Über alternative Methoden der Verteidigung in Verkehrsordnungswidrigkeiten hatte ich schon einmal berichtet: „Flitzer klaut Blitzer, Beitrag vom 07.10.2010„.
Nun liegt dem Bundesgerichtshof ein Fall vor, bei dem der Angeklagte die Messung behindert hat, indem er Fahrzeuge vor dem Messgerät abgestellt hat. Im Gegensatz zum obigen Blitzerklau also eher eine „vorbeugende Maßnahme“. Ob der Angeklagte sich durch dieses Verhalten strafbar gemacht hat, wird sich nun zeigen.
Wie der Kollege Burhoff (hier) und die Verkehrsrecht aktuell in ihrer neuesten Ausgabe berichten, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe dem Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 17.08.2012 folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
„Ist eine Geschwindigkeitsmessanlage eine eigenständige, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienende Anlage im Sinne des § 316 b Abs. 1 Nr. 3 StGB?“
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat über eine Revision in einer Strafsache zu entscheiden. Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen Nötigung verurteilt. Er hatte einen Kastenwagen vor einer mobil aufgestellten Geschwindigkeitsmessanlage aufgestellt, offenbar in der erfolgreichen Absicht, die Messung zu verhindern. Nachdem ihm der Polizeibeamte das Abschleppen angedroht hatte, fuhr der Angeklagte den Kastenwagen weg. Einige Zeit später kehrte er mit einem Traktor mit Anhänger zurück und stellte diesen vor der Messanlage ab. Er ließ den Frontlader herunter, um das Abschleppen zu verhindern.
Das Amtsgericht hat den Angeklaggetn wegen Nötigung nach § 240 StGB verurteilt. Der Verteidiger des Angeklagten legte Revision zum Oberlandesgericht Karlsruhe ein. Das Oberlandesgericht sieht in dem Verhalten – meines Erachtens zutreffend – keine Nötigung. Es führt aus:
„Das Abstellen des Kastenwagens und danach des Traktors vor der Messanlage stellt zwar eine körperliche Kraftentfaltung dar (OLG Karlsruhe NJW 1996, 1551). Im hier zu entscheidenden Fall bewirkte dies jedoch keine körperliche Zwangswirkung gegen den Messbeamten.“
Es vertritt allerdings die Auffassung, der Angeklagte habe sich einer Störung öffentlicher Betriebe nach § 316b StGB strafbar gemacht. Da dieser Ansicht die Rechtsprechung eines anderen Oberlandesgerichts, namentlich des Oberlandesgerichts Stuttgart, das in einer Messanlage keine „Anlage“ im Sinne des § 316 b StGB sieht, entgegensteht, hat es die Frage dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
Behinderungen von Blitzern sind keine Seltenheit und kommen in den unterschiedlichsten Varianten vor. Dementsprechend ist der Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit großem Interesse entgegenzusehen.
Wie der Kollege Burhoff zutreffend anmerkt, ist dieser Fall auch sehr gut für eine Examensklausur geeignet. Er gibt nicht nur Gelegenheit, sich in aller Ausführlichkeit mit dem Gewaltbegriff auseinanderzusetzen sondern schwenkt zudem in einen wenig bekannten Straftatbestand, nämlich die Störung öffentlicher Betriebe nach § 316 b StGB, über.
Den Damen und Herren Studiosi wünsche ich hiermit viel Spaß beim Lernen! Ich hab’s ja zum Glück hinter mir … 🙂