Die Frage, ob ein Geschädigter sein Fahrzeug nach einem Totalschaden sofort zum Restwert gemäß Gutachten verkaufen kann oder dem gegnerischen Haftpflichtversicherer die Möglichkeit geben muss, einen alternativen Restwert zu ermitteln, ist in der Rechtsprechung höchst umstritten.
Zum besseren Verständnis:
Im Totalschadensfall erhält der Geschädigte vom Haftpflichtversicherer den sogenannten Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt. Dieser wird in der Regel von einem vom Geschädigten beauftragten Gutachter im Rahmen eines Haftpflichtgutachtens ermittelt.
Der Sachverständige ermittelt zwei Werte. Zum einen ermittelt er den Wiederbeschaffungswert. Hierbei handelt es sich um den Wert, den das Fahrzeug unmittelbar vor dem Unfallschaden hatte. Zum anderen ermittelt er den Restwert. Das ist der Wert, den das verunfallte Fahrzeug gegebenenfalls noch hat. Im Totalschadensfall kann der Unfallgeschädigte das beschädigte Fahrzeug noch verkaufen und so den Restwert erzielen.
Der Haftpflichtversicherer ersetzt dann den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes. Je höher also der Restwert ist, desto weniger Geld erhält der Geschädigte.
Aus diesem Grund ist der Restwert eine äußerst umstrittene Position. Der Sachverständige stellt zur Restwertermittlung das Fahrzeug in eine Restwertböse ein und versucht, es nach Möglichkeit an einen lokalen Aufkäufer zu vermitteln. Der Geschädigte bzw. sein Rechtsanwalt erhalten das Gutachten vorm Haftpflichtversicherer und leiten es an diesen weiter.
Das Gutachten enthält verbindliche Angebote, zu denen das Fahrzeug verkauft werden kann. Der Geschädigte muss sich nur mit dem Restwertaufkäufer in Verbindung setzen. Nach einiger Zeit hat dann der Haftpflichtversicherer seinerseits einen Restwert ermittelt und zwar – entgegen der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – meist auf bundesweiter Ebene und gerade nicht aus dem örtlichen Umfeld des Geschädigten stammend. In aller Regel sind diese Restwertgebote natürlich höher.
Der Haftpflichtversicherer bringt dann den von ihm ermittelten Restwert in Abzug und beruft sich auf die Schadenminderungspflicht des Geschädigten. Es stellt sich dann die Frage, ob der Abzug berechtigt ist.
In diesem Zusammenhang spielt es eine entscheidende Rolle, wozu der Geschädigte vor Veräußerung des Fahrzeugs verpflichtet ist. Muss er vor Verkauf des Fahrzeugs das Gutachten überhaupt an den Haftpflichtversicherer gesandt haben? Muss er diesem einen Prüfungszeitraum einräumen und ihm ermöglichen, eigene Angebote einzuholen?
„NEIN!“, sagt jetzt das Landgericht Saarbrücken und stellt fest:
„Der Geschädigte darf sein Fahrzeug jederzeit und unabhängig davon veräußern, ob er zuvor ein Schadensgutachten eingeholt und der Schädigerseite vorgelegt hat. Insbesondere trifft ihn keine Wartepflicht, um der Haftpflichtversicherung die Gelegenheit zum Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit zu geben. Hat er jedoch ein Schadensgutachten eingeholt, so darf er der Schädigerseite die Möglichkeit zum Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit grundsätzlich nicht dadurch unmöglich machen, dass er die Weiterleitung des Gutachtens unangemessen verzögert (LG Saarbrücken Urt. v. 3.7.15, 13 S 26/15).“
Das Landgericht hat die Revision zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Bundesgerichtshof dieser geschädigtenfreundlichen Rechtsprechung anschließen wird.