Das LG Frankfurt hat entschieden:
Ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Tragen von Motorradschutzkleidung an den Beinen kann nicht schon aus einem reduzierten Verletzungsrisiko hergeleitet werden. Kann ein dahingehendes Verkehrsbewusstsein den tatsächlichen Umständen und Gepflogenheiten der betroffenen Verkehrsteilnehmer nicht entnommen werden (hier: Fahrer einer Harley Davidson), ist ein Mitverschulden des geschädigten Motorradfahrers nicht feststellbar.
LG Frankfurt, Urt. v. 7.6.2018 – 2-01 S 118/17
Zur Entscheidung im Volltext:
LG Frankfurt, Urt. v. 7.6.2018 – 2-01 S 118/17Der Kläger war als Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall mit einem PKW verletzt worden. Er fuhr eine Harley Davidson und trug hierbei eine „Armee-Stoffhose“. Die Beklagte wandte ein Mitverschulden wegen des unterlassenen Tragens von (Bein-)Schutzbekleidung vor.
Das LG Frankfurt stellt in der Entscheidung zunächst klar, dass es keine gesetzliche Vorschrift gibt, wonach beim Motorradfahren Schutzbekleidung an den Beinen zu tragen sei. (Anmerkung: Anderes gilt natürlich für die Helmpflicht nach § 21 a Abs.2 StVO).
Demnach kommt es aus Sicht des LG Frankfurt darauf an, ob ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Tragen von Motorradschutzkleidung, etwa Beinprotektoren oder Lederhosen, bestehe oder nicht.
Das LG Frankfurt zog für die Beurteilung dieser Frage die Erhebung der Bundesanstalt für Straßenwesen aus 2014 zu Rate, nach welcher nur 43 % der befragten Motorradfahrer schützende Beinkleidung tragen. Das reichte der Kammer nicht aus, um von einem allgemeinen Verkehrsbewusstsein auszugehen.
Speziell zum Thema Schutzbekleidung bei Chopper Fahrern führt es in den Entscheidungsgründen aus:
Andere Umstände, die auf ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Tragen von Schutzkleidung speziell unter Fahrern von Harley Davidsons schließen lassen, wurden nicht dargelegt und sind nicht erkennbar. Die Ausführungen des Klägervertreters, derartige Motorräder würden im Vergleich zu anderen großmotorigen Krafträdern typischerweise weniger zum schnellen Fahren, sondern zum „Cruisen“, also einem moderateren Fahrstil, genutzt, erscheinen jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Daher erscheint es gerade unter Fahrern von Harley Davidsons bzw. Choppern jedenfalls nicht möglich, über den für alle Motorradtypen genannten Satz von 43 % hinaus, eine größere Gruppe zu bestimmen, die das Tragen von Schutzkleidung an den Beinen in ihr Verkehrsbewusstsein aufgenommen hat.
(LG Frankfurt aaO)
Das Urteil zitiert gleich mehrere Parallelentscheidungen weiterer Obergerichte, die aufzeigen, dass die Rechtsprechung bei der Thematik „Mitverschulden wegen unterlassenen Tragens von Schutzbekleidung“ uneinheitlich verfährt.
Das Saarländische Oberlandesgericht hat diese Frage in seinem Urteil vom 12.3.2015 – 4 U 187/13 – offengelassen. Hintergrund war, dass in dem vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall feststand, dass die – leider sehr schweren – Verletzungsfolgen auch bei Tragen von Schutzbekleidung eingetreten wären.
Es kam daher nicht darauf an, ob ein allgemeines Verkehrsbewusstsein im Sinne einer „Pflicht“ zum Tragen von Schutzbekleidung bestand oder nicht.
Fazit: Wer im Gerichtsbezirk des OLG Frankfurt mit seinem Motorrad verunfallt und im wahrsten Sinne des Wortes hinterher (?) den A … llerwertesten offen hat, weil er lieber in Jogginghose als mit Motorradschutzkleidung fährt, darf sich freuen. Es wird ihm aktuell, jedenfalls solange sich der Bundesgerichtshof dieser Thematik nicht angenommen hat, kein Mitverschulden angelastet werden.