• Ihre Fachanwaltskanzlei für Verkehrsecht im Saarland

Archiv: 26. Juli 2016

Auswertung von Verkehrsmessungen durch Private – OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt hat mit Bschluss vom 3.3.2016 – 2 Ss OWi 1059/15 – zur sehr umstrittenen Frage der Verwertbarkeit einer Messung bei Auswertung durch Private Stellung genommen:

1. Verkehrsüberwachung ist Aufgabe der staatlichen Ordnungsbehörden (§ 47 OWiG, § 26 StVG).

2. Bei der Hinzuziehung von sog. privaten Dienstleistern muss die Ordnungsbehörde Herrin des Verfahrens bleiben.

3. Kern der Verkehrsmessung ist neben der Entscheidung wann, wo und wie gemessen wird, die Auswertung und Bewertung der vom Messgerät erzeugten Falldateien.

4. Beweismittel der Geschwindigkeitsmessung ist nämlich die Falldatei in ihrer lesbaren Auswertung in der Gerichtsakte (i.d.R. in Form eines Lichtbildes mit den Messdaten). Die Ordnungsbehörde muss deswegen im Besitz der Falldateien sein und sie muss über die Bewertung der Falldatei hinaus die Authentizität der Umwandlung der Falldateien in ihrer lesbaren Form sicherstellen und garantieren.

5. Überlässt die Ordnungsbehörde gesetz- und erlasswidrig ihre Kernaufgabe sog. privaten Dienstleistern, führt dies nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot, da die Auswertung der Falldatei durch die Ordnungsbehörde nachgeholt werden kann.

OLG Hamm zum Schuldanerkenntnis am Unfallort

Nicht selten kommt es vor, dass mir Mandanten bei der Erstbesprechung mitteilen: „Die Sache ist ganz klar. Der andere hat nach dem Unfall alles zugegeben. Er hat selbst gesagt, er sei Schuld.“.

In solchen und ähnlichen Erklärungen sehen viele Unfallbeteiligte ein Schuldanerkenntnis, das jegliche Haftungsfrage im Keim erstickt.

Und das ist grob falsch!

Zum einen, und das kann nicht oft genug hervorgehoben werden, bindet ein – wie auch immer geartetes – „Anerkenntis am Unfallort“ den Kfz-Haftpflichtversicherer nicht. Übrigens darf ein solches Anerkenntnis versicherungsrechtlich schon nicht abgegeben werden.

Zum anderen bedarf es, um wenigstens den Unfallgegner in dem Sinne zu binden, dass die Haftung ihm gegenüber damit festehen könnte, eines sogenannten deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Der Unfallgegner muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er für die konkrete eingetretenen Rechtsfolgen einstehen will und zwar gerade unabhängig von der Frage des Verschuldens.

Das ist unmittelbar bei einem Unfall praktisch nie der Fall, da es den Beteiligten meistens darum geht, den Unfallhergang zu fixieren.

Im vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall wurde folgende Erklärung von den Beteiligten, die es offenkundig besonders genau machen wollten, nach dem Unfall niedergeschrieben, mit einer Skizze versehen und unterschrieben:

„KFZ A befand sich mit eingeschaltetem Fahrtrichtungsanzeiger im Abbiegevorgang. KFZ B beginnt ein Überholmanöver und trifft KFZ A in der Fahrertür. KFZ B trifft das Verkehrsschild und kommt nach mehreren Metern zum Stehen. Fahrzeugführer von KFZ B gesteht ein in KFZ A hinein gefahren zu sein und den Unfall verursacht zu haben.“

In Bezug auf das vermeintliche Anerkenntnis im letzten Satz führt das OLG Hamm aus:

„Dem letzten Satz der Erklärung kann schließlich auch nicht etwa ein mit Rechtsbindungswillen abgegebenes deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Beklagten zu 1) entnommen werden. Die Annahme eines solchen Anerkenntnisses liegt bei einer vor Ort abgegebenen Erklärung, welche sich nicht auf konkrete Rechtsfolgen, sondern auf den tatsächlichen Hergang bezieht, von vornherein fern …“

(OLG Hamm Urt. v. 15.1.2016 – 9 U 30/15)

Bleibt die Frage: Was ist ein solches „Anerkenntis am Unfallort“ dann überhaupt Wert?

Nun, es kann vom Gericht zumindest als starkes Indiz für den tatsächlichen Hergang des Unfalls gewertet werden. Das aber auch nur, wenn es beweisbar abgegeben wurde. Die Beweisführung bereitet aber naturgemäß Probleme, wenn beispielsweise keine schriftliche Fixierung – wie im Fall des OLG Hamm – erfolgt ist oder die Erklärung nicht vor Zeugen (z.B. der Polizei) abgegeben wurde.

Zudem herrscht bei den Beteiligten oft gänzliche Unklarheit darüber, welche Rechtsfolge ein bestimmter Unfallhergang zeitigt.

Wer also meint, er bekomme auf keinen Fall Probleme bei der Unfallregulierung, weil der Unfallgegner ihm gegenüber irgendwelche Erklärungen abgegeben hat, der irrt. Wie man sich nach einem Unfall verhalten sollte, habe ich in einem Infoblatt zusammengefasst. Auch ein Unfallfragebogen für das Handschuhfach ist beigefügt. Zum Downloaden und Ausdrucken:

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/wp-content/uploads/2013/10/VerhaltenAmUnfallortMitEUBogen1.pdf

 

Halbe Vorfahrt bei rechts vor links – Haftungsverteilung beim Verkehrsunfall

Ein wenig bekanntes Rechtsinstitut ist die sogenannte „halbe Vorfahrt“.

Die Situation ist Folgende:

An einer Kreuzung, an der keine Vorfahrtsregelung durch Verkehrsschilder angeordnet ist, gilt grundsätzlich rechts vor links. Das sollte jedem Autofahrer klar sein. Der von rechts kommende Fahrer hat also Vorfahrt. Kommt es nun zum Unfall, sollte man meinen, der von links kommende Fahrer hafte vollumfänglich, da er die Vorfahrt des von rechts kommenden Fahrzeugs eben missachtet hat.

Allerdings verhält es sich häufig so, dass gerade innerorts, wo diese Unfälle in der Regel stattfinden, im Bereich von solchen Kreuzungen Sichthindernisse durch die Bebauung bestehen. Kann der von rechts kommende Fahrer nicht von weitem in die aus seiner Sicht von rechts kommende und daher bevorrechtigte Straße einsehen, muss er sich langsam an den Kreuzungsbereich herantasten. Er muss ja gegebenenfalls selbst einem von rechts kommenden Fahrzeug die Vorfahrt gewähren.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass hiervon auch das aus der untergeordneten, also von links kommende Fahrzeug geschützt ist.

Rechtsfolge ist die Bildung einer Haftungsquote. In der Regel ist eine 25 % – ige Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten angemessen.