Bislang war es einhellige Meinung unter den Oberlandesgerichten, dass von einem Fahrverbot nach § 25 StVG (Fahrverbot im Bußgeldverfahren) dann abzusehen ist, wenn zwischen der Tat und dem Urteil ein Zeitraum von zwei Jahren liegt.
Zwei Jahre nach der Tat soll es nicht mehr erforderlich sein, mit einem Fahrverbot „erzieherisch“ auf den Täter einzuwirken. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter innerhalb der zwei Jahre beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen hat.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat nun in einer bemerkenswerten Entscheidung diese Grenze auf 1 Jahr und 9 Monate herabgesetzt. Es befindet sich damit auf einer Linie mit den Oberlandesgerichten Karlsruhe (23 Monate), Hamm und Nürnberg (ebenfalls 21 Monate) und dem Bundesgerichtshof, die allerdings über das Fahrverbot nach § 44 StGB (Fahrverbot wegen einer Straftat) entschieden haben.
Aus den Entscheidungsgründen des OLG Zweibrücken (Urt. v. 25.08.2011 AZ: 1 SsBs 24/11):
„Keinen Bestand haben kann jedoch die Anordnung eines Fahrverbots. Das Fahrverbot ist als so genannter Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen (BVerfGE 27, 36), um den Täter vor einem Rückfall zu warnen und ihm ein Gefühl für den zeitweiligen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln. Diese Warnungs– und Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – aber nur erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Nach einem längeren Zeitablauf verliert der spezialpräventive Charakter eines Fahrverbots seine eigentliche Bedeutung, so dass nur noch der Charakter als Funktionsinhalt übrig bleibt (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 03.06.2004, 2 Ss 112/04 und vom 23.07.2007, 2 Ss 224/04 – juris).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei einer Tat, die ein Jahr und neun Monate zurückliegt, die Anordnung eines Fahrverbots als Warnungs– und Besinnungsstrafe nicht mehr geeignet (BGH ZfS 2004, 133). Etwas anderes kann nach der Rechtsprechung nur gelten, wenn der erhebliche Zeitablauf zwischen der Tat und der Verhängung des Fahrverbots dem Angeklagten anzulasten ist (BayObLG NZV 2004, 210).“
Noch nicht geklärt ist, wie der Zeitraum zu berechnen ist. Dass Anfangszeitpunkt der Tatzeitpunkt ist, leuchtet ein. Fraglich ist aber, ob der Endzeitpunkt der Zeitpunkt des Urteils in der ersten Instanz oder der Zeitpunkt des Urteils im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen das Urteil ist. Letzteres wäre für den Betroffenen natürlich günstiger, denn bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vergehen mehrere Monate. Das OLG Zweibrücken geht zu Gunsten des Betroffenen davon aus, dass auch die Zeit bis zum Urteil über die Rechtsbeschwerde anzurechnen ist. Aus den Gründen:
„Vorliegend beträgt der seit der Tat am 6. November 2009 verstrichene Zeitablauf mehr als ein Jahr und neun Monate. Dabei ist auch die zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts verstrichene Zeit bei der Prüfung der Frage, ob wegen Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen ist, zu berücksichtigen.“
Was in der Praxis nicht vergessen werden darf, ist dass derjenige, der im Verlauf des Rechtsstreits erneut (aktenkundig) verkehrsauffällig wird, nicht in den Genuss dieser Rechtsprechung kommen kann. Denn er bringt damit zum Ausdruck, dass es bei ihm der Denkzettelfunktion noch immer bedarf. Ferner führen unlautere Verfahrensverzögerungen durch den Verteidiger ebenfalls zu einer Unanwendbarkeit dieser Rechtsprechung. Was als unlauter in diesem Sinne zu gelten hat, ist umstritten, bleibt aber einer gesonderten Darstellung in einem weiterführenden Blogbeitrag vorbehalten.