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Fahrerlaubnisentziehung bei „unbewusstem“ Konsum von Amfetamin

justiceDas Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 22.03.2012 AZ 16 B 231/12 Folgendes entschieden:

„1. Die im Regelfall die Kraftfahreignung ausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erfordert einen wissentlichen Konsum.

2. Der Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Drogenaufnahme ist ein Ausnahmetatbestand, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss.“

Dem Antragsteller war wegen des Nachweises von Amfetamin die Fahrerlaubnis entzogen worden. Er hatte vorgetragen, dass es sich um einen unbewussten Konsum gehandelt habe und sich darauf berufen, ihm sei das Amfetamin unbemerkt ins Getränk gemischt worden.

Das OVG NRW führt in den Entscheidungsgründen dazu aus:

„Der vom Antragsteller behauptete Fall einer versehentlichen bzw. missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt.“

Im konkreten Fall hat das OVG die Schilderung des Antragstellers als unsubstantiierte Schutzbehauptung abgetan.

Das OVG NRW liegt damit auf Linie mit einigen weiteren oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zum Vortrag einer unbewussten Einnahme von Amfetamin. Ausgangspunkt zur Beurteilung der Rechtslage ist stets die gefestigte Rechtsprechung, dass bei allen Drogen außer Cannabis bereits der Nachweis des einmaligen Konsums – und zwar unabhängig von der Teilnahme am Straßenverkehr – genügt.

Dies jedenfalls im Regelfall. Eine Ausnahme vom Regelfall hat der jeweilige Betroffene substantiiert und widerspruchsfrei darzulegen, wobei eine starke Tendenz der Gerichte besteht, diese Einlassungen als Schutzbehauptungen abzutun.

Für Betroffene ist es von großer Bedeutung, bereits im Straf- oder Bußgeldverfahren entsprechende Weichen zu stellen, da die Fahrerlaubnisbehörde die Straf- und Bußgeldakten in jedem Fall weitergeleitet bekommen. Leider wird das in der Praxis wohl häufig übersehen. Zitat aus den Urteilsgründen (a.a.O.):

„Im Verwaltungsverfahren hat der Antragsteller seine damaligen Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 2. November 2011 erklären lassen, er habe die Active O2-Flasche, die Herr T. ihm gegeben habe, getrunken. Diese habe einen bitteren Geschmack aufgewiesen. Dabei habe Herr T. ihm mitgeteilt, „Achte mal auf deinen Führerschein“. Demgegenüber lässt der Antragsteller seine jetzigen Prozessvertreter mit dem Antrag auf Regelung der Vollziehung – offenbar in Unkenntnis der früheren Einlassung ihres Mandanten – Folgendes vortragen: Am Abend des 8. März 2011 sei wie aus heiterem Himmel ein zuvor von Herrn T. entwendeter Werkzeugkasten wieder aufgetaucht. Unmittelbar neben dem Werkzeugkasten hätten sich ca. drei Flaschen des Energy-Drinks Active O2 befunden. Ihm, dem Antragsteller, sei sofort klar gewesen, dass nur Herr T. die Gegenstände wieder zurückgebracht haben konnte. Da Herr T. von seiner Vorliebe für dieses Getränk gewusst habe, habe er die Geste positiv gedeutet und die Flaschen als eine Art „Friedensangebot“ an sich genommen, von denen er eine dann gegen 21.00 Uhr zügig geleert habe.“

Autsch!

Dass die Fahrerlaubnisbehörden an einen positiven Ausgang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens nicht gebunden sind, wird anscheinend ebenfalls häufig übersehen. Die Devise heißt hier einmal mehr: „Tellerrand!“ oder: „Lieber gleich zum Fachanwalt!“. 🙂

Dominik Weiser

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht

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