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Archiv: 23. August 2018

Paukenschlag im Abgasskandal: Verpflichtung zum Update!

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in zwei aktuellen Beschlüssen vom 15.8.2018 – 8 B 548/18 und 8 B 865/18 – entschieden, dass die vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeughalter verpflichtet sind, das Softwareupdate durchführen zu lassen. Aus der Presseerklärung des OVG NRW:

Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Auffassung der Antragsteller, die sofortige Durchsetzung des Software-Updates sei nicht geboten, weil das einzelne Fahrzeug nur geringfügig zur Stickstoffdioxid-Belastung beitrage, folge der Senat nicht. Nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften sei der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nur dann gewährleistet, wenn jedes einzelne Fahrzeug die geltenden Emissionsgrenzwerte einhalte. Emissionsbegrenzende Maßnahmen bedürften zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung. Nur so sei die angestrebte Minderung der Gesamtemissionen garantiert, die gleichzeitig zur Minderung der Immissionswerte im Einwirkungsbereich beitrage.Auch könne der Halter eines betroffenen Fahrzeugs das Aufspielen des Software-Updates grundsätzlich nicht unter Hinweis darauf verweigern, dass er wegen des Einbaus der Abschalteinrichtung zivilrechtlich gegen den Verkäufer oder Hersteller vorgehe. Insbesondere könne etwaigen Beweisverlusten durch ein selbstständiges Beweisverfahren vorgebeugt werden.

(Zur Pressemitteilung des OVG Münster)

Die betroffenen Fahrzeughalter hatten sich – erfolglos – gegen die jeweilige Stilllegungsverfügung der Zulassungsstelle zur Wehr gesetzt.

Bereits heute hat sich ein Mandant aus Rheinland-Pfalz bei mir gemeldet, der eine Aufforderung zum Nachweis des Updates innerhalb von 5 Tagen erhalten hat. Und das, obgleich ein Zivilprozess anhängig ist und mit der Zulassungsstelle schriftlich vereinbart wurde, bis Abschluss des Prozesses mit einer etwaigen Stilllegung abzuwarten.

Hintergrund ist ein ministeriales Rundschreiben an die Zulassungsstellen, in welchem auf die oben genannten Beschlüsse des OVG Münster Bezug genommen wird. Die Zulassungsstellen werden mit diesem Schreiben aufgefordert, sofort tätig zu werden. Auch für bereits getroffene Ruhensvereinbarungen im Hinblick auf Zivilprozesse sei nun kein Raum mehr.

Mit anderen Worten: Die Luft wird dünn für Betroffene!

Das Problematische dabei ist, dass sich nach dem Update betroffene Fahrzeughalter über massive Probleme mit dem Fahrzeug beschweren. Es wurden nach Medienberichten Fälle bekannt, in welchen nach dem Update sogenannte Verkokungen und Versottungen des Abgasrückführungsventils (AGR-Ventil) und in der Folge Motorschäden aufgetreten sein sollen.

LG Saarbrücken: Kosten der Beilackierung, UPE und Verbringungskosten auch bei der fiktiven Abrechnung ersatzfähig

Das LG Saarbrücken hat klargestellt, dass auch bei einer fiktiven Abrechnung Anspruch auf Ersatz der (fiktiven) Kosten einer Beilackierung angrenzender Fahrzeugteile sowie der Preisaufschläge auf die Ersatzteile (UPE-Aufschläge) und Verbringungskosten ersatzfähig sind. Diese Positionen setzen also keine tatsächliche Reparatur voraus.

Das Urteil ist eine gute Argumentationshilfe für Unfallgeschädigte – gerade im Saarland. Viele Haftpflichtversicherer ersetzen diese Positionen nicht, wenn der Geschädigte nicht repariert und deren tatsächlichen Anfall nachweist (sog. fiktive Abrechnung).

Das führt zu erheblichen Abzügen bei der Unfallregulierung, die gerade bezüglich der Beilackierungskosten durchaus den vierstelligen Bereich erreichen können. Die Argumentation der Versicherer geht dahin, dass sich erst im Rahmen einer konkreten Reparatur herausstelle, ob eine Lackierung angrenzender Teile wegen eines auftretenden Farbtonunterschieds erforderlich ist oder nicht.

Dem hat das Landgericht Saarbrücken mit der wohl überwiegenden Rechtsprechung eine Absage erteilt:

Soweit die Beklagte meint, bei fiktiver Abrechnung seien Beilackierungskosten von vorneherein nicht ersatzfähig, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Einen allgemeinen Grundsatz, dass bei fiktiver Abrechnung Beilackierungskosten nicht erstattungsfähig sind, gibt es ebenso wenig wie einen Grundsatz, dass Beilackierungskosten solange als erforderlich anzusehen sind, bis der Geschädigte das Gegenteil bewiesen habe. Vielmehr kann auch bei fiktiver Abrechnung ein Anspruch auf Ersatz von Beilackierungskosten bestehen, soweit der Geschädigte deren Erforderlichkeit dargelegt und bewiesen hat (vgl. hierzu OLG Hamm, Zfs 2017, 565; LG Arnsberg, NJW-RR 2017,1178; zum Meinungsstand NJW-Spezial 2017, 394, 395). (LG Saarbrücken, Urt. v. 1.6.2018 – 13 S 151/17)

Auch die Verbringungskosten und UPE-Aufschläge sind nicht mit der Argumentation kürzbar, sie fielen nur bei tatsächlicher Reparatur an:

Auch der von der Beklagten erhobene Einwand der fehlenden Erforderlichkeit von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten greift nicht durch. Zwar ist richtig, dass UPE-Aufschläge bzw. Verbringungskosten nicht zu ersetzen sind, wenn der Schädiger den Geschädigten auf eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ verweisen kann, bei der diese Kosten nicht erhoben werden (vgl. nur Kammer, Urteil vom 19.07.2013 – 13 S 61/13, DAR 2013, 520 mit umfangreichen Nachweisen). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, weil die Beklagte keine Verweisung ausgesprochen hat, so dass die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten einer Markenwerkstatt hat. In diesem Fall kann der Schädiger den Geschädigten nur auf eine Reparatur in einer Markenwerkstatt verweisen, bei der UPE-Aufschläge und/oder Verbringungskosten nicht anfallen (vgl. Kammer, Urteil vom 19.07.2013 aaO). (LG Saarbrücken, Urt. v. 1.6.2018 – 13 S 151/17)

Bezüglich dieser Positionen muss in jedem einzelnen Fall überprüft werden, ob der Geschädigte, der fiktiv abrechnet, sich auf die Verhältnisse seiner Markenwerkstatt verlassen kann oder ob er sich auf die Verhältnisse freier Werkstätten bzw. Verweiswerkstätten, die ihm der Versicherer benennt, verweisen lassen.

Fazit: Gerade bei älteren Fahrzeugen lohnt sich häufig eine fachgerechte Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt nicht mehr. Die Geschädigten sind dann besser beraten, auf Gutachtenbasis abzurechnen. Bezahlt werden dann, sofern kein Totalschaden vorliegt, die Reparaturkosten netto gemäß Gutachten. Das Geld kann der Geschädigte dann behalten und mit dem Fahrzeug verfahren, wie er will.

Gerade in diesen Fällen, in denen also kein tatsächlicher Reparaturnachweis erfolgt, ist damit zu rechnen, dass der Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht unerhebliche Kürzungen an den Reparaturkosten vornimmt.

Neben technischen Kürzungen stehen hier vor allem die oben genannten Positionen in Frage. Wenn Sie Geschädigter eines Verkehrsunfalles sind, sollten Sie sich sofort nach dem Unfall kostenloser anwaltlicher Hilfe bedienen. Man kann nicht oft genug erwähnen, dass der Haftpflichtversicherer des Schädigers die Kosten des Rechtsanwalts des Geschädigten zu ersetzen hat. Wer unverschuldet einen Unfall erleidet, erhält daher kostenlose anwaltliche Hilfe.

Nur Ihr Rechtsanwalt vertritt allein Ihre Interessen. Alle anderen am Verkehrsunfall Beteiligten haben eigene Interessen. Das gilt nicht nur für Haftpflichtversicherer sondern auch für Mietwagenunternehmen, Reparaturbetriebe und Abschleppunternehmen.

Nebenbei bemerkt enthält die Entscheidung auch grundsätzliche Ausführungen zur Streitwerterhöhung durch mit eingeklagte vorgerichtliche Anwaltskosten.

Sofortiger Restwertverkauf: OLG Braunschweig widerspricht dem Bundesgerichtshof

Das OLG Braunschweig hält sich nicht an die Rechtsprechung des BGH zum Restwertverkauf. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30.1.2018 klargestellt, dass sich der Geschädigte eines Verkehrsunfalls auf die Restwertermittlung des von ihm beauftragten Sachverständigen verlassen darf. Der BGH hat klargestellt, dass das beschädigte Fahrzeug sofort zum ermittelten Restwert verkauft werden kann. Der Geschädigte sei weder gehalten, den gegnerischen Haftpflichtversicherer vorab zu informieren noch müsse er abwarten, bis der Versicherer eigene Restwertgebote eingeholt oder eine Stellungnahme zum Restwert abgegeben habe.

Das haben auch die für mein Tätigkeitsgebiet maßgeblichen Landgerichte seit längerem so gesehen:

LG Kaiserslautern – Sofortverkauf zum Restwert

LG Saarbrücken – Sofortiger Restwertverkauf

Das OLG Braunschweig wendet sich nun überraschender Weise mit seinem Urteil vom 30.1.2018 – 7 U 3/17 – gegen den Standpunkt des BGH. Es vertritt die Ansicht, der Geschädigte müsse den gegnerischen Haftpflichtversicherer vorab informieren, dass er das Fahrzeug schnell verkaufen müsse, weil er zur Ersatzbeschaffung auf das Geld angewiesen sei. Er müsse dem Versicherer die Gelegenheit geben, seine Zahlungsschwierigkeiten anderweitig zu beheben.

Dieses Urteil widerspricht eklatant der eindeutigen Rechtsprechung des BGH.

Zudem ist es praxisfremd.

Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass Versicherer zur Vermeidung eines Restwertverkaufs durch den Geschädigten dazu übergehen werden, diesem sofort den auf den Restwert entfallenden Betrag vorzufinanzieren. Das ist abwegig. Bevor der Haftpflichtversicherer überhaupt eine Zahlung leistet, vergehen in der Regel mehrere Wochen. Ohne Klärung des Sachverhalts, insbesondere, wenn die Schadenmeldung des eigenen Versicherungsnehmers fehlt, wird ohnehin nicht gezahlt. Das Thema „Regulierungsfrist“, über das ich bereits mehrmals berichtet habe, ist nicht ohne Grund sehr umstritten. Mit anderen Worten: Wenn der Haftpflichtversicherrer noch nicht beurteilen kann, ob er überhaupt zur Zahlung verpflichtet ist, wird er wohl kaum den Restwert vorschießen.
Noch einmal zum Thema Regulierungsfrist:

OLG Frankfurt: Maximal 4 Wochen Regulierungsfrist für den Kfz-Haftpflichtversicherer

Hintergrund der ganzen Restwertproblematik ist, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer den Restwert, den der Restwertkäufer zahlen muss, eben einspart. Von daher sind die Haftpflichtversicherer bemüht, eigene Restwertangebote vorzulegen. Leider entstammen diese häufig nicht dem regionalen Markt. Das bedeutet für den Geschädigten, dass er sich mit einem Restwertkäufer, der meist mehrere hundert Kilometer weit entfernt sitzt, auseinandersetzen muss.

Der BGH hat bereits in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass überregionale Gebote aus Internetrestwertbörsen unbeachtlich sind, wenn der Geschädigte regionale Gebote erhalten hat.

Nach wie vor empfiehlt es sich, sich auf die Restwertermittlung des Sachverständigen zu verlassen und das Fahrzeug zum vom eigenen Sachverständigen ermittelten Restwert auf dem regionalen Markt zu verkaufen.

Es ist absehbar, dass die Kfz-Haftpflichtversicherer sich auf das Ihnen günstige Urteil des OLG Braunschweig berufen werden.

Lassen Sie sich das nicht gefallen!

Im Falle eines unverschuldeten Unfalls sind die Kosten des eigenen Anwalts vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu ersetzen. Meine Beauftragung ist für Sie also kostenlos. Kontaktieren Sie mich sofort nach einem Verkehrsunfall!