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Archiv: 28. August 2015

Reparatur eines Mangelfahrzeugs – Bringen, Holen oder Kommen?

Die Frage, ob der Käufer eines mangelhaften Autos dieses zur Nacherfüllung (Reparatur) zum Verkäufer bringen muss oder ob es der Verkäufer abholen muss, war lange Zeit umstritten.

Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.4.2011 – VIII ZR 220/10 – kam schnell Licht ins Dunkel.

Kurz gefasst, ist in der Regel der Erfüllungsort beim Verkäufer. Das bedeutet, der Käufer muss das Fahrzeug zum Verkäufer bringen. Anderes gilt nur, wenn die Parteien des Kaufvertrages etwas anderes ausdrücklich vereinbart haben, oder wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles etwas anderes gibt. Letzteres ist beim typischen Vorortkauf auf dem Hof des Fahrzeughändlers praktisch nie der Fall.

Sprich: In der Regel muss das Fahrzeug zum Verkäufer verbracht werden.

Das ist für den Käufer häufig problematisch, insbesondere wenn das Fahrzeug nicht fahrbereit ist und infolgedessen abtransportiert werden muss. Dann nämlich stellt sich die Folgefrage, wer den Fahrzeugtransport zahlen muss.

Die einfache Antwort lautet: Der Verkäufer zahlt die Transportkosten.

Aber: Eben nur, wenn das Fahrzeug tatsächlich mangelhaft ist. Und das ist ja zwischen den Parteien häufig streitig.

Da beißt sich die Katze also in den Sack.

Denn, was tun, wenn der Verkäufer sich – wie nicht selten – auf den Standpunkt stellt: Das Fahrzeug hat zwar keine Mängel, aber bringen Sie es doch mal vorbei, ich gucke mir die Sache an?

Wer sich nun weigert, das Fahrzeug hinzubringen und stattdessen – gegebenenfalls nach Fristsetzung zur Nachbesserung – den Rücktritt erklärt, der glotzt in den Flatscreen. Der Rücktritt ist in einem solchen Fall unwirksam und zwar unabhängig davon, ob das Fahrzeug mangelhaft ist oder nicht.

In der Praxis ist es aber häufig so, dass das Vertrauen des Käufers in die Seriosität des Verkäufers bereits allein durch das Vorhandensein des Mangels ganz erheblich gelitten hat. Unabhängig davon, dass der Gebrauchtwagenkäufer per se davon ausgeht, übers Ohr gehauen worden zu sein (Stichwort: arglistige Täuschung), was – zugegebener Maßen – auch „gelegentlich“ der Fall sein dürfte.

Im Klartext: Der Käufer will eigentlich das Fahrzeug nicht mehr zum Verkäufer zur Reparatur bringen, weil er schon nichts Gutes mehr vom Verkäufer erwartet.

Nun, dann bleibt nur noch, einen Vorschuss auf die Transportkosten – und zwar in voller Höhe – vom Verkäufer zu verlangen. Weigert sich der Verkäufer, den Vorschuss zu zahlen, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten.

Auch hier muss man letztlich jedoch das Pferd von hinten aufbäumen.

War das Fahrzeug nämlich nicht mangelhaft, war auch die Forderung nach Transportkostenvorschuss natürlich nicht rechtens. Und dann geht die ganze Sache mit dem Pferd und der Katze und so von vorne los … äh falsch … nach hinten und zwar unabhängig vom Bestehen eines Mangels.

Wer jetzt vor lauter Bäumen keinen Wolf mehr sieht, der soll zum Anwalt seines Vertrauens gehen. Am besten aber diesen Artikel ausdrucken (Druckfunktion unten) und gleich zum Kollegen oder zur Kollegin mitnehmen. Macht man heute so als Mandant. Dem Anwalt die Rechtslage anhand diverser Ausdrucke dubioser und höchst missverständlicher Internetartikel erklären. Da freut sich auch der Anwalt.

Unfallregulierung: Auffahren auf Abbieger – Wer haftet?

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte über eine in der Praxis gar nicht so seltene Konstellation zu entscheiden. Der Vordermann will in ein Grundstück abbiegen, der Hintermann fährt aus Unachtsamkeit auf.

Wie allgemein bekannt sein dürfte, gilt gegen den Auffahrenden grundsätzlich der sogenannte Anscheinsbeweis. Das heißt, wer einem anderen auffährt, gilt zunächst als der Verursacher des Unfalls. Denn es wird vermutet, dass er entweder den erforderlichen Abstand nicht eingehalten hat oder unaufmerksam gefahren ist.

Nun gilt aber, was eher weniger geläufig ist, auch beim Ein- und Ausfahren in ein Grundstück der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Ein- und Ausfahrenden.

Man könnte auch sagen: Es treffen sich zwei Anscheinsbeweise.

Wer ist denn jetzt schuld?

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urt. v. 23.6.2015, I-U 107/14) trifft den Auffahrenden das volle Verschulden. Gegen ihn soll weiterhin der Anscheinsbeweis gelten, der durch den Abbiegevorgang des Vordermannes nicht erschüttert wird. Anders sieht das allerdings das Landgericht Saarbrücken (Urt. v. 21.11.2014 – 13 S 138/14), das in einem ähnlich gelagerten Fall eine Haftungsquote (Mitverschulden beider Fahrer) angenommen hat.

Darauf hinzuweisen ist, dass jeder Einzelfall anders liegt und seine Besonderheiten aufweist, die einer gründlichen Auswertung bedürfen. Entsprechender Sachvortrag bereits in der Unfallmeldung, ist unerlässlich. Gleiches gilt natürlich für eine etwaige Klagebegründung oder Klageerwiderung.

LG Saarbrücken – Sofortiger Restwertverkauf zulässig!

Die Frage, ob ein Geschädigter sein Fahrzeug nach einem Totalschaden sofort zum Restwert gemäß Gutachten verkaufen kann oder dem gegnerischen Haftpflichtversicherer die Möglichkeit geben muss, einen alternativen Restwert zu ermitteln, ist in der Rechtsprechung höchst umstritten.

Zum besseren Verständnis:

Im Totalschadensfall erhält der Geschädigte vom Haftpflichtversicherer den sogenannten Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt. Dieser wird in der Regel von einem vom Geschädigten beauftragten Gutachter im Rahmen eines Haftpflichtgutachtens ermittelt.
Der Sachverständige ermittelt zwei Werte. Zum einen ermittelt er den Wiederbeschaffungswert. Hierbei handelt es sich um den Wert, den das Fahrzeug unmittelbar vor dem Unfallschaden hatte. Zum anderen ermittelt er den Restwert. Das ist der Wert, den das verunfallte Fahrzeug gegebenenfalls noch hat. Im Totalschadensfall kann der Unfallgeschädigte das beschädigte Fahrzeug noch verkaufen und so den Restwert erzielen.

Der Haftpflichtversicherer ersetzt dann den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes. Je höher also der Restwert ist, desto weniger Geld erhält der Geschädigte.

Aus diesem Grund ist der Restwert eine äußerst umstrittene Position. Der Sachverständige stellt zur Restwertermittlung das Fahrzeug in eine Restwertböse ein und versucht, es nach Möglichkeit an einen lokalen Aufkäufer zu vermitteln. Der Geschädigte bzw. sein Rechtsanwalt erhalten das Gutachten vorm Haftpflichtversicherer und leiten es an diesen weiter.
Das Gutachten enthält verbindliche Angebote, zu denen das Fahrzeug verkauft werden kann. Der Geschädigte muss sich nur mit dem Restwertaufkäufer in Verbindung setzen. Nach einiger Zeit hat dann der Haftpflichtversicherer seinerseits einen Restwert ermittelt und zwar – entgegen der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – meist auf bundesweiter Ebene und gerade nicht aus dem örtlichen Umfeld des Geschädigten stammend. In aller Regel sind diese Restwertgebote natürlich höher.

Der Haftpflichtversicherer bringt dann den von ihm ermittelten Restwert in Abzug und beruft sich auf die Schadenminderungspflicht des Geschädigten. Es stellt sich dann die Frage, ob der Abzug berechtigt ist.

In diesem Zusammenhang spielt es eine entscheidende Rolle, wozu der Geschädigte vor Veräußerung des Fahrzeugs verpflichtet ist. Muss er vor Verkauf des Fahrzeugs das Gutachten überhaupt an den Haftpflichtversicherer gesandt haben? Muss er diesem einen Prüfungszeitraum einräumen und ihm ermöglichen, eigene Angebote einzuholen?

„NEIN!“, sagt jetzt das Landgericht Saarbrücken und stellt fest:

„Der Geschädigte darf sein Fahrzeug jederzeit und unabhängig davon veräußern, ob er zuvor ein Schadensgutachten eingeholt und der Schädigerseite vorgelegt hat. Insbesondere trifft ihn keine Wartepflicht, um der Haftpflichtversicherung die Gelegenheit zum Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit zu geben. Hat er jedoch ein Schadensgutachten eingeholt, so darf er der Schädigerseite die Möglichkeit zum Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit grundsätzlich nicht dadurch unmöglich machen, dass er die Weiterleitung des Gutachtens unangemessen verzögert (LG Saarbrücken Urt. v. 3.7.15, 13 S 26/15).“

Das Landgericht hat die Revision zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Bundesgerichtshof dieser geschädigtenfreundlichen Rechtsprechung anschließen wird.