Kaufrechtsreform Teil 1: Überblick
Das verkehrsrechtliche Thema dieses Jahres ist die mit Wirkung zum 1.1.2022 eingetretene Reform des Kaufrechts.
Über die anstehenden Änderungen habe ich im Oktober letzten Jahres überblicksmäßig informiert. Sie finden in dem Beitrag auch den entsprechenden Gesetzestext zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags:
Beitrag vom 5.10.2021: Änderung des Kaufrechts
Wegen der erheblichen Bedeutung der Änderungen, insbesondere beim Händlerverkauf von Gebraucht- und Neuwagen an Verbraucher, werde ich die bedeutendsten Änderungen zum bisherigen Kaufrecht in mehreren Einzelbeiträgen beleuchten und auch in meinem Podcast (verkehrsrecht-podcast.de) besprechen. Während ich mich mit meinem Podcast grundsätzlich an fachkundige Zuhörer richte, ist dieser Blog an fachunkundige Interessierte, z.B. Händler und Käufer von Fahrzeugen adressiert. Ich versuche den Blog-Beitrag daher möglichst einfach zu halten.
Dennoch ist es auch für nicht Fachkundige wichtig, zunächst einmal zu verstehen, wo im Gesetz was umgesetzt wurde. Vorauszuschicken ist, dass die Änderungen zum einen die Einführung von Gewährleistungsvorschriften für nicht funktionswesentliche digitale Elemente (z.B.: Navigationsgerät, Freisprechfunktion, etc.) betrifft und zum anderen Änderungen betreffend der Gewährleistung am Fahrzeug selbst.
Mit der Reform des Kaufrechts wurden nämlich gleich mehrere Richtlinien der EU umgesetzt.
Dabei ist wie folgt zu unterscheiden:
Betreffend die Mängelrechte an einem verkauften Fahrzeug selbst ist im Wesentlichen die Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie zu beachten. Diese ist in den kaufrechtlichen Regelungen des BGB integriert worden (§§ 434 ff BGB, vor allem §§ 475 a ff BGB). Bezüglich der digitalen Elemente eines Fahrzeugs (z.B. Navi, Touchscreen, etc.) können die §§ 327 ff BGB einschlägig sein. Mit den Regelungen der §§ 327 ff BGB wurde die Richtlinie der EU über digitale Inhalte und Dienstleistungen ins nationale Recht umgesetzt.
Die §§ 327 ff BGB enthalten im Ergebnis ein dem allgemeinen Kaufrecht nachgebildetes Gewährleistungssystem, was die Rechtsfolgen (Rücktritt, Minderung, etc.) wegen Mängeln an digitalen Elementen einer Ware betrifft. Sie sind anwendbar, wenn die Ware an sich, sprich das verkaufte Fahrzeug, auch ohne das betroffene digitale Element funktioniert. Ein Beispiel hierfür wäre der Defekt eines Navigationsgerätes im Auto. Die eigentliche Funktion des Autos als Fortbewegungsmittel wird durch den Defekt des Navigationsgerätes nicht aufgehoben. Das Auto lässt sich auch ohne Navi fahren. Daher sind die §§ 327 ff BGB auf Ansprüche wegen Mängeln der Navigationssoftware anwendbar. Neben den §§ 327 BGB bleiben die allgemeinen kaufrechtlichen Regelungen anwendbar.
Gegenbeispiel sind solche digitalen Elemente, ohne die das Fahrzeug nicht als solches in Betrieb gesetzt werden kann (z.B. Steuergerät, Start-Stopp-Funktion, etc.). Auf solche digitalen Elemente sind nicht die §§ 327 ff BGB sondern die §§ 475 a ff BGB anwendbar.
Vereinfacht ausgedrückt: Geht es um „Zusatzsoftware“ hilft ein Blick in die §§ 327 ff BGB. Geht es um „Funktionssoftware“ sollte man sich grundsätzlich an den §§ 475 a ff BGB orientieren.
Schnittmengen und Abgrenzungsfragen wird die Rechtsprechung der kommenden Jahre zu klären haben.
Was die Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie, also betreffend Gewährleistungsrechte am Fahrzeug an sich, angeht, ist festzustellen, dass vor allem einschneidende Änderungen im Verbrauchergeschäft, also beim Verkauf vom Händler an einen Verbraucher, stattgefunden haben.
Auf diese Änderungen werde ich in nachfolgenden Beiträgen im Einzelnen eingehen. Vor allem wurden Änderungen/Neuerungen in folgenden Bereichen umgesetzt:
– Verlängerung der Beweislastumkehr von 6 Monate auf ein Jahr
– Gewährleistungsrechte beim Gebrauchtwagenkauf nur noch unter besonderen Bedingungen auf ein Jahr verkürzbar, besondere Belehrungspflicht
– Reform des Mangelbegriffs: Nachrangigkeit der Parteivereinbarung im Verbrauchsgüterkauf, besondere Belehrungspflicht bei Abweichung von üblicher Beschaffenheit
– Fristsetzungserfordernis für Mängelrechte entfällt beim Verbrauchsgüterkauf
– Besondere Pflichten in Bezug auf digitale Elemente (Aktualisierung, Information etc.).