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Archiv: 7. Oktober 2020

Touchscreenbenutzung während der Fahrt nicht grundsätzlich verboten – OLG Karlsruhe

Das Urteil des OLG Karlsruhe ging bereits nach dem Motto „Touchscreen verboten“ durch die Medien.

Das ist nicht zutreffend. Warum die Touchscreenbenutzung während der Fahrt eben nicht verboten, gleichwohl aber problematisch ist, zeige ich nachfolgend auf.

Zunächst der Fall:

Über 200 Euro Geldbuße und einen Monat Fahrverbot durfte sich der betroffene Tesla-Fahrer freuen. Er hatte bei starkem Regen den Touchscreen seines Fahrzeuges benutzt, um das Intervall des Scheibenwischers zu ändern.

Bei seinem Fahrzeug lässt sich zwar mittels eines Hebels am Lenkrad der Scheibenwischer an- und ausstellen, die Einstellung der Intervalle erfolgt aber in einem Untermenü mit merhren Auswahlmöglichkeiten über den Touchscreen des Fahrzeuges. Da er bei dieser Aktion auch noch von der Fahrbahn abkam und eine Sachbeschädigung verursachte, war nach 246.3 des Bußgeldkataloges ein Fahrverbot fällig.

Der Betroffene war der Auffassung, bei einem im Fahrzeug fest verbauten Touchscreen handele es sich nicht um ein elektronisches Gerät im Sinne des § 23 Abs. 1 a StVO.

Die Vorschrift lautet:

(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn

 

1.

hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und

 

2.

entweder

  

a)

nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder

  

b)

zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.

Geräte im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder.

Das OLG Karlsruhe hat zunächst festgestellt, dass unter Satz eigentlich nur solche Geräte fallen, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen. Das ist aber bei einem Touchscreen jedenfalls dann äußerst fraglich, wenn damit im Sinne eines Interfaces grundsätzliche Fahrzeugfunktionen, wie hier der Scheibenwischer, gesteuert werden sollen.

Allerdings hat der Gesetzgeber in Satz 2 ausdrücklich „Berührungsbildschirme“, also Touchscreens, aufgeführt. Fraglich ist also, ob bei einem Touchscreen die Voraussetzungen des Satzes 1 ebenfalls erfüllt sein müssen, also nur solche Touchscreens, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen, erfasst sein sollen.

Aus den Gründen:

Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 a StVO spricht für die Einbeziehung sämtlicher Berührungsbildschirme, entsprechend dem weit gefassten Wortlaut ohne Einschränkung. § 23 Abs. 1 a StVO dient der Unfallverhütung und soll Ablenkungen des Fahrzeugführers vom Verkehrsgeschehen, die durch die Blickzuwendung bei der Bedienung elektronsicher Geräte entstehen, verhindern. Es macht dabei für die Ablenkung des Fahrzeugführers keinen Unterschied, welcher Zweck mit der Bedeutung des elektronischen Gerätes konkret von ihm verfolgt wird. Die Blickzuwendung auf einen Berührungsbildschirm während der Fahrt lenkt die Aufmerksamkeit des Fahrers unabhängig davon ab, ob er einen Kurs in das Navigationsgerät eingibt oder den Scheibenwischer einstellt. § 23 Abs. 1 a StVO a.F. wurde deshalb im Vergleich zur alten Fassung, die nur Mobil- und Autotelefone umfasste, bzgl. der Tatbestandsmäßigkeit elektronischer Geräte erheblich erweitert. Der Kraftfahrzeugführer wird durch die Aufnahme von Berührungsbildschirmen in § 23 Abs. 1 a StVO a.F. auch nicht unverhältnismäßig bei der Bedienung seines Fahrzeugs eingeschränkt. § 23 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 StVO verbietet die Bedienung originärer Funktionen eines Kraftfahrzeugs durch Berührungsbildschirme nicht an sich, sondern gestattet sie unter den Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 2 anders als in der Hand zu haltende Geräte, die gemäß Satz 1 Nr. 1 grundsätzlich verboten sind. Sofern zur Bedienung und Nutzung des fest im PKW installierten Berührungsbildschirms nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist, darf das Gerät auch weiterhin vom Fahrzeugführer verwendet werden. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.03.2020 – 1 Rb 36 Ss 832/19

Ein im Fahrzeug verbauter Touchscreen darf zwar während der Fahrt benutzt werden, aber nur unter der Voraussetzung einer kurzen und angepassten Blickzuwendung. Problematisch werden also die Fälle, in denen, wie im vorliegenden Fall, ein Unfall oder eine Gefährdung passieren und feststeht, dass der Betroffene den Touchscreen bedient hat. Dann dürfte es je nach Lage des Einzelfalles schwierig werden, auf eine kurze Blickzuwendung zu plädieren. Denn es lässt sich ja objektiv anhand der Bedienungsanleitung des Fahrzeugs nachvollziehen, ob man für bestimmte Funktionen in die Untermenüs schauen muss.

Der Fahrer im vorliegenden Fall musste zunächst ein Scheibenwischersymbol auswählen und sich dann zwischen 5 Einstellungsmöglichkeiten entscheiden. Das ist nach der Auffassung des OLG Karlsruhe keine kurze und angepasste Blickzuwendung mehr.

Fazit: Den Touchscreen während der Fahrt zu bedienen,  ist also nicht grundsätzlich verboten.