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Nachweis einer Unfallmanipulation durch Blackbox – OLG Hamm

Soweit ersichtlich, liegt nunmehr die erste obergerichtliche Entscheidung vor, in der eine Blackbox ausgewertet wurde. Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 13.5.2019 – 6 U 144/17 eine Unfallklage abgewiesen. Es hat, unter anderem aufgrund der Auswertung der Daten der Blackbox eines der drei beteiligten PKWs, festgestellt, dass es sich um einen sogenannten gestellten Unfall handelte. Ein gestellter oder manipulierter Unfall ist eine Betrugsmasche, bei der zwei oder mehrere Beteiligte einvernehmlich eine Fahrzeugkollision herbeiführen in der Absicht, den Kfz-Haftpflichtversicherer zu betrügen. In der Vorinstanz hatte der Kläger obsiegt. Das OLG Hamm hat das Urteil des LG Münster aufgehoben.

Der Fall dürfte für die Beteiligten ein strafrechtliches Nachspiel haben.

Der Kläger hatte vorgetragen, mit seinem Mercedes einem entgegenkommenden Citroen, der auf seine Fahrspur gefahren sei, ausgewichen zu sein. Hierbei sei es zu einer Streifkollision der beiden Fahrzeuge gekommen. Der Mercedes des Klägers sei in den rechten Straßengraben geraten. Dass der Citroen auf seine Fahrspur gekommen sei, sei darauf zurückzuführen, dass ein Lexus von links aus einer untergeordneten Straße eingefahren und den Citroen seitlich erfasst hätte.

Das Landgericht Münster hat in der ersten Instanz Beweis erhoben durch Vernehmung sämtlicher Zeugen, vor allem der Fahrer der drei beteiligten PKWs. Des Weiteren hat es, wie üblich, ein Unfallrekonstruktionsgutachten in Auftrag gegeben. Der Sachverständige konnte die Blackbox des Lexus auslesen. Aus den Daten ergab sich, dass der PKW unmittelbar vor dem Unfall mindestens 5 Sekunden lang bei geöffnetem Fahrergurt gestanden hatte, mithin nicht in Bewegung gewesen war.

Das LG Münster hielt die Klage nach der durchgeführten Beweisaufnahme für begründet. Der beklagte Versicherer habe den Beweis, dass der Kläger mit dem Unfall einverstanden gewesen sei, nicht geführt. Es sprach dem Kläger Schadensersatz in Höhe von rund 15.000,00 Euro zu.

Das OLG Hamm hat auf die Berufung des Versicherers erneut Beweis erhoben. Es hat sämtliche Zeugen erneut vernommen und den Kläger erneut persönlich angehört. Der Sachverständige wurde erneut zu seinem unfallanalytischen Gutachten angehört. Der Senat kam zum gegenteiligen Ergebnis.

EDR - Event Data Recorder "Blackbox"

In Flugzeugen ist die Blackbox schon lange Standard. Auch in der Unfallregulierung wird sie in den kommenden Jahren erheblich an Bedeutung gewinnen.

Das OLG Hamm führt zunächst aus, was allgemeine Rechtsprechung ist:

„Für den Nachweis eines mit Einwilligung des Anspruchstellers beziehungsweise Geschädigten manipulierten Unfalls ausreichend aber erforderlich ist, dass derart gewichtige Indizien vorgebracht und gegebenenfalls bewiesen werden, die bei einer Gesamtschau in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise nur den Schluss zulassen, dass der Anspruchsteller beziehungsweise Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat. Eine mathematisch lückenlose Gewissheit ist insoweit nicht erforderlich. Es genügt vielmehr nach der unmittelbaren Überzeugungsbildung des Tatrichters ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, das heißt ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie mathematisch lückenlos auszuschließen. Die feststehenden Indizien müssen in lebensnaher Zusammenschau und praktisch vernünftiger Gewichtung den Schluss auf eine Einwilligung beziehungsweise auf ein kollusives Zusammenwirken zulassen, das die Rechtswidrigkeit der angeblichen Rechtsgutverletzung ausschließt (exemplarisch OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 08.12.2017, Az. 15 U 37/16, NJW-RR 2018, 538, Rn. 21 f. m.w.N.).“ (OLG Hamm, a. a. O.)

Den ersten Unfall, also die Kollision zwischen dem Lexus und dem Citroen, hat der Senat bereits aufgrund des Gutachtens und der Feststellung, dass der Lexus mindestens 5 Sekunden lang gestanden haben musste, als manipuliert betrachtet.

Der Senat hat auch nicht verkannt, dass es theoretisch möglich gewesen wäre, dass der Unfall zwischen dem Lexus und dem Citroen abgesprochen war und der Kläger mit seinem Mercedes nur zufällig in dieses Geschehen geraten sein könnte. Da dieser aber in seiner erneuten Anhörung vor dem OLG Hamm abweichende Angaben zu den Umständen des Unfalls machte, wurde ihm kein Glauben geschenkt.

Mitunter hatte er in erster Instanz angegeben, Anlass seiner Fahrt sei die beabsichtigte Abholung eines Bekannten gewesen, der einige Tage bei ihm übernachten wollte. In zweiter Instanz hat er dann einen anderen Nachnamen dieses Bekannten angegeben.

„Aufgrund des Auswechselns des Nachnamens des angeblichen Bekannten sowie der Angabe, dass es im Nachgang zu dem Unfall keinerlei Kontaktaufnahme gegeben habe, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger zum Anlass seiner Fahrt eine unwahre Geschichte erzählt hat.“ (OLG Hamm, a.a.O.)

Dominik Weiser

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht

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