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Archiv: 23. Oktober 2015

AG Saarbrücken: Fahrverbote nacheinander antreten!

Dass es grundsätzlich möglich ist, zwei Fahrverbote gleichzeitig anzutreten, ist bekannt. Darüber habe ich schon vor einiger Zeit berichtet:

(Link: https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/aus-zwei-mach-eins-fahrverbote-gleichzeitig-antreten/)

Dabei ist allerdings zu unterscheiden:

Handelt es sich bei den Fahrverboten um solche, für die eine Schonfrist bewilligt wurde, dann ist der gleichzeitige Antritt, mit der Folge der Verkürzung der Fahrverbotsdauer auf die Dauer eines (des längeren) Fahrverbotes, immer möglich.

Wie die Rechtslage bei zwei Fahrverboten ist, bei denen nur eines oder keines der Fahrverbote mit Schonfrist verhängt wurde, ist umstritten.

Das Amtsgericht Saarbrücken hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem der Betroffene zwei Fahrverbote erhalten hatte, von denen nur eines mit Schonfrist verhängt worden war.

Es hat – zu Ungunsten des Betroffenen – entschieden, dass in einem solchen Fall kein gleichzeitiger Antritt möglich ist. Die Fahrverbote müssen also nacheinander angetreten werden. Dumm gelaufen … (Wortspiel beabsichtigt)

Parken im verkehrsberuhigten Bereich – Wer haftet bei Unfall?

Das Landgericht Saarbrücken hatte in seinem Urteil vom 1.4.2015 – 13 S 165/14 – über einen Unfall im verkehrsberuhigten Bereich zu entscheiden. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger hatte seinen PKW im verkehrsberuhigten Bereich geparkt. Hier gilt das durch Zeichen 325.1 angeordnete Parkverbot:

325

„Wer ein Fahrzeug führt, darf außerhalb der dafür gekennzeichneten Flächen nicht parken, ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen und zum Be- oder Entladen.“

Der mitverklagte Fahrer des Beklagtenfahrzeugs befuhr mit einem Sattelschlepper den verkehrsberuhigten Bereich und stieß beim Einscheren mit dem geparkten Fahrzeug des Klägers zusammen. Der Kläger machte 100 % seines Schadens beim Haftpflichtversicherer geltend. Der Haftpflichtversicherer zahlte aber nur einen Teil und berief sich auf ein Mitverschulden des Klägers, da dieser eben gegen das Parkverbot verstoßen habe. Er wies die Ansprüche des Klägersals teilweise unbegründet zurück.

Das Landgericht Saarbrücken gab dem Kläger Recht.

Es führt aus, dass das Parkverbot im verkehrsberuhigten Bereich dem Schutz spielender Kinder und Fußgänger diene. Durch die Anordnung eines verkehrsberuhigten Bereiches solle die gesamte Straße als Kommunikationsraum und Bewegungsraum für Fußgänger und spielende Kinder nutzbar und der Fahrzeugverkehr zurückgedrängt werden.

Dieses Parkverbot diene daher gerade nicht der Verhinderung einer Fahrbahnverengung durch parkende Fahrzeuge und damit nicht dem Schutz der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Da der Schutzbereich der Vorschrift nicht berührt werde, trete auch keine Mithaftung des Klägers ein. Der Kläger erhielt seinen vollen Schaden ersetzt.

Das gilt natürlich nicht für alle Park- und Halteverbote.

OLG Naumburg – Betroffener muss nicht in der Hauptverhandlung erscheinen

Nach meinem persönlichen Eindruck glauben viele Betroffene, dass sie, wenn sie gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch einlegen auch „automatisch“ vor Gericht erscheinen müssen. Diese Meinung wird teilweise unbewusst, vielleicht auch bewusst, durch diverse Hinweise im Laufe des Verfahrens noch gefördert. Dabei ist den Betroffenen schon nicht bewusst, dass sie im Ordnungswidrigkeitenverfahren jederzeit den Einspruch zurücknehmen können. Auch kommt eine Verfahrenseinstellung oder eine Beschlussentscheidung durch das Gericht (ohne mündliche Verhandlung) in Betracht.

Auch im Rahmen der Ladung zum Hauptverhandlungstermin wird der Betroffene ausführlich darüber belehrt, dass er persönlich zu erscheinen hat.

Nach den Formulierungen dieser Belehrungsmuster drängt sich dem Betroffenen häufig der Eindruck auf, um das persönliche Erscheinen in der Hauptverhandlung käme man quasi nicht herum.

Das Gegenteil ist der Fall.

Auch wenn es im Einzelfall zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kommen sollte, stellt die Entbindung von der Pflicht dort zu erscheinen in der Regel, wenn die Fahrereigenschaft eingeräumt wird, kein Problem dar.

In § 73 OWiG sind die Voraussetzungen einer Entbindung von der grundsätzlich Bestehenden Pflicht zum Hauptverhandlungstermin zu erschienen geregelt. Man mag mir eine eventuelle juristische Ungenauigkeit verzeihen, aber pragmatisch und für den Laien verständlich ausgedrückt, ergibt sich aus der Norm Folgendes:

Wenn der Betroffene einräumt, dass er der Fahrer war und zudem entweder klarstellt, dass er zur Sache gar nichts mehr oder eben nur das bereits zur Akte gereichte, nichts aber darüber hinausgehendes, sagen wird, dann MUSS das Gericht ihn entbinden. Das heißt, er muss dann nicht erscheinen.
Das ist ständige Rechtsprechung und eindeutige Rechtslage. Das OLG Naumburg hat es noch einmal deutlich klargestellt:

„Die Entscheidung über den Entbindungsantrag eines Betroffenen steht nicht im Ermessen des Gerichtes. Vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.“

AG Meißen – ESO ES 3.0 nicht standardisiert

Entgegen der Rechtsprechung der meisten Oberlandesgerichte hat das Amtsgericht Meißen – nach ausführlicher Überprüfung des Messsystems ESO 3.0 – erkannt:

„Die innerstaatliche Bauartzulassung, auf deren Grundlage die Eichungen aller eingesetzten ES 3.0 beruhen und die Einhaltung der Bedienvorschriften gewährleistet nicht, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Messergebnisse zu erwarten sind.

Die Beweisaufnahme hat bauartbedingte Fehlerquellen der Geschwindigkeitsmessanlage bei der Messwertbildung zu Tage treten lassen, die nicht innerhalb der zulässigen Verkehrsfehlergrenze liegen und auch nicht durch einen größeren Toleranzwert ausgeglichen werden können.“

Der Betroffene wurde freigesprochen.

Kammergericht Berlin: Sofortiger Restwertverkauf zulässig

Nachdem sich das Landgericht Saarbrücken bereits zum Thema „sofortiger Restwertverkauf“ geäußert hat, und einen solchen für zulässig hält:

LG Saarbrücken: Sofortiger Restwertverkauf zulässig

hat nun auch das KG entschieden, dass es kein Mitverschulden des Geschädigten begründet, wenn er das Fahrzeug zum von seinem Gutachter ermittelten Restwert verkauft, ohne zuvor das Restwertgutachten des Haftpflichtversicherers abzuwarten. (KG 6.8.2015 – 22 U 6/15)