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Archiv: 11. Januar 2012

OLG Celle – Vorsatzannahme bei hoher Geschwindigkeit

Der Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im Ordnungswidrigkeitenrecht ist schnell erklärt:

Der Bußgeldkatalog gibt die Regelbußen für Ersttäter bei fahrlässiger Begehung an. Handelt der Betroffene vorsätzlich, wird die Geldbuße erhöht, in der Regel verdoppelt.

Einfach ausgedrückt: Vorsatz = doppeltes Bußgeld.

Das Oberlandesgericht Celle hat durch Beschluss vom 09.08.2011 AZ: 322 SsBs 245/11 einmal mehr festgestellt, dass aus einer Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 45 % auf Vorsatz geschlossen werden darf. Der Betroffene fuhr mit einer Geschwindigkeit von 176 km/h bei erlaubten 120 km/h. Die Einlassung des Betroffenen, bei seinem Fahrzeug handele es sich um eine größere Limousine mit einem großvolumigen Triebwerk, weshalb er nicht den Fahreindruck eines zu schnellen Fahrens gewonnen hätte, hat das OLG Celle verworfen. Zur Begründung führt es – meines Erachtens nachvollziehbar – aus, der abweichende Fahreindruck werde nicht allein vom Triebwerks- und Abrollgeräusch beeinflusst, sondern resultiere auch aus dem sich bei höherer Geschwindigkeit maßgeblich verändernden Umwelteindruck.

Einfach ausgedrückt: Auch wenn das Auto wirklich leise ist, muss es sich dem Fahrer aufdrängen, dass die umherstehende Umwelt mit erheblicher Geschwindigkeit an ihm vorbeifliegt. Das macht durchaus Sinn. Die ständige Rechtsprechung dieses Senats und auch anderer Oberlandesgerichte, dass ab bestimmter Überschreitungsgrenzen eine vorsätzliche Begehung der Tat vorliegen soll, halte ich für falsch.

Neue Rechtsprechung zum Fahrverbot und keine Gnade für Wulff

Pünktlich zum Jahresbeginn liegt mir der Rechtsprechungsüberblick mit neuer Rechtsprechung aus 2011 zum Fahrverbot vor, Quelle: Verkehrsrecht aktuell (VA 2012, 15 ff).

Die VA hat einige Entscheidungen zu Selbstverständlichkeiten abgedruckt, bei denen man sich fragt, wie es in diesen Fällen zu Entscheidungen eines Oberlandesgerichtes kommen konnte. Beispielsweise sollte eigentlich jedem Amtsrichter klar sein, dass ein Fahrverbot nicht über eine Dauer von unter einem Monat verhängt werden kann (OLG Düsseldorf, ich hatte bereits hier berichtet: Link zum Blogbeitrag vom 04.03.2011), dass eine Beschränkung des Fahrverbots auf bestimmte Nutzungszeiten (im Sinne von Uhrzeiten) nicht möglich ist (OLG Hamm) und dass das Schweigen des Betroffenen nicht zu einer Erhöhung der Geldbuße führen darf (KG Berlin).

Beachtenswert finde ich die Entscheidung des OLG Bamberg vom 29.11.2011 AZ 3 Ss OWi 1660/10, dass die berufliche oder soziale Stellung eines Betroffenen bei der Bemessung der Rechtsfolgen außer Betracht zu bleiben hat. Insoweit hatte das Amtsgericht, dessen Entscheidung mit der Rechtsbeschwerde (allerdings erfolglos) angegriffen wurde, sich auf Grund der Voreintragungen des Betroffenen dazu hinreißen lassen, in den Urteilsgründen Folgendes niederzuschreiben:

„Dieser ist sich ganz offensichtlich seiner Vorbildfunktion als Landtagsmitglied nicht einmal ansatzweise bewusst.“

Das Amtsgericht hat eine gegenüber dem Regelsatz um 400 % erhöhte Geldbuße ausgeurteilt, mithin die fünffache Geldbuße.

Scheint mir dieser Tage nicht der einzige Politiker zu sein, der sich seiner Vorbildfunktion nicht bewusst ist. Bei dem Thema fällt einem doch gleich der „Handyverstoß“ (Link) unseres Bundespräsidenten ein. Im Ergebnis wurde der Betroffene dann doch abgestraft … also der Autofahrer nicht Herr Wulff … oder jedenfalls noch nicht Herr Wulff … und zwar mit der Begründung, die zahlreichen Voreintragungen reichten für eine massive Erhöhung der Geldbuße bereits aus.

Ich wünsche allen Lesern (falls das hier überhaupt jemand liest … hoffentlich nicht Herr Wulff, sonst brauche ich wohl einen Anwalt :-)) ein frohes, erfolgreiches und vor allem gesundes Jahr 2012!