Der Kollege Burhoff hat auf seiner Homepage burhoff.de ein aktuelles Urteil des OLG Hamm (Beschl. v. 26.08.2010 – III – 3 RBs 226/10) zur Verwertbarkeit von Provida Messungen im Messbetrieb mit einem Motorrad veröffentlicht. Bei dem Provida Messsystem handelt es sich um ein Videomesssystem, das in PKW oder auf Motorrädern installiert wird. Das Provida ist seit über zehn Jahren im Einsatz. Man findet es häufig in diversen Fernsehsendungen wieder.
Das OLG Hamm führt in den Entscheidungsgründen aus, nach von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) übermittelten Erkenntnissen dürfe das Provida Messsystem bei Messungen mit Motorrädern mit Schräglage (also in der Kurve) nicht verwendet werden. Hintergrund ist, dass es durch die Schräglage des Messfahrzeuges zu einem geringeren Reifenabrollumfang des Motorrades kommt. Das Messgerät gibt bei Schräglagen des Messfahrzeugs aus diesem Grund erhöhte Messwerte und Wegstrecken aus, so dass bislang nicht geklärt ist, ob die Toleranzrenze von 5 % der gemessenen Geschwindigkeit eingehalten ist.
Das OLG hat den Schuldspruch aufgehoben und die Sache an den Bußgeldrichter zurückverwiesen mit dem Hinweis, dieser habe sich sachverständig beraten zu lassen, ob die Messung verwertbar und gegebenenfalls welche Verkehrsfehlergrenzen vorgenommen werden müssen. Die Messung wird nun also von einem Sachverständigen überprüft werden.
Die Entscheidung finden Sie hier:
OLG Hamm (Beschl. v. 26.08.2010 – III – 3 RBs 226/10)
Fazit: Eine Verteidigung gegen mit dem Provida durchgeführte Motorradmessungen hat vor allem dann Aussicht auf Erfolg, wenn man bestimmte Geschwindigkeitsgrenzen "gerade so" überschritten hat. Im Übrigen existiert in NRW seit März 2010 bereits eine Verfügung des Landesamtes für polizeiliche Dienste, nur noch auf geraden Strecken zu messen. Das stellt eine sehr gute Argumentationsgrundlage für eine Verfahrenseinstellung bereits im Verfahren vor der Bußgeldbehörde dar.
Erfolgte die Messung mit einem Motorrad sollte man sich daher in jedem Fall Akteneinsicht durch Übersendung des Messvideos nehmen, um den Verlauf der Messstrecke überprüfen zu können. Wer rechtsschutzversichert ist, erhält auch die Kosten eines im Gerichtsverfahren einzuholenden Sachverständigengutachtens ersetzt.