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Archiv: 28. September 2011

AG Konstanz: Weiterer Toleranzabzug von 0,4 Sekunden bei Traffiphot III (Rotlichtüberwachung)

Das AG Konstanz hat mit Urteil vom 16.02.2011 (AZ: 13 OWi 52 Js 1314/2011 – 43/11) entschieden, dass bei der Messanlage Traffiphot III, die weit verbreitet für Ampelmessungen im Einsatz ist, ein weiterer Toleranzabzug von 0,4 Sekunden zu machen sein kann. Den so ermittelten Wert hat das Gericht sodann zu Gunsten des Betroffenen auf die erste Stelle hinter dem Komma abgerundet.

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Betroffen war  von einer der vorbezeichneten Messanlagen beim Überfahren einer roten Ampel geblitzt worden. Das Messfoto wies eine Rotlichtdauer von 1,43 Sekunden, also deutlich über einer Sekunde, auf, mithin lag ein sogenannter qualifizierter Rotlichtverstoß vor.  Überschreitet die Dauer der Rotlichtphase eine Sekunde, so beträgt die Regelbuße 200,00 Euro. Es werden vier Punkte im Verkehrszentralregister eingetragen und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Zu den Rechtsfolgen eines Rotlichtverstoßes siehe hier: Link.

Die Traffiphot III – Messanlage funktioniert mittels in der Fahrbahn eingelassener Induktionsschleifen, die beim Überfahren die Messung auslösen. Da für den Tatvorwurf bzw. die Ermittlung der Rotlichtdauer nach herrschender und gefestigter Rechtsprechung der Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie maßgeblich ist, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass die Induktionsschleife regelmäßig exakt unter der Haltelinie angebracht ist. Indes ist dies sehr häufig nicht der Fall, so auch nicht in dem Fall, über den das AG Konstanz zu entscheiden hatte.

Auf dem ersten Messfoto war nämlich zu erkennen, dass sich die Vorderreifen des Fahrzeugs, die die Messung ausgelöst hatten, hinter der Haltelinie befanden.  Dementsprechend war ein Toleranzwert, der der Zeit entsprach, die zwischen Überfahren der Haltelinie und Überfahren der Induktionsschleife vergangen war, zu entsprechen hatte. Einfach ausgedrückt:

Es muss zurückgerechnet werden, wie lange die Rotphase dauerte, als der Betroffene die Haltelinie, nicht die Induktionsschleife, überfahren hat.

Im konkreten Fall hat eine sachverständige Begutachtung ergeben, dass 0,4 Sekunden abzuziehen waren. Es ergab sich also eine Rotlichtdauer von 1,03 Sekunden. Da die Bedienungsanleitung des Herstellers vorsieht, dass die vorzuwerfende Rotlichtzeit mit einer Auflösung von 0,1 Sekunden anzugeben ist, führte der Sachverständige aus, dass  die zweite Stelle hinter dem Komma abzurunden sei. Dem ist das Gericht gefolgt. Letztlich konnte nur noch eine Rotlichtphase von 1,0 Sekunden vorgeworfen werden. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß konnte nicht nachgewiesen werden, da es hierfür die Rotlichtdauer mehr als eine Sekunde gedauert haben muss.

Rechtsfolge: 90,00 Euro , drei Punkte und kein Fahrverbot

Fazit: Dass die Induktionsschleife hinter der Haltelinie verlegt ist, ist in der Praxis häufig anzutreffen und kein Problem, das auf das vorgenannte Messsystem beschränkt wäre. Das hat der Verteidiger zu sehen und gegebenenfalls die Messung begutachten zu lassen bzw. einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. In diesem Fall gilt nämlich nicht nur „Zeit ist Geld.“ , sondern vielmehr: „Zeit ist Fahrverbot.“.

 Einige Bußgeldstellen machen auch per se weitere Toleranzabzüge, weil dieses Problem an der jeweiligen Ampelanlage bekannt ist oder gerätespezifische Abzüge zu machen sind.

Zu den Toleranzabzügen bei verschiedenen Rotlichtmesssystem grundlegend:

 OLG Braunschweig, Urt. v. 02.08.2006 AZ: 2 Ss (B) 38/04 (Link PDF)

Das OLG Frankfurt ist auf Linie: Volle Sachverständigenkosten auch bei Mithaftung des Geschädigten

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich der derzeit im Vordringen befindlichen Rechtsansicht angeschlossen, dass der Geschädigte auch im Falle der Mithaftung Ersatz der vollen Sachverständigenkosten verlangen kann. Das Problem ist also für den Nichtjuristen einfach erklärt Folgendes:

A und B haben einen Unfall. A trifft eine Mithaftung von 50 %. Einfach ausgedrückt:  Er ist zur Hälfte schuld. Weil A ja nicht wissen kann, wie hoch der Schaden an seinem Fahrzeug ist, geht er zu einem Sachverständigen, der sein Fahrzeug begutachtet und die Schadenshöhe feststellt. Dafür will der Sachverständige natürlich Geld sehen. Er schreibt dem A eine Rechnung über 500,00 Euro. Der A reicht diese Rechnung beim Kfz – Haftpflichtversicherer des B ein und will Ersatz der 500,00 Euro. Nach bisheriger gängiger Regulierungspraxis konnte der Haftpflichtversicherer des B dem A sagen: "Du bist zu 50 % schuld, also kriegst du von mir auch nur 50 % von 500,00 Euro. Das sind dann 250,00 Euro."

Nachdem das Amtsgericht Siegburg im letzten Jahr eine "bahnbrechende" aber meines Erachtens leider oft falsch interpretierte Entscheidung getroffen hat, folgen nun weitere Gerichte der Auffassung, die Sachverständigenkosten seien auch bei Mithaftung in voller Höhe zu ersetzen. Im Beispielsfall bekäme A dann die vollen 500,00 Euro bzw. letzten Endes der Sachverständige sein Geld.

Auf dieser Linie ist nun auch das Oberlandesgericht Frankfurt. Das OLG Frankfurt (Urt. v. 05.04.2011 AZ: 22 U 67/09) argumentiert wie folgt:

"In der Praxis sind die vom Geschädigten aufzuwendenden Kosten die gleichen, ob er mithaftet oder ob der Gegner alleine haftet. Das Sachverständigenhonorar richtet sich nahezu ausnahmslos nach der Schadenshöhe, also dem Wiederbeschaffungswert oder den Reparaturkosten. Der Geschädigte hat nicht die Möglichkeit, den Sachverständigen zu bitten, lediglich einen Teilprozentsatz seines Schadens zu schätzen. Dies wäre auch der falsche Weg, da es für eine Quotierung nicht auf einen Teil des Schadens, sondern auf den gesamten Schaden ankommt und lediglich die Haftungsverteilung eine Korrektur vornimmt. Auch im Fall einer Haftungsverteilung ist der Geschädigte deshalb darauf angewiesen, den Gutachter anzuweisen, den gesamten Schaden aufzunehmen, der letztlich zur Grundlage der Schätzung und Haftungsverteilung gemacht wird. Damit sind auch im Falle der Haftungsverteilung die Sachverständigenkosten insgesamt erforderlich, um den Schaden festzustellen; auch eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Geschädigten ist nicht feststellbar."

Das OLG Frankfurt hat die Revision zugelassen. Demnächst ist daher mit einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu rechnen, vorausgesetzt, die Revision wird auch eingelegt.

In der Sache bleibe ich bei meiner Rechtsauffassung. Nach meinem Dafürhalten hat der Geschädigte im Falle seiner Mithaftung Anspruch auf Ersatz derjenigen Sachverständigenkosten, die ihm entstanden wären, wenn der Sachverständige seiner Kostenrechnung den um den Mithaftungsanteil gekürzten Schaden zugrunde gelegt hätte. Voller Ersatz der Sachverständigenkosten ist genauso falsch wie quotenmäßiger Ersatz.

Es fragt sich doch, warum der Geschädigte dann letztlich nicht auch im Falle der Mithaftung Ersatz der vollen Rechtsanwaltskosten verlangen kann. Bezüglich der Rechtsanwaltskosten wird der Schadensberechnung eben auch nur der Gegenstandswert zugrundegelegt, der dem zu ersetzenden Schaden entspricht. Es wird keine Quote gebildet und auch kein voller Ersatz geschuldet. Nahezu sämtliche Sachverständige berechnen ihre Kosten anhand der Schadenshöhe. Die Schadenshöhe bildet quasi den "Gegenstandswert" des Sachverständigengutachtens. Dann muss eben der "Gegenstandswert" des Sachverständigengutachtens korrigiert werden, indem eine Kostenaufstellung auf Basis des vom Haftpflichtversicherer zu erstattenden Schadens eingereicht wird. Diesen Betrag kriegt der Geschädigte vom Haftpflichtversicherer. Die Differenz zur eigentlichen Kostenrechnung auf Basis des vollen Schadens muss er selber zahlen. Letztlich steht er damit besser als mit einer Quote, da die Sachverständigenkosten zum einen nicht linear ansteigen und zum anderen Rechnungspositionen enthalten sind, die unabhängig von der Schadenshöhe sind (Auslagen, Fahrtkosten, Pauschalen für Fotokopien, Fotografien, etc.).

Beispiel: Die Schadenshöhe am Fahrzeug ist 5.000,00 Euro. Der Sachverständige schreibt auf Basis dieser Schadenshöhe eine Rechnung über 500,00 Euro. Hat der Haftpflichtversicherer nur die Hälfte des Schadens zu ersetzen, schreibt der Sachverständige eine Kostenaufstellung. Diese Kostenaufstellung basiert dann auf einem Fahrzeugschaden von 2.500,00 Euro. Da kommen dann meinetwegen 350,00 Euro Sachverständigenkosten raus, nicht aber die Hälfte der Sachverständigenkosten und auch nicht der volle Betrag. A kriegt vom Hafpflichtversicherer 350,00 Euro, die restlichen 150,00 Euro darf er dann selber an den Sachverständigen zahlen.

Da der Bundesgerichtshof die Sachverständigenkosten schon immer analog den Rechtsanwaltskosten als erforderliche Kosten der Rechtsverfolgung eingestuft hat, ist das meines Erachtens die richtige Lösung. Es ist auch die Lösung, die das Amtsgericht Siegburg eigentlich gemeint hat. Ich blogge diese Ansicht jetzt seit das AG Siegburg – Urteil veröffentlicht wurde und ich werde sie auch weiterhin bloggen. Ich würde es begrüßen, wenn mir mal der ein oder andere Kollege seine Ansicht dazu mitteilen würde … aber …

… kein Schwein hört mir zu … 🙂