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Schlagwort: Zivilrecht

LG Köln: 10.095,00 Euro Nutzungsausfall

Nicht zuletzt in Folge von Lieferschwierigkeiten aufgrund der Corona-Pandemie kommt es in den letzten Monaten häufig zu Verzögerungen bei der Ersatzbeschaffung oder Reparatur des Unfallfahrzeugs.

Sei es, dass Teile für die Reparatur nicht lieferbar sind oder sich eben die Lieferung des bestellten Neuwagens verzögert.

Wird bei einem Unfall ein Fahrzeug derart beschädigt, dass es nicht mehr fahrbereit und/ oder nicht mehr verkehrssicher ist, dann kann der Geschädigte Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, für den Zeitraum für den er sich einen Mietwagen nimmt. Für den Zeitraum, indem er keinen Mietwagen in Anspruch nimmt, weil er sich beispielsweise mit einem Fahrzeug aus der Familie behilft, erhält er eine sogenannte Nutzungsausfallentschädigung.

Das bedeutet, dass er eine Tagespauschale erhält, für diejenigen Tage, an denen er das Fahrzeug nicht nutzen kann. Über welche Zeiträume diese Entschädigung beansprucht werden kann, ist Frage des Einzelfalles. Bei längeren Ausfallzeiträumen wenden die Kfz-Haftpflichtversicherer regelmäßig einen Verstoß des Geschädigten gegen die sogenannte Schadensgeringhaltungspflicht ein.

Das LG Köln hat mit Urteil vom 2.6.2021 – 4 O 388/120 – einem Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung von weiteren 8.955,00 Euro zugesprochen. Vorgerichtlich hatte der Kläger bereits 1.140,00 Euro vom beklagten Haftpflichtversicherer erhalten.

Im konkreten Fall handelte es sich um eine Sonderkonstellation. Der Geschädigte hatte das verunfallte Fahrzeug erst wenige Tage vor dem Unfall erworben. Ihm stand daher gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer eine sogenannte Neupreisentschädigung zu. Der Unfall fand im Oktober 2019 statt. Es handelte sich um einen Totalschaden an einem Neufahrzeug. Der Kläger hatte die Beklagte  darauf hingewiesen, dass er die Finanzierung des Ersatzfahrzeuges nicht vorleisten könne.

Am 22.11.2019 sagte der beklagte Versicherer die Neupreisentschädigung zu. Am 19.2.2020  wurde die Haftung vom Versicherer zu 100 % anerkannt. Am 18.3.2020 bestellte der Kläger das Neufahrzeug, das am 31.7.2020 zugelassen wurde.

Das LG Köln hat von der gesamten Dauer des Nutzungsausfalls lediglich den Zeitraum vom 19.2.2020 bis 18.3.2020 ausgenommen, da es hier einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht sah. Der Kläger hätte, nachdem die Beklagte am 19.2.2020 eine Haftungserklärung abgegeben hat, unmittelbar ein Fahrzeug bestellen können. Dass er damit rund vier Wochen lang gewartet hat, ging nicht zu Lasten des beklagten Versicherers.

Im Übrigen wurde der Klage stattgegeben.

Das LG Köln weist zudem noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, eine bestehende Vollkaskoversicherung zur Vorfinanzierung des Ersatzfahrzeugs in Anspruch zu nehmen:

„Der Kläger war überdies nicht verpflichtet zur Schadensminderung seine eigene Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Ein Geschädigter eines Verkehrsunfalls ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den eigenen Kaskoversicherer auf Behebung des Unfallschadens in Anspruch zu nehmen, um die Zeit des Nutzungsausfalls und damit die Höhe der diesbezüglichen Ersatzverpflichtung des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherers möglichst gering zu halten …“

(LG Köln, Urteil vom 2.6.2021 – 4 O 388/120)

LG Darmstadt: Fiktive Abrechnung von Unfallschäden unzulässig!

Das Landgericht Darmstadt hat – in Abkehr zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – die fiktive Abrechnung eines Unfallschadens („Abrechnung nach Gutachten“) für unzulässig erklärt.

Hintergrund ist die gängige und auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fußende Praxis, einen Unfallschaden anhand eines Haftpflichtgutachtens fiktiv abzurechnen. Das funktioniert dann so, dass der Geschädigte die im Gutachten ausgewiesenen, geschätzten Reparaturkosten ohne Umsatzsteuer erhält und das Fahrzeug billiger oder gar nicht repariert. Gerade bei älteren Fahrzeugen, bei denen eine vollumfängliche Reparatur in einer Fachwerkstatt keinen Sinn macht, macht der Geschädigte auf diesem Wege sozusagen „einen guten Schnitt“. Das ist gängige Regulierungspraxis.

Das LG Darmstadt hat diese Abrechungsmethode nun für unzulässig erklärt:

Entgegen der Auffassung des BGH (VII ZR 46/17, Urteil vom 22.02.2018) erstreckt sich die dort entschiedene Aufgabe der Zulässigkeit des sogenannten fiktiven Schadensersatzes auf Gutachtenbasis auf sämtliche Sachschadensfälle und damit sowohl auf kauf- oder mietrechtliche Gewährleistung als auch deliktische Ansprüche. (LG Darmstadt, Urt. v. 24.10.2018 – 23 O 356/179)

Das Urteil finden Sie im Volltext hier:

LG Darmstadt – Urt. v. 24.10.2018 – 23 O 356/17

Hintergrund ist, dass der BGH mit Urteil vom 22.2.2018 – VII ZR 46/17 seine ständige Rechtsprechung im Bereich des Baurechts aufgegeben und für diesen Bereich die fiktive Schadensabrechnung untersagt hat. Das war eine bahnbrechende Entscheidung mit erheblicher Tragweite, weshalb ich Sie damals auch auf meiner Facebookseite verlinkt habe. Hier der Link zum Artikel der LTO zum Urteil des BGH:

LTO – BGH ver­bietet fik­tive Scha­dens­kosten im Werk­ver­trags­recht

Das LG Darmstadt hat nun die Anwendbarkeit auf Schadensersatzansprüche „jedweder Art“ erklärt und begründet dies wie folgt:

Die Kammer bleibt bei ihrer in dem Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass die vom BGH mit Urteil vom 22.02.2018(1) für den sogenannten kleinen Schadensersatzanspruch im Bereich von Werkverträgen aufgegebene Abrechnungsmöglichkeit auf fiktiver Basis nicht auf das Werkvertragsrecht beschränkt ist, sondern Schadensersatzansprüche jedweder Art erfasst, gleich, ob es sich um gewährleistungsrechtlich begründete Schadensersatzansprüche handelt oder um solche aus der Beschädigung von Sachen oder Personen und gleich, auf welchem rechtlichen Grund sie beruhen.(2)

Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass der VII. BGH-Senat selbst ausdrücklich erklärt hat, er sehe diese Aufgabe seiner Rechtsprechung den Besonderheiten des Werkvertragsrechts geschuldet und zugleich auf diesen Anwendungsbereich beschränkt.(3) Die Interpretation der fraglichen Entscheidung des BGH lässt indes keine plausible und dogmatisch begründbare Beschränkung der Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes auf werkvertragliche Konstellationen erkennen. Soweit der VII. Zivilsenat das in seiner Entscheidung postuliert, dient dies offenkundig allein der Rechtfertigung des Umstandes, dass es zuvor keine Anfrage bei dem V. und VIII. Zivilsenat gegeben hat und eine im Widerspruchsfall an sich nach § 132 II GVG gebotene Vorlage dieser Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen unterblieben ist.(4)

Das erkennende Gericht ist zu der rechtlichen Überzeugung gelangt, dass die in jeder Hinsicht zu begrüßende Aufgabe der fiktiven Schadensberechnung schon aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung auf das gesamte Schadensersatzrecht zu übertragen und überdies aufgrund erheblicher Möglichkeiten des Missbrauchs dies auch rechtspolitisch geboten ist. (LG Darmstadt, a. a. O.)

Ich rechne nicht wirklich damit, dass der BGH diese Auffassung teilen wird. Allerdings muss ich in der gebotenen Ehrlichkeit sagen, dass ich die Entscheidung für absolut schlüssig, richtig und gerecht halte. Es ist überhaupt nicht verständlich, weshalb der geschädigte Auftraggeber eines Bauwerkes nicht mehr fiktiv abrechnen darf, während der Unfallgeschädigte das weiterhin darf.

Und um es ganz klar zu sagen: Genau das, was im Baurecht passiert, nämlich dass sich Bauherren durch fiktive Schadensabrechnungen zu Lasten der Bauunternehmer den Sack voll machen und ihren Bau finanzieren, passiert bei Unfällen ebenfalls. Und das Gleiche gilt – in noch viel gravierender Weise – im Bereich der Fahrzeugreparaturverträge und auch im Bereich des Fahrzeugkaufs.

Ich würde mir im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wünschen, dass der BGH die fiktive Schadensabrechnung insgesamgt für unzulässig erklärt.

Sofortiger Restwertverkauf: OLG Braunschweig widerspricht dem Bundesgerichtshof

Das OLG Braunschweig hält sich nicht an die Rechtsprechung des BGH zum Restwertverkauf. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 30.1.2018 klargestellt, dass sich der Geschädigte eines Verkehrsunfalls auf die Restwertermittlung des von ihm beauftragten Sachverständigen verlassen darf. Der BGH hat klargestellt, dass das beschädigte Fahrzeug sofort zum ermittelten Restwert verkauft werden kann. Der Geschädigte sei weder gehalten, den gegnerischen Haftpflichtversicherer vorab zu informieren noch müsse er abwarten, bis der Versicherer eigene Restwertgebote eingeholt oder eine Stellungnahme zum Restwert abgegeben habe.

Das haben auch die für mein Tätigkeitsgebiet maßgeblichen Landgerichte seit längerem so gesehen:

LG Kaiserslautern – Sofortverkauf zum Restwert

LG Saarbrücken – Sofortiger Restwertverkauf

Das OLG Braunschweig wendet sich nun überraschender Weise mit seinem Urteil vom 30.1.2018 – 7 U 3/17 – gegen den Standpunkt des BGH. Es vertritt die Ansicht, der Geschädigte müsse den gegnerischen Haftpflichtversicherer vorab informieren, dass er das Fahrzeug schnell verkaufen müsse, weil er zur Ersatzbeschaffung auf das Geld angewiesen sei. Er müsse dem Versicherer die Gelegenheit geben, seine Zahlungsschwierigkeiten anderweitig zu beheben.

Dieses Urteil widerspricht eklatant der eindeutigen Rechtsprechung des BGH.

Zudem ist es praxisfremd.

Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass Versicherer zur Vermeidung eines Restwertverkaufs durch den Geschädigten dazu übergehen werden, diesem sofort den auf den Restwert entfallenden Betrag vorzufinanzieren. Das ist abwegig. Bevor der Haftpflichtversicherer überhaupt eine Zahlung leistet, vergehen in der Regel mehrere Wochen. Ohne Klärung des Sachverhalts, insbesondere, wenn die Schadenmeldung des eigenen Versicherungsnehmers fehlt, wird ohnehin nicht gezahlt. Das Thema „Regulierungsfrist“, über das ich bereits mehrmals berichtet habe, ist nicht ohne Grund sehr umstritten. Mit anderen Worten: Wenn der Haftpflichtversicherrer noch nicht beurteilen kann, ob er überhaupt zur Zahlung verpflichtet ist, wird er wohl kaum den Restwert vorschießen.
Noch einmal zum Thema Regulierungsfrist:

OLG Frankfurt: Maximal 4 Wochen Regulierungsfrist für den Kfz-Haftpflichtversicherer

Hintergrund der ganzen Restwertproblematik ist, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer den Restwert, den der Restwertkäufer zahlen muss, eben einspart. Von daher sind die Haftpflichtversicherer bemüht, eigene Restwertangebote vorzulegen. Leider entstammen diese häufig nicht dem regionalen Markt. Das bedeutet für den Geschädigten, dass er sich mit einem Restwertkäufer, der meist mehrere hundert Kilometer weit entfernt sitzt, auseinandersetzen muss.

Der BGH hat bereits in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass überregionale Gebote aus Internetrestwertbörsen unbeachtlich sind, wenn der Geschädigte regionale Gebote erhalten hat.

Nach wie vor empfiehlt es sich, sich auf die Restwertermittlung des Sachverständigen zu verlassen und das Fahrzeug zum vom eigenen Sachverständigen ermittelten Restwert auf dem regionalen Markt zu verkaufen.

Es ist absehbar, dass die Kfz-Haftpflichtversicherer sich auf das Ihnen günstige Urteil des OLG Braunschweig berufen werden.

Lassen Sie sich das nicht gefallen!

Im Falle eines unverschuldeten Unfalls sind die Kosten des eigenen Anwalts vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu ersetzen. Meine Beauftragung ist für Sie also kostenlos. Kontaktieren Sie mich sofort nach einem Verkehrsunfall!

Abgasskandal: Erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Hersteller und Händler können gemeinsam am gleichen Gerichtsort verklagt werden.

Das hat der Bundesgerichtshof entschieden, indem er mit seinem ersten Urteil zum Abgasskandal Folgendes klargestellt hat:

„Macht der Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Verkäufer Ansprüche wegen eines behaupteten Sachmangels (hier: im Fahrbetrieb abgeschalteter Abgasreinigungseinrichtungen) und gegen den Hersteller des Fahrzeugs Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend, die auf die Vortäuschung eines mangelfreien Zustands gestützt werden, können Verkäufer und Hersteller als Streitgenossen gemeinschaftlich verklagt werden.“

Das Urteil ist hier im PDF-Format hinterlegt:

BGH Urteil vom 6.6.2018 – X ARZ 303/18 (PDF)

Bislang kam es in zahlreichen Verfahren zu einer Trennung des Prozesses wegen fehlender örtlicher Zuständidigkeit, wenn gegen den Verkäufer des Fahrzeuges und gegen den Hersteller des Fahrzeuges eine Klage eingereicht wurde. Dem hat der BGH ein Ende gesetzt. Kommt es zum Streit, an welchem Gericht eine Klage gegen Hersteller und Händler als Gesamtschuldner einzureichen ist, dann entscheidet diese Frage das übergeordnete Gericht.

VG Sigmaringen: Vorläufiger Rechtsschutz gegen Betriebsuntersagung eines Diesel-PKW

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat einem Betroffenen vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Betriebsuntersagung seines Dieselfahrzeugs gewährt. Nachdem der Betroffene an der Rückrufaktion des Herstellers bzw. dem umstrittenen Softwareupdate des Herstellers nicht teilgenommen hatte, wurde ihm von der Zulassungsstelle der Betrieb des Fahrzeugs mit sofortiger Wirkung (Sofortvollzug) untersagt.

Das VG Sigmaringen gab seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit folgender Begründung statt:

Die hier in Rede stehende Sofortvollzugsanordnung in Nummer 3 des Bescheids des Landratsamts Sigmaringen vom 05.03.2018 genügt diesen Maßgaben nicht. Die diesbezügliche – knappe und im gerichtlichen Verfahren nicht weiter erläuterte oder gar ergänzte (vgl. dazu ohnehin: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.09.2011, a.a.O.) – Begründung beschränkt sich darauf, unter offenkundiger Verwendung eines Textbausteins das besondere öffentliche Interesse darin zu sehen, dass nicht vorschriftsmäßige Fahrzeuge (auch bereits vor Bestandskraft) „zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer“ vom Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden müssten. Eine solchermaßen pauschale Begründung mag – formell – ausreichend sein, wenn es um typische Fallgestaltungen einer Betriebsuntersagung geht, bei denen ggf. Sicherheitsmängel am Fahrzeug, etwa an der Bremsanlage, mit auf der Hand liegenden und beträchtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter bei einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr bestehen. Davon kann hier aber keine Rede sein. Es ist weder vom Antragsgegner geltend gemacht noch auch nur im Ansatz ersichtlich, dass die am Fahrzeug des Antragstellers offenbar vorliegende Abweichung von der EG-Typengenehmigung in Gestalt einer unzulässigen Abschalteinrichtung überhaupt verkehrssicherheitsrelevant sein könnte. Vielmehr dürften vom Betrieb des Fahrzeugs des Antragstellers unzulässige umwelt- und ggf. auch gesundheitsschädigende Emissionen ausgehen, die in erster Linie Belange der Luftreinhaltung betreffen. Dass die damit verbundenen (Umwelt-)Gefahren aus behördlicher Sicht indes gleichermaßen dringlich und gerade im Fall des Antragstellers auch mit Sofortvollzug angegangen werden müssten, ergibt sich aus der hierzu gegebenen Begründung im Bescheid nicht. Da das Landratsamt mithin offenbar schlicht einen ersichtlich unpassenden Textbaustein als (alleiniges) Begründungselement verwendet hat, fehlt es nach Auffassung der Kammer gänzlich an einer hinreichenden schriftlichen Begründung der Sofortvollzugsanordnung, ohne dass damit eine – im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO dem Gericht auf formeller Ebene an sich verwehrte – Inhaltskontrolle der behördlichen Erwägungen verbunden wäre (ebenso VG Karlsruhe, Beschluss vom 26.02.2018 – 12 K 16702/17 -, Juris).

Die Pressemeldung ist hier veröffentlicht:

Pressemeldung des VG Sigmaringen

Den Beschluss des VG Sigmaringen vom 4.4.2018 – 5 K 1476/18 finden Sie im Volltext hier:

Beschluss des VG Sigmaringen

EuGH: Verjährungsfrist beim Gebrauchtwagenkauf beträgt zwei Jahre!

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Verkürzung der Gewährleistung auf ein Jahr beim Gebrauchtwagenkauf zwischen Unternehmer und Verbraucher unzulässig ist. Damit gelten für Verbraucher – also „Privatkäufer“ – aktuell zwei Jahre Gewährleistung beim Gebrauchtwagenkauf.

Im Gebrauchtwagenhandel ist es üblich, die Verjährung für Mängelansprüche auf ein Jahr zu verkürzen. Hierfür stellt – unter anderem – der Zentralverband des deutschen Kraftfahrtgewerbes Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Verfügung, die eine entsprechende Klausel enthalten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diese wohl am weitesten verbreitete Klausel bereits im Jahr 2015 für intransparent und unwirksam erklärt. Während der BGH sich mit dem Wortlaut der Klausel befasst hat, und diese konkrete Klausel als unverständlich angesehen hat, hat sich der EuGH mit der generellen Möglichkeit, die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen bei gebrauchten Sachen auf ein Jahr zu verkürzen, befasst.

Die Entscheidung des EuGH erging zu einer Vorlagefrage des belgischen Rechts, ist aber auf die Rechtslage in Deutschland anwendbar.

Der EuGH hat entschieden:

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen sind, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die es erlaubt, dass die Verjährungsfrist für die Klage eines Verbrauchers eine kürzere Dauer als zwei Jahre ab Lieferung des Gutes beträgt, wenn dieser Mitgliedstaat von der in der zweiten dieser Bestimmungen der Richtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, und wenn der Verkäufer und der Verbraucher für das betreffende gebrauchte Gut eine Haftungsfrist des Verkäufers vereinbart haben, die kürzer als zwei Jahre, nämlich ein Jahr, ist. ( Urteil vom 13.07.2017 – C-133/16)

Der EuGH hat zunächst richtungsweisend klargestellt, dass zwischen zwei Fristen zu unterscheiden ist:

1. Haftungsfrist:

Die Haftungsfrist betrifft die Haftungsdauer des Verkäufers. Mit Haftungsfrist meint der EuGH den Zeitraum, in welcher ein Mangel auftreten muss, um die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers auszulösen. Diese Frist beträgt zwei Jahre, kann aber auf ein Jahr verkürzt werden. Hiervon wurde aber bislang kein Gebrauch gemacht, weil die gängigen AGB im Gebrauchtwagenhandellediglich die Verjährungsfrist betreffen.

2. Verjährungsfrist:

Die Verjährungsfrist ist der Zeitraum, in dem der Verbraucher seine Rechte ausüben kann. Diese Frist beträgt zwei Jahre und darf nicht verkürzt werden.
Der EuGH hat seiner Entscheidung die maßgeblichen Regelungen vorangestellt, anhand derer das bislang verkannte Verjährungssystem deutlich wird:

Art. 5 („Fristen“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

„Der Verkäufer haftet nach Artikel 3, wenn die Vertragswidrigkeit binnen zwei Jahren nach der Lieferung des Verbrauchsgutes offenbar wird (Anmerkung des Autors: Haftungsfrist). Gilt nach dem innerstaatlichen Recht für die Ansprüche nach Artikel 3 Absatz 2 eine Verjährungsfrist, so endet sie nicht vor Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung (Anmerkung des Autors: Verjährungsfrist).“

Art. 7 („Unabdingbarkeit“) der Richtlinie 1999/44 sieht in seinem Abs. 1 vor:
„Vertragsklauseln oder mit dem Verkäufer vor dessen Unterrichtung über die Vertragswidrigkeit getroffene Vereinbarungen, durch welche die mit dieser Richtlinie gewährten Rechte unmittelbar oder mittelbar außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden, sind für den Verbraucher gemäß dem innerstaatlichen Recht nicht bindend.
Im Fall gebrauchter Güter können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Verkäufer und der Verbraucher sich auf Vertragsklauseln oder Vereinbarungen einigen können, denen zufolge der Verkäufer weniger lange haftet als in Artikel 5 Absatz 1 vorgesehen. Diese kürzere Haftungsdauer darf ein Jahr nicht unterschreiten.“

Fazit:
Da bislang keine wirksamen Klauseln vorliegen dürften, die zwischen der Haftungs- und der Verjährungsfrist unterscheiden, dürfte im Allgemeinen für den Gebrauchtwagenkauf derzeit eine zweijährige Gewährleistung gelten. Die Verkürzung der Haftungsfrist – nicht aber der Verjährungsfrist – ist aber durch zukünftige AGB-Anpassung möglich.

OLG Saarbrücken zur Unfallregulierung: Wann gerät der gegnerische Haftpflichtversicherer in Verzug?

Es passiert nicht gerade selten, dass mich Geschädigte eines Verkehrsunfalls anrufen, die bereits versucht haben, ihren Verkehrsunfall ohne anwaltliche Hilfe selbst zu regeln.

„Es passiert nichts!“, heißt es dann oft. Man habe sich telefonisch an den gegnerischen Haftpflichtversicherer gewendet und diesen informiert. Es sei einem gesagt worden, der Versicherer kümmere sich um alles. Nun passiere aber seit Wochen nichts, obwohl man dort mehrmals angerufen habe. „Die sind doch längst in Verzug.“, meint der künftige Mandant dann, wie selbstverständlich. Mitnichten!

Ganz so einfach ist das nämlich nicht. Abgesehen davon, dass Telefongespräche mit Versicherern meines Erachtens „Schall und Rauch“ sind, wenn es zu einem Zivilprozess kommt, gilt Folgendes:

Grundsätzlich ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Geschädigte der Herr der Unfallregulierung. Daraus folgt aber nicht nur, dass es sein gutes Recht ist, seinen Schaden selbst zu beziffern und hierzu beispielsweise einen Sachverständigen seiner Wahl zu beauftragen. Vielmehr ist es auch seine „Pflicht“, den gegnerischen Haftpflichtversicherer in die Lage zu versetzen, eine korrekte Regulierungsentscheidung zu treffen.

Der Unfallgeschädigte befindet sich also quasi in einer Bringschuld. Solange er nicht die Grundlage dafür schafft, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer den Schadenfall beurteilen kann, gerät dieser auch nicht in Verzug.

Einheitlich vertritt die Rechtsprechung hierzu die Auffassung, dass der Geschädigte mindestens ein sogenanntes spezifiziertes Anspruchschreiben und die erforderlichen Belege zur Schadensbezifferung, in der Regel also das Haftpflichtgutachten oder den bebilderten Kostenvoranschlag, einzureichen hat. Erst wenn diese Mindestangaben gemacht sind, beginnt die dem Versicherer zuzubilligende Prüffrist von – je nach Einzelfall – etwa vier bis sechs Wochen überhaupt zu laufen.

Erst nach Ablauf dieser Prüffrist wiederum tritt Verzug ein.

Vorgerichtlich sind damit einige unter Umständen auch finanziell schwerwiegende Folgen verbunden, beispielsweise wenn es darum geht, wie lange ein Mietwagen angemietet werden darf.

Prozessual taucht das Problem immer dann auf, wenn der Geschädigte bzw. sein Anwalt (vermeintlich) zu früh klagt und der Versicherer daraufhin ein sofortiges Anerkenntnis abgibt und zahlt. Dann stellt sich die Frage, wer die Kosten des Klageverfahrens zu tragen hat. Denn wenn die KLage ohne Anlass eingereicht ist, weil der Versicherer nicht in Verzug war, muss der Geschädigte damit rechnen, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, auch wenn er in der Sache Recht hat und der Versicherer den Schaden vollumfänglich zahlt.

Ein solches Verfahren hat das OLG des Saarlandes nun zum Anlass genommen, noch einmal zu verdeutlichen, welche Anforderungen an den Verzug des Versicherers zu stellen sind und was der Geschädigte mindestens beizubringen hat, bevor der Versicherer überhaupt in die Prüffrist gerät:

Die Prüffrist beginnt mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens. Ihre Dauer ist vom Einzelfall abhängig, wobei die wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen als angemessen ansieht.
Auch wenn ein Versicherer die Prüfung eines Schadens, für den er einzustehen hat, tunlichst beschleunigen muss, gibt es für die Länge der Prüfungsfrist keine festen oder starren Regeln.
Bei komplexem Unfallhergang, bei Auslandsberührung oder auch bei mehreren dazwischenliegenden Feiertagen kann sich der Zeitraum unter Umständen verlängern.
Gleiches gilt, wenn der Versicherer konkrete Unterlagen angefordert und deren Eingang abgewartet hatte, ohne dass der Geschädigte bzw. sein Rechtsanwalt dem widersprochen hatte.
Keine Verlängerung rechtfertigt hingegen z. B. grundsätzlich die beabsichtigte Einsicht in die Ermittlungsakte. Selbst dann kann es aber nach Treu und Glauben geboten sein, dass der Geschädigte, wenn er einerseits an der Ermöglichung der Einsicht mitwirkt und dem Verlangen des Haftpflichtversicherers nicht widerspricht, die Prüfungsfrist so zu verlängern, dass der Versicherer in angemessen kurzer Frist die ihm zugeleiteten Unterlagen zur Kenntnis nehmen und dann (umgehend) regulieren kann.

Die Anforderungen an ein die Prüffrist auslösendes spezifiziertes Anspruchsschreiben sind stets unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Der gegnerische Haftpflichtversicherer benötigt zur sachgerechten Prüfung seiner Eintrittspflicht und des Haftungsgrundes, insbesondere der Haftungsquote, zumindest kurze Angaben zum Unfallhergang. (OLG des Saarlandes, Beschl. v. 10.11.2017 – 4 W 16/17)

Fazit: Nach einem Unfall lieber gleich zum Fachanwalt für Verkehrsrecht!

AG München: Keine 280-Euro-Gutachten für die HUK-Coburg Versicherung

Die HUK-Coburg Versicherung ist in jüngster Zeit dazu übergegangen, Geschädigte nach einem Verkehrsunfall anzuschreiben und diesen anzubieten, ein Haftpflichtgutachten für 280,00 € erstellen zu lassen. Ferner wird ein Sachverständigenverbund genannt, dessen Mitglieder bereit sein sollen, für den genannten Betrag ein Haftpflichtgutachten zu erstellen.

Gleichzeitig wird mitgeteilt, dass die Nichtannahme dieses freundlichen Angebotes einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht darstelle. Jedenfalls dann, wenn der Geschädigte für ein eigenes Haftpflichtgutachten mehr als 280,00 € aufwenden sollte, seien diese nicht zu erstatten.

Das Amtsgericht München hat dieser merkwürdigen Rechtsauffassung der HUK-Coburg Versicherung die zu erwartende, glasklare Absage erteilt:

Vielmehr stand es der Klägerin frei, einen eigenen Sachverständigen zu beauftragen. Dabei war sie auch nicht auf die Sachverständigen aus dem von der Beklagtenseite genannten Sachverständigenbund … beschränkt. Vielmehr ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens.
Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung grundsätzlich frei (vgl. BGH, Urt. V. 29.04.2003, Az. VI ZR 393/02). Er darf zur Schadensbehebung grundsätzlich den Weg wählen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH, Urt. V. 18.01.2005, Az. VI ZR 73/04).

Daraus ergibt sich zwanglos, dass die Geschädigte das Recht zur freien Wahl eines Sachverständigen ihres Vertrauens hat und sich nicht auf von der Beklagtenseite vorgeschlagene Sachverständige – auch nicht aus einem Sachverständigenverbund – verweisen lassen muss. Dies gilt gerade bei der Auswahl eines Sachverständigen umso mehr, als das Sachverständigengutachten den Geschädigten erst in die Lage versetzt, seinen Schaden der Höhe und dem Umfang nach sinnvoll geltend zu machen.

Der gesamte Anspruch auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall steht und fällt für den Geschädigten mit dem erholten Schadensgutachten und dessen Vertrauenswürdigkeit.

Dieses grundlegende Recht des Geschädigten würde weitgehend entwertet, wenn er sich auf von seinem Schädiger benannte Sachverständige, zur Feststellung seines Schadens verweisen lassen müsste. (AG München Urt. v. 18.8.2017 – 322 C 12124/17)

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Abgasskandal: LG Saarbrücken urteilt gegen VW und Händler

Über den Abgasskandal hatte ich bereits im Dezember 2015, kurz nachdem klar war, dass tatsächlich eine Manipulationssoftware verbaut wurde, berichtet:

Dieselgate Abgasskandal – Beitrag vom 9.11.2015

Einiges, was damals prognostiziert worden war, insbesondere im Hinblick auf die Betriebszulassung und Fahrverbote, hat sich wirklich zu einem handfesten Problem ausgeweitet. Aktuell behandeln die Gerichte die Rechte der betroffenen  Käufer sehr unterschiedlich und es ist festzustellen, dass jeder Fall ein Einzelfall ist und auch als solcher behandelt werden sollte. Eine sehr begrüßenswerte Entscheidung für Kunden hat das Landgericht Saarbrücken mit Urteil vom 14.6.2017 – 12 O 104/16 – gefällt:

Es hat entschieden, dass die Volkswagen AG und der betroffene Fahrzeughändler den PKW eines Klägers wegen der eingebauten Manipulationssoftware zurücknehmen und den Kaufpreis – abzüglich einer Nutzungsentschädigung – zu erstatten haben.

Das Urteil ist eine klare Ansage an Volkswagen, da das Landgericht nicht nur unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass das Klägerfahrzeug wegen der eingebauten Manipulationssoftware mangelhaft ist sondern darüber hinaus ausgesprochen hat, dass der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, den Beklagten das Recht zur Nacherfüllung zu gewähren. Im zu entscheidenden Fall war dem Kläger nicht zuzumuten, an der Rückrufaktion teilzunehmen. Er durfte sofort den Rücktritt erklären.

Zur Mangelhaftigkeit führt die Kammer aus:

Damit steht fest, dass die „Vorschriftsmäßigkeit“ des Fahrzeugs im Zustand bei der Übergabe nicht gegeben war und erst durch die Außerbetriebsetzung der Abschalteinrichtung und die Durchführung der vom KBA vorgegebenen technischen Eingriffe (gleich ob durch die bloße Veränderung der Software und oder durch den zusätzlichen Einbau eines Strömungstransformators vor dem Luftmassenmesser) hergestellt werden muss.

Dies ist evident kein Zustand, der bei Sachen der gleichen Art üblich ist und den der Käufer nach der Sache der Art erwarten kann. … Dementsprechend ist das Fahrzeug mangelhaft, so dass dem Kläger die Geltendmachung der Rechte nach §437BGB eröffnet ist. (Landgericht Saarbrücken mit Urteil vom 14.6.2017 – 12 O 104/16)

Zur Frage der Erforderlichkeit einer Fristsetzung des Käufers zur Nacherfüllung führt die Kammer aus:

Der Rücktritt ist auch nicht – wie die Beklagten meinen – ausgeschlossen, weil eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung (§ 323Abs.1BGB) nicht erfolgt ist.

Die Fristsetzung gegenüber der Beklagten zu 1 ist entbehrlich, weil Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen den sofortigen Rücktritt gerechtfertigt hätte (§323Abs.2 Nr.3BGB).

Es ist zu berücksichtigen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts also im Januar2016 völlig unklar war, ob und wann eine Nachbesserung überhaupt möglich sein würde. Für die Käufer der betroffenen Fahrzeuge war zum damaligen Zeitpunkt noch überhaupt keine Klarheit darüber geschaffen, ob es eine vertretbare technische Lösung des Problems geben würde und ob diese vom Kraftfahrzeugbundesamt „abgesegnet“ werden würde. (Landgericht Saarbrücken mit Urteil vom 14.6.2017 – 12 O 104/16)

Derzeit verfährt die Rechtsprechung sehr uneinheitlich. Wer das Fahrzeug im Saarland gekauft hat, hat aufgrund dieser aktuellen Entscheidung gute Karten, es gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben zu können. Es handelt sich, insbesondere, was die Frage der Nacherfüllung, also der Verpflichtung zur Teilnahme an der Rückrufaktion, betrifft, immer um Einzelfallentscheidungen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob das Oberlandesgericht des Saarlandes die Entscheidung hält.

Dem betroffenen Käufer kann jedoch nicht angeraten werden, abzuwarten. Volkswagen wird sich wohl zwar bis Ende 2018 nicht auf die Einrede der Verjährung berufen können, allerdings kann sich eine beanstandungslose Weiternutzung des Fahrzeugs bei der Frage der Zumutbarkeit der Nacherfüllung durchaus negativ auswirken.

 

BGH zu Auffahrunfall und Spurwechsel

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, der sehr häufig, gerade auf Bundesautobahnen, vorkommt. Es kommt zu einem Auffahrunfall auf der Überholspur. Der Auffahrende behauptet, der Vordermann habe vor ihm abgebremst und sei unvermittelt auf seine Spur hinübergezogen. Der Vorausfahrende behauptet, es habe keinen Spurwechsel gegeben.

Fraglich und sehr umstritten ist nun, wer in dieser Konstellation was zu beweisen hat. Klar ist, dass der Auffahrvorgang für sich betrachtet, einen Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden begründet, so auch noch einmal ausdrücklich der BGH im ersten Leitsatz des Urteils:

a) Bei Auffahrunfällen kann, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat ( § 4 Abs. 1 StVO ), unaufmerksam war ( § 1 StVO ) oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist ( § 3 Abs. 1 StVO ) (Fortführung Senatsurteil vom 13. Dezember 2011 – VI ZR 177/10 , BGHZ 192, 84 Rn. 7 ).

(BGH Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16)

Allerdings ist dieser Anscheinsbeweis nicht in Stein gemeißelt, sondern widerlegbar (Leitsatz 2):

b) Der Auffahrunfall reicht als solcher als Grundlage eines Anscheinsbeweises aber dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen (Fortführung Senatsurteil vom 13. Dezember 2011, aaO).

(BGH Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16)

Ein solcher Umstand, und das ist allgemein anerkannt, stellt ein in engem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang durchgeführter Spurwechsel des Vorausfahrenden dar. Zurück zum Ausgangsfall: Der Hintermann behauptete ja gerade einen solchen Spurwechsel des Vordermannes. Dieser wiederum bestritt, dass es überhaupt einen Spurwechsel gab. Muss nun also der Hintermann den Spurwechsel des Vordermannes beweisen oder muss der Vordermann beweisen, dass er die Spur nicht gewechselt hat. Hierzu führt der BGH in Leitsatz 3 aus:

c) Bestreitet der Vorausfahrende den vom Auffahrenden behaupteten Spurwechsel und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht. Es ist nicht Aufgabe des sich auf den Anscheinsbeweis stützenden Vorausfahrenden zu beweisen, dass ein Spurwechsel nicht stattgefunden hat.

(BGH Urt. v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16)

Im Ergebnis haftete der Auffahrende daher vollumfänglich.

Anmerkung: In dem Fall, den der BGH entschieden hat, stand fest, dass auch tatsächlich ein Auffahrunfall vorlag. Mithin war bewiesen, dass das hinten fahrende Fahrzeug von hinten auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren war. Bei Auffahrunfällen und behaupteten Spurwechseln ist nach wie vor eine Einzelfallbetrachtung angezeigt. Steht beispielsweise nicht fest, dass es sich um einen Auffahrvorgang gehandelt hat, weil etwa der Schaden am Fahrzeug des Auffahrenden seitlich entstanden ist, kommen auch andere Prozessergebnisse in Betracht.

BGH folgt EuGH – Stärkung der Verbraucherrechte

Über die bislang etwas verwirrende und nicht gerade verbraucherfreundliche Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs zum Thema Beweislastverteilung beim Mangelkauf hatte ich bereits berichtet:

EugH stärkt die Verbraucherrechte erheblich

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) führt in dieser Entscheidung aus, dass der Käufer bei Vorliegen eines Mangels, der sich innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe der Kaufsache zeigt, lediglich die Mangelsymptomatik beschreiben muss. Er hat lediglich darzulegen, dass der Kaufgegenstand innerhalb der ersten sechs Monate eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten oder der gewöhnlichen Beschaffenheit aufweist.

Es ist dann Sache des Verkäufers, dem entgegenzutreten und zu beweisen, dass der Mangel bei Übergabe der Kaufsache nicht vorgelegen hat.

Dieser Ansicht hat sich der Bundesgerichtshof nun ausdrücklich angeschlossen.

Das stellt eine weitere massive Stärkung der Rechte des Autokäufers dar.

Dem Bundesgerichtshof lag ein Fall vor, bei welchem sich der Kläger – in seiner Eigenschaft als Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs – auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen hatte. Diese Norm lautet:

§ 476 BGB Beweislastumkehr

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Der Kläger hatte ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke BMW 525d Touring mit Automatikgetrienbe gekauft. Nach rund fünf Monaten und einer in dieser Zeit erreichten Laufleistung von 13.000 km schaltete das Automatikgetrieb auf „D“ nicht mehr in den Leerlauf. Stattdessen ging der Motor aus.

Der Kläger verlor in beiden Vorinstanzen, weil die Gerichte nach der nunmehr veralteten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs urteilten und den Kläger darauf verwiesen, er habe den Beweis, dass das Fahrzeug bereits bei Übergabe mangelhaft war, nicht erbracht.

Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung auf und zwar unter ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine bislang zu § 476 BGB* entwickelten Grundsätze zugunsten des Käufers angepasst, um sie mit den Erwägungen in dem zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 (C-497/13, NJW 2015, 2237 – Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV) in Einklang zu bringen.

Die mit diesem Urteil durch den Gerichtshof erfolgte Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie**, der durch § 476 BGB* in nationales Recht umgesetzt wurde, gebietet es, im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB* den Anwendungsbereich dieser Beweislastumkehrregelung zugunsten des Verbrauchers in zweifacher Hinsicht zu erweitern.

Dies betrifft zunächst die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Käufers hinsichtlich des – die Voraussetzung für das Einsetzen der Vermutungswirkung des § 476 BGB bildenden – Auftretens eines Sachmangels innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang. Anders als dies der bisherigen Senatsrechtsprechung zu § 476 BGB entspricht, muss der Käufer nach Auffassung des Gerichtshofs im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchgüterkaufrichtlinie** weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Vielmehr hat er lediglich darzulegen und nachzuweisen, dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte. In richtlinienkonformer Auslegung des § 476 BGB* lässt der Senat nunmehr die dort vorgesehene Vermutungswirkung bereits dann eingreifen, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine „Mangelerscheinung“) gezeigt hat, der – unterstellt er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer fortan weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt.

Außerdem ist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB* die Reichweite der dort geregelten Vermutung um eine sachliche Komponente zu erweitern. Danach kommt dem Verbraucher die Vermutungswirkung des § 476 BGB* fortan auch dahin zugute, dass der binnen sechs Monate nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Damit wird der Käufer – anders als bisher von der Senatsrechtsprechung gefordert – des Nachweises enthoben, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat.

Folge dieser geänderten Auslegung des § 476 BGB* ist eine im größeren Maß als bisher angenommene Verschiebung der Beweislast vom Käufer auf den Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf. Der Verkäufer hat den Nachweis zu erbringen, dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft. Er hat also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, weil sie ihren Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und ihm damit nicht zuzurechnen ist. Gelingt ihm diese Beweisführung – also der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen – nicht hinreichend, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB* auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist, also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel vorlag. Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB* ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen sei, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar sei (§ 476 BGB am Ende*). Auch kann der Käufer im Einzelfall gehalten sein, Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu halten.

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 180/16 vom 12.10.2016

OLG Hamm zum Schuldanerkenntnis am Unfallort

Nicht selten kommt es vor, dass mir Mandanten bei der Erstbesprechung mitteilen: „Die Sache ist ganz klar. Der andere hat nach dem Unfall alles zugegeben. Er hat selbst gesagt, er sei Schuld.“.

In solchen und ähnlichen Erklärungen sehen viele Unfallbeteiligte ein Schuldanerkenntnis, das jegliche Haftungsfrage im Keim erstickt.

Und das ist grob falsch!

Zum einen, und das kann nicht oft genug hervorgehoben werden, bindet ein – wie auch immer geartetes – „Anerkenntis am Unfallort“ den Kfz-Haftpflichtversicherer nicht. Übrigens darf ein solches Anerkenntnis versicherungsrechtlich schon nicht abgegeben werden.

Zum anderen bedarf es, um wenigstens den Unfallgegner in dem Sinne zu binden, dass die Haftung ihm gegenüber damit festehen könnte, eines sogenannten deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Der Unfallgegner muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er für die konkrete eingetretenen Rechtsfolgen einstehen will und zwar gerade unabhängig von der Frage des Verschuldens.

Das ist unmittelbar bei einem Unfall praktisch nie der Fall, da es den Beteiligten meistens darum geht, den Unfallhergang zu fixieren.

Im vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall wurde folgende Erklärung von den Beteiligten, die es offenkundig besonders genau machen wollten, nach dem Unfall niedergeschrieben, mit einer Skizze versehen und unterschrieben:

„KFZ A befand sich mit eingeschaltetem Fahrtrichtungsanzeiger im Abbiegevorgang. KFZ B beginnt ein Überholmanöver und trifft KFZ A in der Fahrertür. KFZ B trifft das Verkehrsschild und kommt nach mehreren Metern zum Stehen. Fahrzeugführer von KFZ B gesteht ein in KFZ A hinein gefahren zu sein und den Unfall verursacht zu haben.“

In Bezug auf das vermeintliche Anerkenntnis im letzten Satz führt das OLG Hamm aus:

„Dem letzten Satz der Erklärung kann schließlich auch nicht etwa ein mit Rechtsbindungswillen abgegebenes deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1) entnommen werden. Die Annahme eines solchen Anerkenntnisses liegt bei einer vor Ort abgegebenen Erklärung, welche sich nicht auf konkrete Rechtsfolgen, sondern auf den tatsächlichen Hergang bezieht, von vornherein fern …“

(OLG Hamm Urt. v. 15.1.2016 – 9 U 30/15)

Bleibt die Frage: Was ist ein solches „Anerkenntis am Unfallort“ dann überhaupt Wert?

Nun, es kann vom Gericht zumindest als starkes Indiz für den tatsächlichen Hergang des Unfalls gewertet werden. Das aber auch nur, wenn es beweisbar abgegeben wurde. Die Beweisführung bereitet aber naturgemäß Probleme, wenn beispielsweise keine schriftliche Fixierung – wie im Fall des OLG Hamm – erfolgt ist oder die Erklärung nicht vor Zeugen (z.B. der Polizei) abgegeben wurde.

Zudem herrscht bei den Beteiligten oft gänzliche Unklarheit darüber, welche Rechtsfolge ein bestimmter Unfallhergang zeitigt.

Wer also meint, er bekomme auf keinen Fall Probleme bei der Unfallregulierung, weil der Unfallgegner ihm gegenüber irgendwelche Erklärungen abgegeben hat, der irrt. Wie man sich nach einem Unfall verhalten sollte, habe ich in einem Infoblatt zusammengefasst. Auch ein Unfallfragebogen für das Handschuhfach ist beigefügt. Zum Downloaden und Ausdrucken:

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/wp-content/uploads/2013/10/VerhaltenAmUnfallortMitEUBogen1.pdf

 

Halbe Vorfahrt bei rechts vor links – Haftungsverteilung beim Verkehrsunfall

Ein wenig bekanntes Rechtsinstitut ist die sogenannte „halbe Vorfahrt“.

Die Situation ist Folgende:

An einer Kreuzung, an der keine Vorfahrtsregelung durch Verkehrsschilder angeordnet ist, gilt grundsätzlich rechts vor links. Das sollte jedem Autofahrer klar sein. Der von rechts kommende Fahrer hat also Vorfahrt. Kommt es nun zum Unfall, sollte man meinen, der von links kommende Fahrer hafte vollumfänglich, da er die Vorfahrt des von rechts kommenden Fahrzeugs eben missachtet hat.

Allerdings verhält es sich häufig so, dass gerade innerorts, wo diese Unfälle in der Regel stattfinden, im Bereich von solchen Kreuzungen Sichthindernisse durch die Bebauung bestehen. Kann der von rechts kommende Fahrer nicht von weitem in die aus seiner Sicht von rechts kommende und daher bevorrechtigte Straße einsehen, muss er sich langsam an den Kreuzungsbereich herantasten. Er muss ja gegebenenfalls selbst einem von rechts kommenden Fahrzeug die Vorfahrt gewähren.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass hiervon auch das aus der untergeordneten, also von links kommende Fahrzeug geschützt ist.

Rechtsfolge ist die Bildung einer Haftungsquote. In der Regel ist eine 25 % – ige Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten angemessen.

Ersatz für das Restbenzin beim Totalschaden

Aus gegebenem Anlass, weil ich gerade mal wieder vor Gericht mit einem namentlich nicht näher benannten Versicherer darum streite:

Im Totalschadensfall hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz des Wertes des im Tank verbliebenen Restbenzins. Jedenfalls haben das mehrere Gerichte so ausgeurteilt (z.B.: LG Kiel, Urteil vom 19.07.2012 – Az: 13 O 60/12). Im Totalschadensfall ist das Auto – wie auch immer – letztlich weg; sei es durch Verkauf an einen Restwerthändler oder durch Verschrottung. Damit ist auch das im Tank verbliebene Benzin weg.

Möglicher Weise kann man auch eine andere Rechtsansicht vertreten, beispielsweise, das Restbenzin müsse beim Verkauf des Fahrzeugs beim Kaufpreis berücksichtigt werden. Das halte ich zwar für hart an der Grenze des Erträglichen angesiedelt, da meines Erachtens noch kein Restwertkäufer auf die Idee gekommen ist, nachzufragen, wie viel Benzin im Tank sei. Das wäre aber wohl gerade noch vertretbar.

Auf keinen Fall kann man nach meinem Dafürhalten dagegen ernsthaft der Ansicht sein, der Geschädigte müsse das Restbenzin abpumpen. Eben darauf will besagter Versicherer aber meinen Mandanten verweisen. Er sei wegen der Schadensgeringhaltungspflicht dazu verpflichtet gewesen, das Benzin vor Verschrottung des Fahrzeugs aus dem Tank zu entfernen, meint die HUK-Coburg Versicherung (ohhh … jetzt ist mir der Name doch rausgerutscht). Es ist die HUK-Coburg Versicherung.

Als Rechtsanwalt unterliege ich (leider) dem Sachlichkeitsgebot. Ich darf also meine Schriftsätze nicht so verfassen, wie ich das manchmal gerne möchte. So ein Klageverfahren wäre sicher für alle Beteiligten – auch das Gericht – viel lustiger und interessanter, wenn man mal wirklich sagen könnte, was man so von einigen Argumentationen hält, darf man aber nicht. Deshalb habe ich im laufenden Rechtsstreit nur auf die hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen verwiesen. Dürfte ich schreiben, was ich will, würde ich Folgendes erwidern:

„Leider waren die 27 Benzinabsaugvorrichtungen, die sich der Kläger höchst vorsorglich bereits vor Jahren für solche Fälle angeschafft hat, gerade allesamt nicht greifbar, da er sie an andere Geschädigte aus seinem Bekanntenkreis verliehen hat, so dass sich leider die Frage stellt, wie er das Benzin rein tatsächlich hätte absaugen sollen.

Ersichtlich stünde es aus Kostengründen außer Verhältnis, hiermit einen der zahlreich am Markt auftretenden und auf den Bereich Benzinabsaugung spezialisierten Betriebe der „Saug-, Blas- und Abpumpbranche“ zu beauftragen. Ich denke nicht, dass ein solches Unternehmen für die hier eingeklagten 30,00 € (Anmerkung: Wert des Restbenzins) tätig werden würde. Vielleicht hat die Beklagte aber auch einen auf Absaugarbeiten spezialisierten Partnerbetrieb oder hätte im Sinne des von ihr propagierten Schadensmanagements einen Mitarbeiter ihrer örtlichen Niederlassung vorbeischicken können zwecks Vornahme einer ordnungsgemäßen Absaugung beim Kläger und zwar nach allen Regeln der Kunst. Nur leider ist dem Kläger derartiges nicht in Aussicht gestellt worden.

Sollte sich das so verhalten, empfehle ich der Beklagten die Aufnahme eines Textbausteines in ihr erstes Anschreiben an einen Anspruchsteller nach einem Verkehrsunfall:

„Bitte prüfen Sie im Totalschadensfall sorgfältig, ob sich in Ihrem Tank noch Restbenzin befindet! Sollte dies der Fall sein, informieren Sie uns umgehend noch vor Verkauf des Fahrzeugs. Gerne schicken wir Ihnen einen Mitarbeiter unserer Partnerbetriebe des Sauggewerbes oder einen Sachbearbeiter unserer örtlichen Filiale vorbei. Unsere Partnerbetriebe und Mitarbeiter saugen für Sie ab. Professionell! Sie müssen sich um nichts kümmern! Wir stellen sogar den Schlauch und den Benzinkanister kostenlos zur Verfügung.“

Mit anderen Worten: Die einzige Möglichkeit für den Kläger, das Benzin abzupumpen, wäre es gewesen, sich einen Schlauch und einen Kanister zu kaufen, was vermutlich mehr gekostet hätte als das Restbenzin wert war, den Schlauch gefühlvoll in den Tank einzuführen, zu saugen, was die Backen hergeben, bis ihm die erste Ladung in den Mund spritzt, weil das Auto in der Regel nicht Bescheid sagt, wann es kommt … das Benzin … und das spritzende Saugende des Schlauches sofort in den Kanister einzuführen, so dass sich die volle Ladung dann in den Kanister – und hoffentlich nicht auf dem Gesicht oder Grundstück des Klägers – entleert hätte.

Dass er sich dabei die Atemwege verätzen, die Umwelt ernsthaft schädigen und sich eine Strafanzeige zuziehen könnte, ganz abgesehen davon, wie man sich bei so einem Saugvorgang vorkommen müsste und anschließend riechen würde, wäre dann aber wahrscheinlich ebenfalls aus Gründen der Schadenminderungspflicht in Kauf zu nehmen.“


Das kann ich aber nicht schreiben, weil es dann der Kollege von der Gegenseite an die Rechtsanwaltskammer schicken könnte. Ist generell schon so eine Sache in letzter Zeit … man muss höllisch aufpassen, was man so von sich gibt in diesen Tagen …

Europäischer Gerichtshof stärkt die Verbraucherrechte erheblich

Bekanntermaßen ist es bei einem Kaufvertrag, insbesondere bei einem Fahrzeugkauf, von erheblicher Bedeutung, ob ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt oder nicht, sprich ob der Käufer Verbraucher (umgangssprachlich: Privater) ist und bei einem Unternehmer („Händler“) kauft oder nicht.
Für den Verbrauchsgüterkauf – also „Privat von Händler“ – gelten besondere Vorschriften, die den Verbraucher schützen.

Im Wesentlichen beruht das deutsche „Verbraucherschutzrecht“ auf einer europäischen Richtlinie, die die Mitgliedsstaaten in ihr eigenes nationales Recht umgesetzt haben. Kommen diese nationalen Gesetze in einem Rechtsstreit zur Anwendung, sind sie immer vor dem Hintergrund der europäischen Richtlinie zu prüfen. Treten dabei von seiten des Gerichts Zweifel auf, wie das eigene Recht des Mitgliedsstaates vor dem Hintergrund der europäischen Richtlinie auszulegen ist, kann das jeweilige Gericht den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen und ihm die Zweifel, die es hat, als Vorlagefragen zur Beantwortung vorlegen. Das nennt man dann Vorabentscheidungsverfahren.

Diesen kleinen Exkurs ins Europarecht vorausgeschickt, komme ich nun zu der Entscheidung des EuGH vom 4.6.2015 – C-497/13.

Der Gerechtshof Arnhem Leeuwarden (Niederlande) legte dem EuGH im Rahmen eines Mängelrechtsstreits gleich mehrere interessante Fragen zur Vereinbarkeit und Auslegung des eigenen Rechts mit der europäischen Richtlinie zum Verbraucherschutz vor.

Zwei Vorlagefragen sind von Interesse und stärken die Rechte des Verbrauchers erheblich:

1.
Eine der Vorlagefragen, die ich hier anspreche, lautet:

„Ist das nationale Gericht – … – verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob der Käufer bei einem Vertrag ein Verbraucher im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 1999/44 ist?“

Die Antwort des EuGH:

„Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist auf die Fragen 1, 2, 3 und 7 zu antworten, dass die Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen ist, dass in einem Rechtsstreit über einen Vertrag, der möglicherweise in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, sofern es über die dafür nötigen rechtlichen und tatsächlichen Anhaltspunkte verfügt oder darüber auf ein einfaches Auskunftsersuchen hin verfügen kann, die Frage zu prüfen hat, ob der Käufer als Verbraucher eingestuft werden kann, selbst wenn er sich nicht ausdrücklich auf diese Eigenschaft berufen hat.“ (Hervorhebung durch Autor)

Damit bringt der EuGH deutlich zum Ausdruck, dass es Sache des Gerichts ist, den Sachverhalt aufzuklären. Besteht die „Möglichkeit“, dass der in einem Rechtsstreit gegenständliche Vertrag in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, hat das Gericht also zumindest ein „einfaches Auskunftsersuchen“ hierzu zu tätigen.

Das widerspricht dem in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatz, nach welchem es Sache der Parteien ist, den für sie günstigen Vortrag zu leisten und in den Prozess einzuführen. Von Amts wegen werden nach nationalem Recht nur Prozessvoraussetzungen (Zuständigkeit des Gerichts etc.) geprüft.

Des Weiteren hat der EuGH übrigens klargestellt, dass die Nichtaufklärung der Verbrauchereigenschaft, auch wenn diese nicht vorgetragen wurde, auch dann gegen die Richtlinie verstößt, wenn die jeweilige Partei anwaltlich vertreten ist. Während es nach der Ansicht der deutschen Rechtsprechung dem Anwalt sogar anzukreiden ist, wenn er das Gericht nicht auf dessen fehlerhafte Rechtsansichten hinweist, vertritt der EuGH hier eine dem Anwalt günstigere Rechtsprechung.

2.

Mit der zweiten Frage wollte der Gerechtshof Arnhem Leeuwarden vom EuGH wissen, wie die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 vorgenommene Beweislastverteilung funktioniert, und insbesondere, welches die Umstände sind, die der Verbraucher beweisen muss.

Der Bundesgerchtshof vertrat hierzu bislang eine wenig verbraucherfreundliche Auslegung des nationalen Rechts. Im Bürgerlichen Gesetzbuch findet sich diese Regelung in der Beweislastumkehr des § 476 BGB:

„Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.“

Gerade beim Gebrauchtwagenkauf ist diese Beweislastumkehr innerhalb der ersten sechs Monate von ganz erheblicher Bedeutung. Denn es ist gar nicht so selten, dass sich innerhalb dieses Zeitraumes ein Mangel zeigt, der bei Übergabe des Fahrzeugs eben nicht erkennbar war bzw. sich noch keinem der Beteiligten gezeigt hatte.

In mehreren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nahm dieser eine Differenzierung vor, die nur schwer verständlich war und für den Verbraucher zu einer erheblichen Verkürzung seiner Rechte und regelmäßig sogar zum völligen Leerlauf der Beweislastumkehr des § 476 BGB führte.
Der BGH konstatiert, dass die Vermutung, dass ein Mangel bereits bei Übergabe des Kaufgegenstandes vorlag, sich nur auf das Vorhandensein dieses konkreten Mangels bezieht. Reißt etwa innerhalb der ersten sechs Monate der Zahnriemen, dann war er jedenfalls bei Übergabe noch nicht gerissen. Der Verbraucher muss daher die konkrete Mangelursache aufklären (z.B.: gelockerte Schraube bei Übergabe des Fahrzeugs) und darlegen. Behauptet der Verkäufer, diese sei bei Gefahrübergang nicht vorhanden gewesen, lässt das der BGH genügen, weil er die Beweislastumkehr eben nur auf den konkreten Mangel erstreckt. Die Differenzierung zwischen angelegtem Mangel, Mangelursache und konkretem Mangel ist mehr als schwammig.

Der EuGH sieht das wesentlich verbraucherfreundlicher:

„Daher ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen ist, dass die Regel, wonach vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand,

– zur Anwendung gelangt, wenn der Verbraucher den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist und dass die fragliche Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, d. h., sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist;

– von der Anwendung nur dadurch ausgeschlossen werden kann, dass der Verkäufer rechtlich hinreichend nachweist, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist.“ (Hervorhebung durch Autor)

Der EuGH stellt damit klar, dass der Verbraucher keineswegs irgendwelche Ausführungen zu tätigen hat, worin die Mangelursache liegt oder ähnliches. Er hat lediglich darzutun, dass der Kaufgegenstand innerhalb von 6 Monaten nicht mehr vertragsgemäß ist.

Tut er dies, wird vermutet, dass bei Übergabe des Kaufgegenstandes bereits ein Mangel vorlag, der zur Vertragswidrigkeit führte.

Nun hat der Verkäufer darzulegen und zu beweisen, dass die Mangelursache nach der Übergabe eingetreten ist. Das läuft de facto auf eine sechsmonatige Garantie für den Verbraucher hinaus.

Eine sehr begrüßenswerte Entscheidung; jedenfalls aus Sicht der Verbraucher.

KG Berlin: Kein Ersatz des Fahrzeugschadens bei unzureichenden Angaben zu einem Vorschaden

Das Kammergericht hat entschieden, dass der Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens vollständig entfällt, wenn der Geschädigte einen Vorschaden nicht angibt oder hierzu unzureichende Angaben macht.

Damit ließ das Kammergericht (KG) einen Geschädigten vollständig im Regen stehen, obwohl der Wiederbeschaffungswert von 8.500,00 € sogar unstreitig war.

In der Praxis der Unfallregulierung sollte zunehmend darauf geachtet werden, dass eingereichte Privatgutachten des Geschädigten auch hinreichende und nachvollziehbare Aussagen über etwaig vorhandene Vorschäden sowie deren Auswirkungen auf den Wiederbeschaffungswert enthalten.

Nach dieser Rechtsprechung, die einer Überprüfung durch den Bundesgerichtshof allerdings kaum standhalten dürfte, kann es sonst passieren, dass der Geschädigte leer ausgeht.

Dieselgate Abgasskandal – Leseempfehlung für Kollegen und Betroffene

Über die Rechtsfolgen des Abgasskandals  ist derzeit viel zu lesen. Weitgehend spekulativ und zusammenhanglos erscheint die „Berichterstattung“ in diversen Internetblogs.

Wichtig für Betroffene ist, dass die gesetzlichen Verjährungsfristen eingehalten werden. In diesem Zusammenhang noch einmal der ausdrückliche Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs:

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/bgh-verkuerzung-gewaehrleistung-bei-gebrauchtwagen-auf-jahr-unwirksam/

Lassen Sie sich auch beim Gebrauchtwagenkauf nicht auf die einjährige Gewährleistungsfrist verweisen!

Nunmehr hat der Kollege Detlef Burhoff zugeschlagen und im Verkehrsrechtsreport die – jedenfalls nach meinem Kenntnisstand – erste umfängliche Zusammenfassung des Sachverhalts und rechtliche Würdigung in der Zeitschrift Verkehrsrechtsreport (VRR) veröffentlicht. Der lesenswerte Beitrag wird über seine Homepage kostenlos zur Verfügung gestellt.

Hier der Link zum Blog des Kollegen Burhoff:

http://blog.burhoff.de/2015/11/dieselgate-eine-erste-rechtliche-bewertung-hier-gibt-es-kostenlose-infos/

 

Reparatur eines Mangelfahrzeugs – Bringen, Holen oder Kommen?

Die Frage, ob der Käufer eines mangelhaften Autos dieses zur Nacherfüllung (Reparatur) zum Verkäufer bringen muss oder ob es der Verkäufer abholen muss, war lange Zeit umstritten.

Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.4.2011 – VIII ZR 220/10 – kam schnell Licht ins Dunkel.

Kurz gefasst, ist in der Regel der Erfüllungsort beim Verkäufer. Das bedeutet, der Käufer muss das Fahrzeug zum Verkäufer bringen. Anderes gilt nur, wenn die Parteien des Kaufvertrages etwas anderes ausdrücklich vereinbart haben, oder wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles etwas anderes gibt. Letzteres ist beim typischen Vorortkauf auf dem Hof des Fahrzeughändlers praktisch nie der Fall.

Sprich: In der Regel muss das Fahrzeug zum Verkäufer verbracht werden.

Das ist für den Käufer häufig problematisch, insbesondere wenn das Fahrzeug nicht fahrbereit ist und infolgedessen abtransportiert werden muss. Dann nämlich stellt sich die Folgefrage, wer den Fahrzeugtransport zahlen muss.

Die einfache Antwort lautet: Der Verkäufer zahlt die Transportkosten.

Aber: Eben nur, wenn das Fahrzeug tatsächlich mangelhaft ist. Und das ist ja zwischen den Parteien häufig streitig.

Da beißt sich die Katze also in den Sack.

Denn, was tun, wenn der Verkäufer sich – wie nicht selten – auf den Standpunkt stellt: Das Fahrzeug hat zwar keine Mängel, aber bringen Sie es doch mal vorbei, ich gucke mir die Sache an?

Wer sich nun weigert, das Fahrzeug hinzubringen und stattdessen – gegebenenfalls nach Fristsetzung zur Nachbesserung – den Rücktritt erklärt, der glotzt in den Flatscreen. Der Rücktritt ist in einem solchen Fall unwirksam und zwar unabhängig davon, ob das Fahrzeug mangelhaft ist oder nicht.

In der Praxis ist es aber häufig so, dass das Vertrauen des Käufers in die Seriosität des Verkäufers bereits allein durch das Vorhandensein des Mangels ganz erheblich gelitten hat. Unabhängig davon, dass der Gebrauchtwagenkäufer per se davon ausgeht, übers Ohr gehauen worden zu sein (Stichwort: arglistige Täuschung), was – zugegebener Maßen – auch „gelegentlich“ der Fall sein dürfte.

Im Klartext: Der Käufer will eigentlich das Fahrzeug nicht mehr zum Verkäufer zur Reparatur bringen, weil er schon nichts Gutes mehr vom Verkäufer erwartet.

Nun, dann bleibt nur noch, einen Vorschuss auf die Transportkosten – und zwar in voller Höhe – vom Verkäufer zu verlangen. Weigert sich der Verkäufer, den Vorschuss zu zahlen, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten.

Auch hier muss man letztlich jedoch das Pferd von hinten aufbäumen.

War das Fahrzeug nämlich nicht mangelhaft, war auch die Forderung nach Transportkostenvorschuss natürlich nicht rechtens. Und dann geht die ganze Sache mit dem Pferd und der Katze und so von vorne los … äh falsch … nach hinten und zwar unabhängig vom Bestehen eines Mangels.

Wer jetzt vor lauter Bäumen keinen Wolf mehr sieht, der soll zum Anwalt seines Vertrauens gehen. Am besten aber diesen Artikel ausdrucken (Druckfunktion unten) und gleich zum Kollegen oder zur Kollegin mitnehmen. Macht man heute so als Mandant. Dem Anwalt die Rechtslage anhand diverser Ausdrucke dubioser und höchst missverständlicher Internetartikel erklären. Da freut sich auch der Anwalt.

BGH: Verkürzung der Gewährleistung bei Gebrauchtwagen auf ein Jahr unwirksam!

Der Bundesgerichthof hat die weit verbreitete Klausel des Zentralverbandes des Kfz-Gewerbes, mit welcher die Gewährleistung beim Gebrauchtwagenkauf von zwei Jahren auf ein Jahr reduziert wird, für unwirksam erklärt.

Da sich die weitaus meisten Gebrauchtwagenhändler eben dieses Klauselwerkes bedienen, hat das Urteil erhebliche Praxisrelevanz.

Der Bundesgerichtshof hält die AGB in diesem Punkt für unverständlich, mithin liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein Verstoß gegen das in § 307 Absatz 1 BGB geregelte Transparenzgebot vor.

Die Rechtsfolge ist, dass es bei Gebrauchtwagenkäufen, denen – wie eben weit verbreitet – diese Gebrauchtwagen-AGB zugrunde liegen, bei der zweijährigen, gesetzlich geregelten Verjährungsfrist für Mängelansprüche bleibt.

Eilt! Verjährung am 31.12.2014! Bearbeitungsgebühr zurückfordern!

Über die Rechtswidrigkeit der Erhebung einer Bearbeitungsgebühr bei Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages habe ich vor einiger Zeit bereits berichtet:

Bearbeitungsgebühr zurückfordern

Nun hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28. Oktober 2014 entschieden, dass für alle Ansprüche aus den Jahren 2004 bis 2011  am 31.12.2014 (!!!) Verjährung eintritt.

Wenn Sie also in den Jahren 2004 bis 2011 einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben, ist schnelles Handeln gefragt, denn es müssen bis zum Jahresende verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden.

Wichtig: Ein Schreiben an die Bank hemmt die Verjährung nicht.

Melden Sie sich umgehend telefonisch bei mir! Die Kommunikation und Datenübermittlung kann schnell und einfach per Telefon und Internet erfolgen, so dass ich bei rechtzeitiger Beauftragung die anspruchswahrenden Maßnahmen noch rechtzeitig für Sie einleiten kann.

 

Blink, blink?! OLG Dresden zur Haftungsverteilung bei „falschem Blinken“.

Das Oberlandesgericht Dresden hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Ein Autofahrer befuhr eine Vorfahrtsstraße, blinkte rechts, fuhr dann aber mit unveränderter Geschwindigkeit geradeaus weiter.

Die Unfallgegnerin, die aus der untergeordneten Straße von rechts kommend nach links in die Hauptstraße einbiegen wollte, wartete zunächst ordnungsgemäß.

Als sie sah, dass das aus ihrer Sicht von links kommende, bevorrechtigte Fahrzeug rechts blinkte, fuhr sie in die Hauptstraße ein. Es kam zur Kollission.

Das OLG Dresden hat eine Haftungsquote von 70:30 zu Gunsten des Blinkenden ausgesprochen und ausgeführt, dass allein das Setzen eines Blinkers noch keinen Vertrauenstatbestand in ein tatsächliches Abbiegen setzt. Es müssten weitere Anzeichen, etwa eine deutliche Verlangsamung des Fahrzeugs oder eine Orientierung im Sinne eines Abbiegevorgangs gegeben sein.

Sei dies nicht der Fall, überwiege grundsätzlich die Haftung des Wartepflichtigen.

Werkstattrisiko geht zu Lasten des Haftpflichtversicherers

Two cars crashedDas Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 4.6.2013 – 302 O 92/11 – noch einmal die ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach das sogenannte Werkstattrisiko grundsätzlich zu Lasten des Schädigers bzw. des hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherers geht.

Die Geschädigte hatte restliche Nutzungsausfallentschädigung sowie den Ersatz weiterer Reparaturkosten eingeklagt. Die Geschädigte hatte zur Schadensermittlung ein Sachverständigengutachten (Haftpflichtgutachten) einholen lassen und sodann Reparaturauftrag erteilt. Die Reparaturdauer ging mit insgesamt 34 Tagen über die im Gutachten geschätzten 8 bis 10 Arbeitstage deutlich hinaus. Die endgültigen Reparaturkosten lagen bei 14.193,40 €, während im Gutachten nur 11.165,81 € angegeben waren.

Das Landgericht Hamburg hat der Geschädigten Recht gegeben. Gemäß der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung geht das Werkstattrisiko grundsätzlich zu Lasten des Schädigers.

Das Landgericht führt in Anlehnung an die obergerichtliche Rechtsprechung ausdrücklich aus:

„Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeitszeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind.“

Gewerbeauskunft-Zentrale.de auf Vergütung für Eintrag verklagt

Das Unternehmen GWE-Wirschaftsinformations GmbH aus Düsseldorf firmiert im Internet unter der Seite Gewerbeauskunft-Zentrale.de. Das Unternehmen schreibt Gewerbetreibende an und fordert sie auf, in einem bereits vorausgefüllten Formular noch fehlende Daten zu ergänzen oder falsche Daten zu korrigieren. Das Schreiben erweckt den Eindruck, als sei der Eintrag in dem Register, das die Firma online führt, kostenlos. Zudem erweckt das Schreiben aufgrund seiner Aufmachung bei vielen Betroffenen den Eindruck, es handele sich um ein offizielles, von einer Behörde stammendes Schreiben.

Tatsächlich werden dann bei einer Vertragslaufzeit von zwei Jahren pro Monat 39,85 € netto beansprucht. Gerechnet auf die gesamte Vertragslaufzeit handelt es sich also um einen Betrag von insgesamt 956,40 € zuzüglich Umsatzsteuer.

In den vergangenen Jahren haben sich Pressemitteilungen und Urteile bezüglich dieses Vorgehens gehäuft (siehe hier: Verbraucherzentrale Hamburg, Pressemitteilung vom 20.02.2012: „Warnung vor Gewerbeauskunft-Zentrale“).

Wie der Kollege Udo Vetter in seinem law blog berichtet, ist ein Kollege einer Düsseldorfer Anwaltskanzlei auf eine völlig neue Idee gekommen.

Er fügte eine Eintragung in das Formular ein, nach welcher er seinerseits für die Veröffentlichung der Kanzleidaten im Online-Register der Gewerbeauskunft-Zentrale.de eine Vergütung von jährlich brutto 569,06 € verlangte.

Der Verlag nahm die Kanzleidaten in sein Register auf. Nun klagt der Kollege auf die Zahlung der jährlichen Vergütung. Er sieht in der Veröffentlichung der Daten durch die GWE-Wirschaftsinformations GmbH die Annahme des von ihm unterbreiteten Vertragsangebots.

Auch eine meiner Mandantinnen wurde von einem solchen Schreiben überrumpelt. Die GWE-Wirtschaftsinformations GmbH hat den Prozess verloren. Ich wünsche dem Kollegen, Herrn Dr. Mirko Müller, der bereits angekündigt hat, im Falle des Obsiegens den Betrag für einen guten Zweck zu spenden, viel Erfolg.