• Ihre Fachanwaltskanzlei für Verkehrsecht im Saarland

Schlagwort: Augenblicksversagen

OLG Naumburg – Kein Fahrverbot bei Übersehen eines Tempo 30 – Schildes

Das Oberlandesgericht Naumburg hat entschieden, dass ein Fahrverbot nicht in Betracht kommt, wenn der Betroffene ein Tempo 30 – Schild innerhalb der geschlossenen Ortschaft aufgrund einer momentanen Unaufmerksamkeit schlicht übersehen hat. Es hat das mit der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft angegriffene Urteil des Amtsgerichts Haldensleben, das ebenfalls von einem Augenblicksversagen ausging, gehalten.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Wertung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Ein im nahen örtlichen Zusammenhang mit dem Ortsschild aufgestelltes Verkehrsschild, durch welches die zulässige Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt wird, kann leicht übersehen werden.

Es bedurfte hier entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft auch nicht, wie im Regelfall beim Absehen von einem Fahrverbot wegen Übersehens einer Geschwindigkeitsbegrenzung, keiner Ausführungen dahingehend, ob sich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für den Betroffenen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h aufdrängen musste.

Aus dem Urteil ergibt sich nämlich, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht wegen der örtlichen Gegebenheiten des Straßenabschnitts angeordnet worden war, sondern allein aufgrund der Tatsache, dass der Straßenabschnitt von Ortskundigen wegen einer Teilsperrung der aus dem Ort F. heraus führenden L … anstelle einer ausgeschilderten weiträumigen Umleitung genutzt wurde, also vorübergehend das Verkehrsaufkommen erhöht war. Deswegen bestand die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h auch nur vom 6. Oktober bis zum 7. November 2014, also gut einen Monat. Deshalb gab es offensichtlich keine für den Betroffenen wahrnehmbare Umstände, aufgrund derer sich die Begrenzung auf 30 km/h aufdrängte.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war hier trotz des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots auch keine Erhöhung der Regelgeldbuße angezeigt, weil eine solche bei Augenblicksversagen nicht in Betracht kommt.

Kein Fahrverbot bei Augenblicksversagen innerorts

Auch bei Regelfahrverboten, wie etwa Überschreitung der Geschwindigkeit um mehr als 30 km/h innerhlab geschlossener Ortschaften, kann es an einem groben Verstoß gegen Verkehrspflichten fehlen, so dass die Verhängung eines Fahrverbotes unrechtmäßig ist.

Das gilt insbesondere bei Fällen des sogenannten Augenblicksversagens.
Ein Augenblicksversagen liegt vor, wenn der Betroffene aufgrund einer besonderen Ablenkungssituation einen Moment unaufmerksam ist und daher eine verkehrsrechtliche Anordnung bzw. ein Verkehrszeichen übersieht.

In den letzten Jahren sind zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen rund um das Thema Augenblicksversagen gefällt worden. Es soll vorab nicht unerwähnt bleiben, dass jeder einzelne Fall eben ein Einzelfall ist und der Besprechung bedarf.

Nachfolgend möchte ich zur ersten Orientierung einen Überblick über einige obergerichtlich Urteile zum Thema Augenblicksversagen bei Geschwindigkeitsverstößen innerorts geben:

Beim Überfahren eines Ortseingangsschildes liegt ein Augenblicksversagen nur dann vor, wenn der Fahrer das Schild nicht nur übersehen hat sondern darüber hinaus auch nicht erkennen konnte, dass er sich bereits in einer geschlossenen Ortschaft befand. Letzteres schließen die Gerichte bei Ortskenntnis des Betroffenen allerdings regelmäßig aus.

An einem groben Pflichtverstoß kann es im Einzelfall auch dann fehlen, wenn die Aufstellung des Ortseingangsschildes nicht den Verwaltungsvorschriften entsprach.

Auch wenn ein Tempo 30 – Schild direkt hinter einem Ortsschild aufgestellt ist oder wenn der Grund für die Beschränkung (beispielsweise vor einer Schule in der Ferienzeit) weggefallen ist, kann es zu einem Wegfall des Fahrverbots kommen.

Häufig kommen auch Geschwindigkeitsverstöße innerorts zur Nachtzeit vor, weil der Betroffene ortsunkundig ist, das Ortseingangsschild übersieht, wenige oder keine Bebauung vorhanden ist und die Beleuchtung unzureichend ist.

Auch in solchen Fällen kann die Voraussetzung für ein Fahrverbot entfallen.