit sowohl auf kauf- oder mietrechtliche Gewährleistung als auch deliktische Ansprüche. (LG Darmstadt, Urt. v. 24.10.2018 – 23 O 356/179)

Das Urteil finden Sie im Volltext hier:

LG Darmstadt – Urt. v. 24.10.2018 – 23 O 356/17

Hintergrund ist, dass der BGH mit Urteil vom 22.2.2018 – VII ZR 46/17 seine ständige Rechtsprechung im Bereich des Baurechts aufgegeben und für diesen Bereich die fiktive Schadensabrechnung untersagt hat. Das war eine bahnbrechende Entscheidung mit erheblicher Tragweite, weshalb ich Sie damals auch auf meiner Facebookseite verlinkt habe. Hier der Link zum Artikel der LTO zum Urteil des BGH:

LTO – BGH ver­bietet fik­tive Scha­dens­kosten im Werk­ver­trags­recht

Das LG Darmstadt hat nun die Anwendbarkeit auf Schadensersatzansprüche „jedweder Art“ erklärt und begründet dies wie folgt:

Die Kammer bleibt bei ihrer in dem Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass die vom BGH mit Urteil vom 22.02.2018(1) für den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch im Bereich von Werkverträgen aufgegebene Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Basis nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt ist, sondern Schadensersatzansprüche jedweder Art erfasst, gleich, ob es sich um gewährleistungsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche handelt oder um solche aus der Beschädigung von Sachen oder Personen und gleich, auf welchem rechtlichen Grund sie beruhen.(2)

Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass der VII. BGH-Senat selbst ausdrücklich erklärt hat, er sehe diese Aufgabe seiner Rechtsprechung den Besonderheiten des Werkvertragsrechts geschuldet und zugleich auf diesen Anwendungsbereich beschränkt.(3) Die Interpretation der fraglichen Entscheidung des BGH lässt indes keine plausible und dogmatisch begründbare Beschränkung der Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes auf werkvertragliche Konstellationen erkennen. Soweit der VII. Zivilsenat das in seiner Entscheidung postuliert, dient dies offenkundig allein der Rechtfertigung des Umstandes, dass es zuvor keine Anfrage bei dem V. und VIII. Zivilsenat gegeben hat und eine im Widerspruchsfall an sich nach § 132 II GVG gebotene Vorlage dieser Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen unterblieben ist.(4)

Das erkennende Gericht ist zu der rechtlichen Überzeugung gelangt, dass die in jeder Hinsicht zu begrüßende Aufgabe der fiktiven Schadensberechnung schon aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung auf das gesamte Schadensersatzrecht zu übertragen und überdies aufgrund erheblicher Möglichkeiten des Missbrauchs dies auch rechtspolitisch geboten ist. (LG Darmstadt, a. a. O.)

Ich rechne nicht wirklich damit, dass der BGH diese Auffassung teilen wird. Allerdings muss ich in der gebotenen Ehrlichkeit sagen, dass ich die Entscheidung für absolut schlüssig, richtig und gerecht halte. Es ist überhaupt nicht verständlich, weshalb der geschädigte Auftraggeber eines Bauwerkes nicht mehr fiktiv abrechnen darf, während der Unfallgeschädigte das weiterhin darf.

Und um es ganz klar zu sagen: Genau das, was im Baurecht passiert, nämlich dass sich Bauherren durch fiktive Schadensabrechnungen zu Lasten der Bauunternehmer den Sack voll machen und ihren Bau finanzieren, passiert bei Unfällen ebenfalls. Und das Gleiche gilt – in noch viel gravierender Weise – im Bereich der Fahrzeugreparaturverträge und auch im Bereich des Fahrzeugkaufs.

Ich würde mir im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wünschen, dass der BGH die fiktive Schadensabrechnung insgesamgt für unzulässig erklärt.

Spurwechsel vs. Auffahrunfall und Bedeutung einer Zeugenaussage im Prozess – OLG München

Die Situation ist ein Klassiker im Bereich der Unfallregulierung.

Es kommt zu einem Unfall. Einer der am Unfall beteiligten Fahrer – Fahrer A – behauptet, der andere sei ihm von hinten aufgefahren. Der andere Fahrer – Fahrer B – trägt einen Spurwechsel des Vordermannes vor.

Das Oberlandesgericht München hat nun zu Gunsten des Fahrers B, der den Spurwechsel behauptet hatte, entschieden. Es hat ihm 100 %-igen Schadensersatz zugesprochen, weil der Anscheinsbeweis des Spurwechsels greife, nicht aber der Anscheinsbeweis des Auffahrens.

Zusammengefasst hat der Spurwechsler vorliegend den Prozess verloren, weil das unfallanalytische Sachverständigengutachten seine Unfalldarstellung ausschließen konnte. Es lag ein seitlicher Anstoß vor.  Zudem war die Zeugenaussage widersprüchlich.

Die Leitsätze des Urteils:

1. Steht die Kollision zweier Kraftfahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Wechsel des Fahrstreifens, so spricht der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Fahrstreifenwechsler gelten, wobei die Haftungsabwägung regelmäßig zu dessen Alleinhaftung führt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

2. Wer mit seinem Kraftfahrzeug auf ein vorausfahrendes oder vor ihm stehendes Kraftfahrzeug auffährt, hat den Anscheinsbeweis gegen sich, wonach er entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hat, mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder falsch reagiert hat. Eine bloße Teilüberdeckung der Fahrzeugschäden an Heck und Front lässt nicht auf einen atypischen Geschehensablauf schließen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

3. Der Aussage eines Zeugen kommt keine zwingende prozessrechtliche Priorität vor der Anhörung einer Partei im Rahmen des § 141 ZPO oder auch nur dem Prozessvertrag der anderen Seite zu (vgl. BGH BeckRS 9998, 165994). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz) (OLG München, Urt. v. 13.7.2018 – 10 U 1856/17)

Das Urteil finden Sie im Volltext hier:

OLG München, Endurteil v. 13.07.2018 – 10 U 1856/17

Grundsätzlich hat sich der Bundesgerichtshof zur Beweislastverteilung in seinem Urteil vom  13.12.2016 – VI ZR 32/16 – geäußert:

Das Urteil des Oberlandesgerichts München ist aber nicht nur wegen der überzeugenden Ausführungen zur Haftungsverteilung bzw. zum Durchgreifen des Anscheinsbeweises – in diesem Falle gegen den Spurwechsler – lesenswert.

Es räumt auch gründlich mit der weit verbreiteten Fehlvorstellung auf, dass derjenige, der „einen Zeugen hat“, den Prozess gewinnt. Diese immer noch vielfach von Mandanten geäußerte Auffassung ist falsch.

Und das gilt nicht nur, wenn sich der Zeuge, wie im Falle des OLG München, widersprüchlich äußert. Gerade bei einem Verkehrsunfall ist zu beachten, dass die Parteien in der Regel informatorisch angehört und im Einzelfall gegebenenfalls auch als Partei vernommen werden.

Das OLG München stellt diesbezüglich noch einmal unzweifelhaft klar:

Der Aussage eines Zeugen kommt keine zwingende prozessrechtliche Priorität vor der Anhörung einer Partei im Rahmen des § 141 ZPO oder auch nur dem Prozessvertrag der anderen Seite zu (vgl. BGH BeckRS 9998, 165994). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz) (OLG München a. a. O.)

Folge ist übrigens, dass bei streitigem Unfallhergang fast ausnahmslos verkehrsunfallanalytische Gutachten eingeholt werden.

Sofortiger Restwertverkauf: OLG Braunschweig widerspricht dem Bundesgerichtshof

Das OLG Braunschweig hält sich nicht an die Rechtsprechung des BGH zum Restwertverkauf. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30.1.2018 klargestellt, dass sich der Geschädigte eines Verkehrsunfalls auf die Restwertermittlung des von ihm beauftragten Sachverständigen verlassen darf. Der BGH hat klargestellt, dass das beschädigte Fahrzeug sofort zum ermittelten Restwert verkauft werden kann. Der Geschädigte sei weder gehalten, den gegnerischen Haftpflichtversicherer vorab zu informieren noch müsse er abwarten, bis der Versicherer eigene Restwertgebote eingeholt oder eine Stellungnahme zum Restwert abgegeben habe.

Das haben auch die für mein Tätigkeitsgebiet maßgeblichen Landgerichte seit längerem so gesehen:

LG Kaiserslautern – Sofortverkauf zum Restwert

LG Saarbrücken – Sofortiger Restwertverkauf

Das OLG Braunschweig wendet sich nun überraschender Weise mit seinem Urteil vom 30.1.2018 – 7 U 3/17 – gegen den Standpunkt des BGH. Es vertritt die Ansicht, der Geschädigte müsse den gegnerischen Haftpflichtversicherer vorab informieren, dass er das Fahrzeug schnell verkaufen müsse, weil er zur Ersatzbeschaffung auf das Geld angewiesen sei. Er müsse dem Versicherer die Gelegenheit geben, seine Zahlungsschwierigkeiten anderweitig zu beheben.

Dieses Urteil widerspricht eklatant der eindeutigen Rechtsprechung des BGH.

Zudem ist es praxisfremd.

Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass Versicherer zur Vermeidung eines Restwertverkaufs durch den Geschädigten dazu übergehen werden, diesem sofort den auf den Restwert entfallenden Betrag vorzufinanzieren. Das ist abwegig. Bevor der Haftpflichtversicherer überhaupt eine Zahlung leistet, vergehen in der Regel mehrere Wochen. Ohne Klärung des Sachverhalts, insbesondere, wenn die Schadenmeldung des eigenen Versicherungsnehmers fehlt, wird ohnehin nicht gezahlt. Das Thema „Regulierungsfrist“, über das ich bereits mehrmals berichtet habe, ist nicht ohne Grund sehr umstritten. Mit anderen Worten: Wenn der Haftpflichtversicherrer noch nicht beurteilen kann, ob er überhaupt zur Zahlung verpflichtet ist, wird er wohl kaum den Restwert vorschießen.
Noch einmal zum Thema Regulierungsfrist:

OLG Frankfurt: Maximal 4 Wochen Regulierungsfrist für den Kfz-Haftpflichtversicherer

Hintergrund der ganzen Restwertproblematik ist, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer den Restwert, den der Restwertkäufer zahlen muss, eben einspart. Von daher sind die Haftpflichtversicherer bemüht, eigene Restwertangebote vorzulegen. Leider entstammen diese häufig nicht dem regionalen Markt. Das bedeutet für den Geschädigten, dass er sich mit einem Restwertkäufer, der meist mehrere hundert Kilometer weit entfernt sitzt, auseinandersetzen muss.

Der BGH hat bereits in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass überregionale Gebote aus Internetrestwertbörsen unbeachtlich sind, wenn der Geschädigte regionale Gebote erhalten hat.

Nach wie vor empfiehlt es sich, sich auf die Restwertermittlung des Sachverständigen zu verlassen und das Fahrzeug zum vom eigenen Sachverständigen ermittelten Restwert auf dem regionalen Markt zu verkaufen.

Es ist absehbar, dass die Kfz-Haftpflichtversicherer sich auf das Ihnen günstige Urteil des OLG Braunschweig berufen werden.

Lassen Sie sich das nicht gefallen!

Im Falle eines unverschuldeten Unfalls sind die Kosten des eigenen Anwalts vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu ersetzen. Meine Beauftragung ist für Sie also kostenlos. Kontaktieren Sie mich sofort nach einem Verkehrsunfall!

OLG Frankfurt: Maximal 4 Wochen Regulierungsfrist für Kfz-Haftpflichtversicherer!

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden:

1. Der Geschädigte kann nach Vorlage des Anspruchsschreibens erwarten, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung kurzfristig mitteilt, ob, inwieweit und wie lange eine Prüfung stattfindet.
2. Die Dauer der Prüffrist ist von der Lage des Einzelfalls abhängig, beträgt in der Regel aber maximal vier Wochen. (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschl. v. 06.02.2018 – 22 W 2/18)

Die Entscheidung ist hier veröffentlicht:

OLG Frankfurt, Beschl. v. 06.02.2018 – 22 W 2/18

Kürzlich hat das Landgericht Saarbrücken noch einmal klargestellt, dass die Regulierungsfrist bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall vier bis sechs Wochen beträgt. Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass die Regulierungsfrist erst beginnt, wenn der Haftpflichtversicherer ordnungsgemäß vom Geschädigten in die Lage versetzt wird, dessen Ansprüche nach Grund und Höhe zu prüfen.

Fristbeginn ist also nicht der Unfall selbst, wie viele Geschädigte, die sich an mich wenden, zu meinen scheinen. Ich verweise zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße „Inverzugsetzung“ noch einmal auf die Ausführungen des Landgerichts Saarbrücken, die ich in diesem Artikel bereits zusammengefasst habe:

OLG Saarbrücken zur Unfallregulierung: Wann gerät der gegnerische Haftpflichtversicherer in Verzug?

Dass der Geschädigte Herr des Regulierungsgeschehens ist, bedeutet eben auch, dass er die Regulierung betreiben muss. Dass das gar nicht so einfach ist, hat das OLG Frankfurt übrigens prägnant mit Urteil vom 2.12.2014 – 22 U 171/13 festgestellt:

Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln. (Hervorh. d. Unterz.)

Wenn Sie unverschuldet einen Unfall erleiden, werden Ihre Rechtsanwaltskosten vom gegnerischen Haftpflichtversicherer übernommen. Ich rate Ihnen daher:

Eiern Sie nicht rum! Rufen Sie mich nach einem Unfall sofort kostenlos und unverbindlich an!

Das ist besser, als monatelang auf die Regulierung zu warten, nur um dann festzustellen, dass der Haftpflichtversicherer von Ihnen nicht ordnungsgemäß in Verzug gesetzt wurde.

AG München: Keine 280-Euro-Gutachten für die HUK-Coburg Versicherung

Die HUK-Coburg Versicherung ist in jüngster Zeit dazu übergegangen, Geschädigte nach einem Verkehrsunfall anzuschreiben und diesen anzubieten, ein Haftpflichtgutachten für 280,00 € erstellen zu lassen. Ferner wird ein Sachverständigenverbund genannt, dessen Mitglieder bereit sein sollen, für den genannten Betrag ein Haftpflichtgutachten zu erstellen.

Gleichzeitig wird mitgeteilt, dass die Nichtannahme dieses freundlichen Angebotes einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht darstelle. Jedenfalls dann, wenn der Geschädigte für ein eigenes Haftpflichtgutachten mehr als 280,00 € aufwenden sollte, seien diese nicht zu erstatten.

Das Amtsgericht München hat dieser merkwürdigen Rechtsauffassung der HUK-Coburg Versicherung die zu erwartende, glasklare Absage erteilt:

Vielmehr stand es der Klägerin frei, einen eigenen Sachverständigen zu beauftragen. Dabei war sie auch nicht auf die Sachverständigen aus dem von der Beklagtenseite genannten Sachverständigenbund … beschränkt. Vielmehr ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens.
Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung grundsätzlich frei (vgl. BGH, Urt. V. 29.04.2003, Az. VI ZR 393/02). Er darf zur Schadensbehebung grundsätzlich den Weg wählen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH, Urt. V. 18.01.2005, Az. VI ZR 73/04).

Daraus ergibt sich zwanglos, dass die Geschädigte das Recht zur freien Wahl eines Sachverständigen ihres Vertrauens hat und sich nicht auf von der Beklagtenseite vorgeschlagene Sachverständige – auch nicht aus einem Sachverständigenverbund – verweisen lassen muss. Dies gilt gerade bei der Auswahl eines Sachverständigen umso mehr, als das Sachverständigengutachten den Geschädigten erst in die Lage versetzt, seinen Schaden der Höhe und dem Umfang nach sinnvoll geltend zu machen.

Der gesamte Anspruch auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall steht und fällt für den Geschädigten mit dem erholten Schadensgutachten und dessen Vertrauenswürdigkeit.

Dieses grundlegende Recht des Geschädigten würde weitgehend entwertet, wenn er sich auf von seinem Schädiger benannte Sachverständige, zur Feststellung seines Schadens verweisen lassen müsste. (AG München Urt. v. 18.8.2017 – 322 C 12124/17)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Leistungsfreiheit des Vollkaskoversicherers wegen verspäteter Schadenmeldung

Das Oberlandesgericht Hamm hat ausgeurteilt, dass ein Versicherungsnehmer, der vorsätzlich gegen die Obliegenheit, einen Schaden binnen Wochenfrist beim Vollkaskoversicherer zu melden, verstößt, seinen Anspruch auf Leistung aus der Vollkaskoversicherung verliert (OLG Hamm, Beschl. v. 21.6.2017 – 20 U 42/17).

Der Kläger hatte als (vermeintlich) Geschädigter eines Verkehrsunfalls den Unfall erst etwa 6 Monate nach dem Unfallzeitpunkt bei seinem Vollkaskoversicherer gemeldet. § 28 II S. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) stellt den Versicherer im Falle einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei. In den Bedingungen der Vollkaskoversicherer (AKB) ist geregelt, dass ein Vollkaskoschaden binnen Wochenfrist nach Schadenseintritt zu melden ist.

Leistungsfreiheit tritt aber nur ein, wenn der Versicherungsnehmer diese Frist vorsätzlich verletzt. Zu den Anforderungen an ein vorsätzliches Verhalten führt das OLG Hamm aus:

„Eine vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer die Verhaltensnorm, aus der die Obliegenheit folgt, positiv kennt. Insoweit genügt bedingter Vorsatz, der nach allgemeinen Regeln vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg ausbleiben werde.“ (OLG Hamm a. a. O.)

Dabei hat der Versicherer zu beweisen, dass auf Seiten des Versicherungsnehmers Vorsatz vorliegt. Dem Kläger fiel im konkreten Fall zur Last, dass er nicht abgestritten hat, Kenntnis von der Pflicht zur Schadenmeldung gehabt zu haben. Er hat lediglich bestritten, Kenntnis von der Wochenfrist gehabt zu haben. Das hat das OLG Hamm wie folgt gewürdigt:

Der Kläger stellt aber nicht in Abrede, dass er seine Obliegenheit zur Schadenmeldung als solche kannte.

Damit war ihm auch bewusst, dass er den Schaden zumindest zeitnah, insbesondere vor der Reparatur des Fahrzeugs zu melden hatte. Denn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wie der Kläger erkennt, dass die Obliegenheit zur Schadenmeldung dem Versicherer eine möglichst unmittelbare Überprüfung seiner Leistungspflicht ermöglichen soll, die nach längerem Zeitablauf und insbesondere bei einer Beseitigung der geltend gemachten Unfallschäden zumindest in Frage gestellt sein kann. Die Obliegenheit zur Wahrung der Wochenfrist enthält so als minus die Verpflichtung zur zeitnahen Schadenanzeige, die allgemein bekannt ist.

Im konkreten Fall war zudem das Fahrzeug im Zeitpunkt der Schadenmeldung bereits seit Monaten repariert, so dass letztlich auch das Recht des Vollkaskoversicherers zur Fahrzeugbegutachtung vereitelt wurde.

Für die Praxis ist dieses Urteil zu Lasten der Versicherungsnehmer zum einen nicht überraschend zum anderen aber auch nicht so beschwerend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Längst nicht jeder Versicherungsnehmer, der den Schaden nicht binnen Wochenfrist meldet, verliert seinen Anspruch. Liegt eine verspätete Schadenmeldung vor, so muss der Versicherer zunächst den Vorsatz, also die Kenntnis von der Anzeigepflicht, beweisen. Sodann bleibt dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit offen, darzulegen und zu beweisen, dass die verspätete Schadenmeldung keine Auswirkungen auf das Regulierungsverhalten hat, was beispielsweise bei ordnungsgemäßer Dokumentation des Schadens durch ein Haftpflichtgutachten, das unmittelbar nach dem Schaden eingeholt wurde, gelingen kann.

Es empfiehlt sich dringend, bei jeder Unfallregulierung, insbesondere aber, wenn eine Mithaftung des Versicherungsnehmers in Betracht kommt, den eigenen Vollkaskoversicherer zu informieren und ihm anheimzustellen, das Fahrzeug zu begutachten. Die Geltendmachung von Vollkaskoansprüchen kann man sich dabei vorbehalten, für den Fall, dass die Regulierung mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer scheitert.

BGH zu Auffahrunfall und Spurwechsel

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, der sehr häufig, gerade auf Bundesautobahnen, vorkommt. Es kommt zu einem Auffahrunfall auf der Überholspur. Der Auffahrende behauptet, der Vordermann habe vor ihm abgebremst und sei unvermittelt auf seine Spur hinübergezogen. Der Vorausfahrende behauptet, es habe keinen Spurwechsel gegeben.

Fraglich und sehr umstritten ist nun, wer in dieser Konstellation was zu beweisen hat. Klar ist, dass der Auffahrvorgang für sich betrachtet, einen Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden begründet, so auch noch einmal ausdrücklich der BGH im ersten Leitsatz des Urteils:

a) Bei Auffahrunfällen kann, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat ( § 4 Abs. 1 StVO ), unaufmerksam war ( § 1 StVO ) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist ( § 3 Abs. 1 StVO ) (Fortführung Senatsurteil vom 13. Dezember 2011 – VI ZR 177/10 , BGHZ 192, 84 Rn. 7 ).

(BGH Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16)

Allerdings ist dieser Anscheinsbeweis nicht in Stein gemeißelt, sondern widerlegbar (Leitsatz 2):

b) Der Auffahrunfall reicht als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises aber dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen (Fortführung Senatsurteil vom 13. Dezember 2011, aaO).

(BGH Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16)

Ein solcher Umstand, und das ist allgemein anerkannt, stellt ein in engem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang durchgeführter Spurwechsel des Vorausfahrenden dar. Zurück zum Ausgangsfall: Der Hintermann behauptete ja gerade einen solchen Spurwechsel des Vordermannes. Dieser wiederum bestritt, dass es überhaupt einen Spurwechsel gab. Muss nun also der Hintermann den Spurwechsel des Vordermannes beweisen oder muss der Vordermann beweisen, dass er die Spur nicht gewechselt hat. Hierzu führt der BGH in Leitsatz 3 aus:

c) Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

(BGH Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16)

Im Ergebnis haftete der Auffahrende daher vollumfänglich.

Anmerkung: In dem Fall, den der BGH entschieden hat, stand fest, dass auch tatsächlich ein Auffahrunfall vorlag. Mithin war bewiesen, dass das hinten fahrende Fahrzeug von hinten auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren war. Bei Auffahrunfällen und behaupteten Spurwechseln ist nach wie vor eine Einzelfallbetrachtung angezeigt. Steht beispielsweise nicht fest, dass es sich um einen Auffahrvorgang gehandelt hat, weil etwa der Schaden am Fahrzeug des Auffahrenden seitlich entstanden ist, kommen auch andere Prozessergebnisse in Betracht.

OLG Hamm zum Schuldanerkenntnis am Unfallort

Nicht selten kommt es vor, dass mir Mandanten bei der Erstbesprechung mitteilen: „Die Sache ist ganz klar. Der andere hat nach dem Unfall alles zugegeben. Er hat selbst gesagt, er sei Schuld.“.

In solchen und ähnlichen Erklärungen sehen viele Unfallbeteiligte ein Schuldanerkenntnis, das jegliche Haftungsfrage im Keim erstickt.

Und das ist grob falsch!

Zum einen, und das kann nicht oft genug hervorgehoben werden, bindet ein – wie auch immer geartetes – „Anerkenntis am Unfallort“ den Kfz-Haftpflichtversicherer nicht. Übrigens darf ein solches Anerkenntnis versicherungsrechtlich schon nicht abgegeben werden.

Zum anderen bedarf es, um wenigstens den Unfallgegner in dem Sinne zu binden, dass die Haftung ihm gegenüber damit festehen könnte, eines sogenannten deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Der Unfallgegner muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er für die konkrete eingetretenen Rechtsfolgen einstehen will und zwar gerade unabhängig von der Frage des Verschuldens.

Das ist unmittelbar bei einem Unfall praktisch nie der Fall, da es den Beteiligten meistens darum geht, den Unfallhergang zu fixieren.

Im vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall wurde folgende Erklärung von den Beteiligten, die es offenkundig besonders genau machen wollten, nach dem Unfall niedergeschrieben, mit einer Skizze versehen und unterschrieben:

„KFZ A befand sich mit eingeschaltetem Fahrtrichtungsanzeiger im Abbiegevorgang. KFZ B beginnt ein Überholmanöver und trifft KFZ A in der Fahrertür. KFZ B trifft das Verkehrsschild und kommt nach mehreren Metern zum Stehen. Fahrzeugführer von KFZ B gesteht ein in KFZ A hinein gefahren zu sein und den Unfall verursacht zu haben.“

In Bezug auf das vermeintliche Anerkenntnis im letzten Satz führt das OLG Hamm aus:

„Dem letzten Satz der Erklärung kann schließlich auch nicht etwa ein mit Rechtsbindungswillen abgegebenes deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1) entnommen werden. Die Annahme eines solchen Anerkenntnisses liegt bei einer vor Ort abgegebenen Erklärung, welche sich nicht auf konkrete Rechtsfolgen, sondern auf den tatsächlichen Hergang bezieht, von vornherein fern …“

(OLG Hamm Urt. v. 15.1.2016 – 9 U 30/15)

Bleibt die Frage: Was ist ein solches „Anerkenntis am Unfallort“ dann überhaupt Wert?

Nun, es kann vom Gericht zumindest als starkes Indiz für den tatsächlichen Hergang des Unfalls gewertet werden. Das aber auch nur, wenn es beweisbar abgegeben wurde. Die Beweisführung bereitet aber naturgemäß Probleme, wenn beispielsweise keine schriftliche Fixierung – wie im Fall des OLG Hamm – erfolgt ist oder die Erklärung nicht vor Zeugen (z.B. der Polizei) abgegeben wurde.

Zudem herrscht bei den Beteiligten oft gänzliche Unklarheit darüber, welche Rechtsfolge ein bestimmter Unfallhergang zeitigt.

Wer also meint, er bekomme auf keinen Fall Probleme bei der Unfallregulierung, weil der Unfallgegner ihm gegenüber irgendwelche Erklärungen abgegeben hat, der irrt. Wie man sich nach einem Unfall verhalten sollte, habe ich in einem Infoblatt zusammengefasst. Auch ein Unfallfragebogen für das Handschuhfach ist beigefügt. Zum Downloaden und Ausdrucken:

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/wp-content/uploads/2013/10/VerhaltenAmUnfallortMitEUBogen1.pdf

 

Halbe Vorfahrt bei rechts vor links – Haftungsverteilung beim Verkehrsunfall

Ein wenig bekanntes Rechtsinstitut ist die sogenannte „halbe Vorfahrt“.

Die Situation ist Folgende:

An einer Kreuzung, an der keine Vorfahrtsregelung durch Verkehrsschilder angeordnet ist, gilt grundsätzlich rechts vor links. Das sollte jedem Autofahrer klar sein. Der von rechts kommende Fahrer hat also Vorfahrt. Kommt es nun zum Unfall, sollte man meinen, der von links kommende Fahrer hafte vollumfänglich, da er die Vorfahrt des von rechts kommenden Fahrzeugs eben missachtet hat.

Allerdings verhält es sich häufig so, dass gerade innerorts, wo diese Unfälle in der Regel stattfinden, im Bereich von solchen Kreuzungen Sichthindernisse durch die Bebauung bestehen. Kann der von rechts kommende Fahrer nicht von weitem in die aus seiner Sicht von rechts kommende und daher bevorrechtigte Straße einsehen, muss er sich langsam an den Kreuzungsbereich herantasten. Er muss ja gegebenenfalls selbst einem von rechts kommenden Fahrzeug die Vorfahrt gewähren.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass hiervon auch das aus der untergeordneten, also von links kommende Fahrzeug geschützt ist.

Rechtsfolge ist die Bildung einer Haftungsquote. In der Regel ist eine 25 % – ige Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten angemessen.

Haftungsverteilung beim Verkehrsunfall: Linksabbieger und Überholer

Anlässlich des Eintreffens der aktuellen Auflage des Werkes „Schadensverteilung bei Verkehrsunfällen – Rechtsprechungssammlung mit Skizzen und Haftungsgrundlagen“ (Paul Kuhn, 9. Auflage 2016) habe ich mich entschlossen, eine neue Beitragsreihe zu diesem  Thema zu gründen.

Die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall ist für den Laien meines Erachtens ein Buch mit sieben Siegeln. Zudem werden grundsätzliche Begriffe, allen voran der Begriff des Anscheinsbeweises, häufig fehlinterpretiert („Wer auffährt, ist immer schuld.“).

Die Haftungsverteilung ist bei jedem einzelnen Verkehrsunfall anhand des konkreten Geschehensablaufs zu beurteilen. Die in der Reihe „Haftungsverteilung“ dargestellten Fälle sind beispielhafte Einzelfälle. Zur besseren Veranschaulichung und völligen Verwirrung des Lesers werde ich gelegentlich, so auch nachfolgend, widerstreitende Urteile zitierten. Dies soll das Verständnis dafür fördern, wie wichtig eine einzelfallbezogene Betrachtung ist.

Direkt zur ersten Fallkonstellation:

Abbiegen – Kollision mit Linksüberholer

Ein Fahrer der beim Linksabbiegen in ein Grundstück ein ihn gerade auf der linken Spur überholendes Fahrzeug übersieht, haftet zu 50 %. Dem Abbieger ist eine Mithaftung vorzuwerfen, weil er gegen die Verpflichtung zur zweiten Rückschau verstoßen und den Überholer übersehen hat. Der Überholer haftet ebenfalls zu 50 % wegen Überholens bei unklarer Verkehrslage. (OLG Karlsruhe r+s 1988, 71)

Demgegenüber nimmt das OLG Saarbrücken eine Alleinhaftung des Abbiegenden an, der sich nicht rechtzeitig in die Abbiegespur eingeordnet hat.

In einer weiteren Entscheidung kommt das OLG Saarbrücken zu einer Haftungsverteilung von 75 : 25 zu Lasten des Abbiegenden. In diesem Fall hatte der Abbiegende zwar weder seine Bereitschaft zum Abbiegen – etwa durch Einordnen in die Fahrbahnmitte oder durch Setzen des linken Blinkers – angezeigt, allerdings hatte er seine Geschwindigkeit erheblich verlangsamt und ein Stück weit nach rechts ausgeschert. Das OLG Saarbrücken wirft dem Überholer in dieser Konstellation vor, dass er sich auf das Verhalten des Vordermanns hätte einstellen müssen und nicht überholen dürfen. Daher hält es eine Mithaftung des Überholenden wegen unklarer Verkehrslage begründet.

OLG Nürnberg: Der Abbieger haftet zu 100 %, da für den Überholer keine unklare Verkehrslage bestand. Grund: Der Abbieger konnte nicht nachweisen, dass er geblinkt hatte.

OLG Celle: Der Abbiegende darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Vorausfahrende, der sich auf einer Geradeausspur befindet, auch geradeaus fährt und nicht abbiegt. Haftung des Abbiegenden: 100 %.

Ersatz für das Restbenzin beim Totalschaden

Aus gegebenem Anlass, weil ich gerade mal wieder vor Gericht mit einem namentlich nicht näher benannten Versicherer darum streite:

Im Totalschadensfall hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des Wertes des im Tank verbliebenen Restbenzins. Jedenfalls haben das mehrere Gerichte so ausgeurteilt (z.B.: LG Kiel, Urteil vom 19.07.2012 – Az: 13 O 60/12). Im Totalschadensfall ist das Auto – wie auch immer – letztlich weg; sei es durch Verkauf an einen Restwerthändler oder durch Verschrottung. Damit ist auch das im Tank verbliebene Benzin weg.

Möglicher Weise kann man auch eine andere Rechtsansicht vertreten, beispielsweise, das Restbenzin müsse beim Verkauf des Fahrzeugs beim Kaufpreis berücksichtigt werden. Das halte ich zwar für hart an der Grenze des Erträglichen angesiedelt, da meines Erachtens noch kein Restwertkäufer auf die Idee gekommen ist, nachzufragen, wie viel Benzin im Tank sei. Das wäre aber wohl gerade noch vertretbar.

Auf keinen Fall kann man nach meinem Dafürhalten dagegen ernsthaft der Ansicht sein, der Geschädigte müsse das Restbenzin abpumpen. Eben darauf will besagter Versicherer aber meinen Mandanten verweisen. Er sei wegen der Schadensgeringhaltungspflicht dazu verpflichtet gewesen, das Benzin vor Verschrottung des Fahrzeugs aus dem Tank zu entfernen, meint die HUK-Coburg Versicherung (ohhh … jetzt ist mir der Name doch rausgerutscht). Es ist die HUK-Coburg Versicherung.

Als Rechtsanwalt unterliege ich (leider) dem Sachlichkeitsgebot. Ich darf also meine Schriftsätze nicht so verfassen, wie ich das manchmal gerne möchte. So ein Klageverfahren wäre sicher für alle Beteiligten – auch das Gericht – viel lustiger und interessanter, wenn man mal wirklich sagen könnte, was man so von einigen Argumentationen hält, darf man aber nicht. Deshalb habe ich im laufenden Rechtsstreit nur auf die hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen verwiesen. Dürfte ich schreiben, was ich will, würde ich Folgendes erwidern:

„Leider waren die 27 Benzinabsaugvorrichtungen, die sich der Kläger höchst vorsorglich bereits vor Jahren für solche Fälle angeschafft hat, gerade allesamt nicht greifbar, da er sie an andere Geschädigte aus seinem Bekanntenkreis verliehen hat, so dass sich leider die Frage stellt, wie er das Benzin rein tatsächlich hätte absaugen sollen.

Ersichtlich stünde es aus Kostengründen außer Verhältnis, hiermit einen der zahlreich am Markt auftretenden und auf den Bereich Benzinabsaugung spezialisierten Betriebe der „Saug-, Blas- und Abpumpbranche“ zu beauftragen. Ich denke nicht, dass ein solches Unternehmen für die hier eingeklagten 30,00 € (Anmerkung: Wert des Restbenzins) tätig werden würde. Vielleicht hat die Beklagte aber auch einen auf Absaugarbeiten spezialisierten Partnerbetrieb oder hätte im Sinne des von ihr propagierten Schadensmanagements einen Mitarbeiter ihrer örtlichen Niederlassung vorbeischicken können zwecks Vornahme einer ordnungsgemäßen Absaugung beim Kläger und zwar nach allen Regeln der Kunst. Nur leider ist dem Kläger derartiges nicht in Aussicht gestellt worden.

Sollte sich das so verhalten, empfehle ich der Beklagten die Aufnahme eines Textbausteines in ihr erstes Anschreiben an einen Anspruchsteller nach einem Verkehrsunfall:

„Bitte prüfen Sie im Totalschadensfall sorgfältig, ob sich in Ihrem Tank noch Restbenzin befindet! Sollte dies der Fall sein, informieren Sie uns umgehend noch vor Verkauf des Fahrzeugs. Gerne schicken wir Ihnen einen Mitarbeiter unserer Partnerbetriebe des Sauggewerbes oder einen Sachbearbeiter unserer örtlichen Filiale vorbei. Unsere Partnerbetriebe und Mitarbeiter saugen für Sie ab. Professionell! Sie müssen sich um nichts kümmern! Wir stellen sogar den Schlauch und den Benzinkanister kostenlos zur Verfügung.“

Mit anderen Worten: Die einzige Möglichkeit für den Kläger, das Benzin abzupumpen, wäre es gewesen, sich einen Schlauch und einen Kanister zu kaufen, was vermutlich mehr gekostet hätte als das Restbenzin wert war, den Schlauch gefühlvoll in den Tank einzuführen, zu saugen, was die Backen hergeben, bis ihm die erste Ladung in den Mund spritzt, weil das Auto in der Regel nicht Bescheid sagt, wann es kommt … das Benzin … und das spritzende Saugende des Schlauches sofort in den Kanister einzuführen, so dass sich die volle Ladung dann in den Kanister – und hoffentlich nicht auf dem Gesicht oder Grundstück des Klägers – entleert hätte.

Dass er sich dabei die Atemwege verätzen, die Umwelt ernsthaft schädigen und sich eine Strafanzeige zuziehen könnte, ganz abgesehen davon, wie man sich bei so einem Saugvorgang vorkommen müsste und anschließend riechen würde, wäre dann aber wahrscheinlich ebenfalls aus Gründen der Schadenminderungspflicht in Kauf zu nehmen.“


Das kann ich aber nicht schreiben, weil es dann der Kollege von der Gegenseite an die Rechtsanwaltskammer schicken könnte. Ist generell schon so eine Sache in letzter Zeit … man muss höllisch aufpassen, was man so von sich gibt in diesen Tagen …

OLG München: Fahrplan zum Ersatz der Sachverständigenkosten

Das OLG München hat in einem Rechtsstreit um die Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten einen Hinweisbeschluss für die Parteien erlassen, der sich wie ein Leitfaden für die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten liest.

Beauftragt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls einen Gutachter mit der Ermittlung des Fahrzeugschadens, so kommt es häufig zu Streit mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer um die Erstattungspflicht der Kosten dieses Gutachtens. Immer häufiger wenden die Versicherer ein, die Sachverständigenkosten seien überhöht und daher nur teilweise zu ersetzen.

Die bisher ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs haben leider nicht die erhoffte Klarheit in dieser umstrittene Thematik gebracht. Das OLG München macht nun einen Schritt nach vorne und konkretisiert unter welchen Voraussetzungen Sachverständigenkosten noch angemessen und vom  Haftpflichtversicherer zu ersetzen sind.

Zunächst stellt das OLG München klar, dass seines Erachtens die Bagatellgrenze bei einem Fahrzeugschaden von 750,00 € liegt. Liegt der Fahrzeugschaden darunter, soll die Beauftragung eines Sachverständigen nicht erforderlich sein. Hierzu ist nach meinem Dafürhalten anzumerken, dass es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass die fehlende Höhe des Schadens (bzw. das Unterschreiten der Bagatellgrenze) für den Geschädigten, auch wenn er Laie ist, erkennbar sein muss. Die Bagatellgrenze dürfte daher in den allerwenigsten Fällen unterschritten werden.

Das OLG München stellt weiterhin fest, dass unübliche Sachverständigengebühren nicht zu ersetzen sind, der Geschädigte aber Probleme bei der Beurteilung der üblichen Sachverständigenhonorare hat. Es erlegt dem Sachverständigen, dessen Gebührenhöhe über dem üblichen Satz liegt, auf, spätestens in der Kostenrechnung auf diesen Umstand hinzuweisen. Erfolgt eine solche Aufklärung, kann sich der Geschädigte gegenüber dem Haftpflichtversicherer nicht mehr darauf berufen, er habe nicht erkennen können, dass unübliche Sätze verlangt werden. Unterbleibt die Aufklärung, kann der Geschädigte vom Haftpflichtversicherer die Erstattung der vollen  Sachverständigengebühren verlangen, muss aber im Gegenzug seinen Rückforderungsanspruch gegen den Sachverständigen an den Haftpflichtversicherer abtreten. Das ist für den juristischen Laien ganz sicher unverständlich, heißt aber einfach ausgedrückt: Der Versicherer muss zwar an den Geschädigten voll zahlen, kann dann aber wegen der Differenz gegen den Sachverständigen vorgehen. Damit verlagert das OLG den Rechtsstreit dorthin, wi er hingehört, nämlich zwischen den Haftpflichtversicherer und den Sachverständigen. Das macht auch Sinn. denn hat der Sachverständige den Geschädigten über eventuell überhöhte Kosten, die der Haftpflichtversicherer nicht tragen muss, nicht informiert, soll es auch nicht am Geschädigten hängenbleiben, wenn der Versicherer (wenn auch im Einzefall zu Recht) kürzt.

Es folgen sodann sehr lesenswerte Ausführungen des OLG München zur korrekten Aufstellung einer Kostenrechnung für Sachverständige. Das OLG hält die BVSK-Tabelle (Tabelle des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.) für eine geeignete Grundlage zur Bestimmung der üblichen Vergütung.

Auch zu den Nebenkosten äußert es sich im Einzelnen und sehr detailliert.

Den Hinweisbeschluss finden Sachverständige im Volltext zur weiteren Verwendung hier:

OLG München – Hinweisbeschluss 10 U 579/15

OLG Karlsruhe – Kein Verweis auf 22 km entfernte Werkstatt

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Beschluss vom 28.7.2015 – 1 U 135/14 – klargestellt, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer einen Geschädigten nicht auf die Stundenlöhne einer Werkstatt verweisen darf, die 22 km entfernt liegt.

Hintergrund ist der permanente Streit zwischen Haftpflichtversicherer und Geschädigten, welche Stundenverrechnungssätze, insbesondere bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis, einschlägig sind.

Näheres dazu in meinem Video:

KG Berlin: Kein Ersatz des Fahrzeugschadens bei unzureichenden Angaben zu einem Vorschaden

Das Kammergericht hat entschieden, dass der Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens vollständig entfällt, wenn der Geschädigte einen Vorschaden nicht angibt oder hierzu unzureichende Angaben macht.

Damit ließ das Kammergericht (KG) einen Geschädigten vollständig im Regen stehen, obwohl der Wiederbeschaffungswert von 8.500,00 € sogar unstreitig war.

In der Praxis der Unfallregulierung sollte zunehmend darauf geachtet werden, dass eingereichte Privatgutachten des Geschädigten auch hinreichende und nachvollziehbare Aussagen über etwaig vorhandene Vorschäden sowie deren Auswirkungen auf den Wiederbeschaffungswert enthalten.

Nach dieser Rechtsprechung, die einer Überprüfung durch den Bundesgerichtshof allerdings kaum standhalten dürfte, kann es sonst passieren, dass der Geschädigte leer ausgeht.

Parken im verkehrsberuhigten Bereich – Wer haftet bei Unfall?

Das Landgericht Saarbrücken hatte in seinem Urteil vom 1.4.2015 – 13 S 165/14 – über einen Unfall im verkehrsberuhigten Bereich zu entscheiden. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger hatte seinen PKW im verkehrsberuhigten Bereich geparkt. Hier gilt das durch Zeichen 325.1 angeordnete Parkverbot:

325

„Wer ein Fahrzeug führt, darf außerhalb der dafür gekennzeichneten Flächen nicht parken, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen und zum Be- oder Entladen.“

Der mitverklagte Fahrer des Beklagtenfahrzeugs befuhr mit einem Sattelschlepper den verkehrsberuhigten Bereich und stieß beim Einscheren mit dem geparkten Fahrzeug des Klägers zusammen. Der Kläger machte 100 % seines Schadens beim Haftpflichtversicherer geltend. Der Haftpflichtversicherer zahlte aber nur einen Teil und berief sich auf ein Mitverschulden des Klägers, da dieser eben gegen das Parkverbot verstoßen habe. Er wies die Ansprüche des Klägersals teilweise unbegründet zurück.

Das Landgericht Saarbrücken gab dem Kläger Recht.

Es führt aus, dass das Parkverbot im verkehrsberuhigten Bereich dem Schutz spielender Kinder und Fußgänger diene. Durch die Anordnung eines verkehrsberuhigten Bereiches solle die gesamte Straße als Kommunikationsraum und Bewegungsraum für Fußgänger und spielende Kinder nutzbar und der Fahrzeugverkehr zurückgedrängt werden.

Dieses Parkverbot diene daher gerade nicht der Verhinderung einer Fahrbahnverengung durch parkende Fahrzeuge und damit nicht dem Schutz der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Da der Schutzbereich der Vorschrift nicht berührt werde, trete auch keine Mithaftung des Klägers ein. Der Kläger erhielt seinen vollen Schaden ersetzt.

Das gilt natürlich nicht für alle Park- und Halteverbote.

Unfallregulierung: Auffahren auf Abbieger – Wer haftet?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte über eine in der Praxis gar nicht so seltene Konstellation zu entscheiden. Der Vordermann will in ein Grundstück abbiegen, der Hintermann fährt aus Unachtsamkeit auf.

Wie allgemein bekannt sein dürfte, gilt gegen den Auffahrenden grundsätzlich der sogenannte Anscheinsbeweis. Das heißt, wer einem anderen auffährt, gilt zunächst als der Verursacher des Unfalls. Denn es wird vermutet, dass er entweder den erforderlichen Abstand nicht eingehalten hat oder unaufmerksam gefahren ist.

Nun gilt aber, was eher weniger geläufig ist, auch beim Ein- und Ausfahren in ein Grundstück der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Ein- und Ausfahrenden.

Man könnte auch sagen: Es treffen sich zwei Anscheinsbeweise.

Wer ist denn jetzt schuld?

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urt. v. 23.6.2015, I-U 107/14) trifft den Auffahrenden das volle Verschulden. Gegen ihn soll weiterhin der Anscheinsbeweis gelten, der durch den Abbiegevorgang des Vordermannes nicht erschüttert wird. Anders sieht das allerdings das Landgericht Saarbrücken (Urt. v. 21.11.2014 – 13 S 138/14), das in einem ähnlich gelagerten Fall eine Haftungsquote (Mitverschulden beider Fahrer) angenommen hat.

Darauf hinzuweisen ist, dass jeder Einzelfall anders liegt und seine Besonderheiten aufweist, die einer gründlichen Auswertung bedürfen. Entsprechender Sachvortrag bereits in der Unfallmeldung, ist unerlässlich. Gleiches gilt natürlich für eine etwaige Klagebegründung oder Klageerwiderung.

OLG Frankfurt: Schadensabwicklung ohne Rechtsanwalt ist fahrlässig!

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 2.12.2014 – 22 U 171/13 – festgestellt:

„Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Haftungsverteilung beim Parkplatzunfall

Es ist ein Massenproblem. Unfälle auf Parkplätzen beschäftigen die Gerichte jährlich in zigtausenden von Fällen mit unterschiedlichen Sachverhalten.
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte eine Fallkonstellation zu entscheiden, die sehr häufig vorkommt:

Ein Unfallbeteiligter fährt auf der Mittelgasse, ein anderer Unfallbeteiligter parkt rückwärts in Richtung Mittelgasse aus. Es kommt zur Kollission.
Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass es bei einer 100 % – igen Haftung des rückwärts Ausparkenden bleibt, wenn dem auf der Mittelgasse fahrenden Fahrer kein Verschulden (unangepasste Geschwindigkeit) nachzuweisen ist.
Parkplatzunfälle sind, obgleich sie ein Massenphänomen darstellen, immer Einzelfälle, die der genauen Herausarbeitung des Sachverhalts bedürfen.

Sofortverkauf zum Restwert

Das Landgericht Kaiserslautern hat entschieden, dass ein Geschädigter berechtigt ist, sein Fahrzeug zu dem Restwert, den der von ihm beauftragte Sachverständige ermittelt hat, zu verkaufen, bevor der Haftpflichtversicherer sein eigenes Restwertangebot unterbreitet hat. (LG Kaiserslautern, Urt. v. 15. Oktober 2013, 2 O 783/12)

Das Urteil liegt auf Linie mit den meisten obergerichtlichen Entscheidungen. Dennoch versuchen die Haftpflichtversicherer – nach meiner aktuellen Erfahrung wieder vermehrt – an der „Stellschraube Restwert“ zu drehen, um die berechtigten Ansprüche des Geschädigten zu kürzen. Insbesondere bei einem unverschuldeten Unfall, bei dem die Anwaltskosten vom gegnerischen Haftpflichtversicherer getragen werden, lohnt sich der Gang zum (Fach-)Anwalt.