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Archiv: 3. Juni 2016

Innenministerium des Saarlandes: Keine Privatisierung der Verkehrsüberwachung

Die jüngsten Entscheidungen des Amtsgerichts Neunkirchen, mit denen das Amtsgericht Messungen wegen der Auswertung durch Privatfirmen verworfen hat,  haben für großes Aufsehen im Saarland gesorgt. Derzeit steht die Urteilsbegründung durch das Amtsgericht Neunkirchen an. Die Generalstaatsanwaltschaft hat bereits Rechtsbeschwerde eingelegt, somit wird das Oberlandesgericht des Saarlandes Gelegenheit bekommen, sich mit dem Thema „Privatisierung der Verkehrsüberwachung“ zu befassen.

Zu den konkreten Verfahren in Neunkirchen werde ich mich nicht äußern, da es sich bei mir um mehrere laufende Verfahren mit dieser Problematik handelt. Über die Entscheidung des Oberlandesgerichts werde ich dann natürlich nach Vorliegen berichten, diese wird aber voraussichtlich erst in mehreren Monaten gefällt werden.

Mit diesem Beitrag möchte ich die Allgemeinheit und Betroffene noch einmal für das Thema sensibilisieren. Und ich möchte Kollegen, die im Bereich Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht so häufig tätig und mit der Problematik nicht befasst sind, auf die Problematik aufmerksam machen.

Deshalb stelle ich hier den Erlass des saarländischen Innenministeriums zur kommunalen Verkehrsünberwachung im Volltext als PDF-Datei zur Verfügung und fasse im Anschluss kurz zusammen, was das Innenministerium des Saarlandes damit meines Erachtens zum Ausdruck bringt:

https://rechtsanwalt-weiser.de/raweiser/wp-content/uploads/2016/06/ErlasskommunaleVÜ.pdf

Das Ministerium stellt eindeutig klar, dass die Verkehrsüberwachung eine hoheitliche Aufgabe ist, die nur im Ausnahmefall an Private übertragen werden darf. Dabei sind die Erhebung der Daten (der Messvorgang an sich) und die Auswertung der Daten als eine Einheit zu betrachten.

Es muss also zunächst ein Ausnahmefall vorliegen, der die Behörde berechtigt, überhaupt Private bei der Verkehrsüberwachung einzuschalten, sei es beim Messvorgang oder – was das hier angesprochene Problem ist – bei der Auswertung der Messdaten.

Für mich ist ein solcher Ausnahmefall schon nicht ersichtlich, insbesondere ist die Auswertung durch Dritte vertraglich geregelt und zwar in den mir bekannten Fällen dergestalt, dass eben alle Messungen des jeweiligen oder der jeweiligen Geräte durch die Drittfirmen ausgewertet werden. Was das mit einem „Ausnahmefall“ zu tun haben soll, leuchtet mir nicht ein. Geht man mal davon aus, dass ein solcher Ausnahmefall vorläge, dann dürfen Private dennoch nur unter sehr engen Voraussetzungen, die im Einzelnen genannt werden, involviert werden. Unter anderem steht im Erlass:

Es muss sich um Leiharbeiter oder ähnliche Mitarbeiter handeln, die örtlich und zeitlich in die Gemeindeverwaltung eingebunden sind und von einem für den Messbetrieb qualifizierten Beamten überwacht werden. Diese Privaten müssen darüber hinaus selbst qualifiziert sein.

Bei sämtlichen mir vorliegenden Akten, in denen Dritte eingebunden worden sind, war nicht einmal klargestellt, wer die Messung ausgewertet hat und dass Drittfirmen beteiligt waren. Der einzige Hinweis, dass überhaupt eine Datenweitergabe an Drittfirmen erfolgt sein könnte, ergab sich aus dem Eichschein, da in diesem nicht die Behörde, sondern eben die Privatfirma als Antragsteller der Eichung angegeben war. Häufig bestehen in einem solchen Fall auch entsprechende Verträge zur Auswertung der Messung durch die Privatfirma. Das nur als Hinweis für Kollegen, die sich sicherlich nach Kenntniserlangung von der bis dato doch eher wenig bekannten Problematik, nunmehr fragen werden, woran sie erkennen, dass da überhaupt Privatfirmen im Spiel sind.

Das grenzt meines Erachtens an eine Irreführung durch die Behörden, zumal die Messpersonen – nämlich die jeweiligen Beamten – in der Akte regelmäßig als Zeugen genannt werden und häufig auch Schulungsnachweise beigefügt sind. So wird nach meinem Dafürhalten bei dem mit der Sache befassten Verteidiger der Eindruck erweckt, dass die Messung und Auswertung vollständig durch den oder die jeweiligen Beamten erfolgt sind. Es dürfte auch aus datenschutzrechtlichen Gründen heraus das Mindeste sein, dass dem Betroffenen im Rahmen der Akteneinsicht mitgeteilt wird, dass seine Daten an eine Drittfirma herausgegeben und dort ausgewertet wurden.

Abschließend – und das ist meine ganz persönliche Meinung – kann ich nur hoffen, dass das OLG Saarbrücken die Rechtsbeschwerde der Generalstaatsanwaltschaft verwirft und diese Vorgehensweise für unzulässig erklärt. Sicher ist der oben genannte Erlass auf den ersten Blick verwaltungsinternes Recht, das im Regelfall keine unmittelbare Wirkung für die Betroffenen entfaltet, dergestalt, dass diese sich unmittelbar darauf berufen könnten. Er ist quasi als Anweisung des Ministeriums an die Gemeinden, die in eigener Regie Messungen durchführen, zu verstehen.

In Zeiten, in denen wir beispielsweise darüber diskutieren, ob Dashcamaufnahmen von Verkehrsunfällen überhaupt vor Gericht verwertbar sind oder einer Verwertung die Persönlichkeitsrechte der Fahrzeugfahrer, deren Fahrzeuge (nicht einmal die Personen selbst!!!) gefilmt wurden, entgegenstehen, ist die planmäßige Zurverfügungstellung von massenhaft erhobenen Daten und Fotografien – auch Unschuldiger – Betroffener an Dritte doch wohl eindeutig ein schlechter Scherz.

Aber, wie gesagt, das ist nur meine Meinung.