Die landläufige Meinung: „Wer einen Unfall mit einem Rettungswagen hat, ist immer schuld“, ist falsch. Richtig ist, dass Sonderrechtsfahrzeuge von der Straßenverkehrsordnung privilegiert werden.
Fahrzeuge des Rettungsdiensts sind nach § 35 Absatz 5 a StVO von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Man spricht insoweit von einem Sonderrechtsfahrzeug. Der Rettungswagen ist auch ohne eingeschaltetes Blaulicht und Martinshorn als Sonderrechtsfahrzeug unter den Voraussetzungen des § 35 Absatz 5 a StVO und § 35 Absatz 8 StVO privilegiert. Von einem Wegerechtsfahrzeug spricht man, wenn das Martinshorn und das Blaulicht eingeschaltet sind. Das ist in § 38 StVO geregelt:
Blaulicht in Verbindung mit dem Einsatzhorn bedeutet: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“.
Während § 35 StVO also regelt, dass sich ein Sonderrechtsfahrzeug unter bestimmten Bedingungen nicht an die Straßenverkehrsordnung halten muss, verpflichtet § 38 StVO die anderen Verkehrsteilnehmer, sofort die Bahn frei zu machen, wenn sie Blaulicht sehen und das Einsatzhorn hören.
Es lässt sich also sagen, dass auch die häufig gehörte Ansicht: „Wenn ein Rettungswagen ohne Blaulicht oder Einsatzhorn fährt, wird er behandelt wie ein Privatfahrzeug.“, ebenfalls falsch ist.
Ein Rettungswagen hat auch ohne Blaulicht und Einsatzhorn Sonderrechte. Der Einsatz muss allerdings von § 35 StVO gedeckt sein. Er muss erfolgen, weil höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Allerdings hat der Fahrer von diesem Sonderrecht nach § 35 Absatz 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Gebrauch zu machen. Das bedeutet vor allem, dass er sich nicht blind darauf verlassen darf, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer rechtzeitig reagieren. Insbesondere bei Kreuzungen und Ampelanlagen muss auch der Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeug höchste Vorsicht walten lassen. Bei unklarer Verkehrslage hat er anzuhalten oder im Schritttempo über die Kreuzung bzw. Ampel zu fahren. Tut er das nicht, ist dies im Rahmen der Mitverursachung und des Mitverschuldens des Unfalls zu beachten.
So hat beispielsweise das OLG Naumburg in seiner Entscheidung vom 26.02.2009, AZ: 1 U 76/08 ausgeführt, dass der Verschuldensanteil eines mit Wegerecht (Blaulicht und Einsatzsignal) fahrenden Rettungstransportwagenfahrers, der mit 55 km/h über eine rote Ampel fährt, mit 80 % zu bewerten ist. Der Unfallgegner bekam also 80 % seiner Schäden ersetzt.
Ob es bei einem Unfall mit einem Sonder- oder Wegerechtsfahrzeug zu einer Haftungsquote kommt und gegebenenfalls zu welcher Haftungsquote, ist immer Frage des Einzelfalles. Es empfiehlt sich für den Geschädigten, rechtzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.