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Leistungsfreiheit des Vollkaskoversicherers wegen verspäteter Schadenmeldung

Das Oberlandesgericht Hamm hat ausgeurteilt, dass ein Versicherungsnehmer, der vorsätzlich gegen die Obliegenheit, einen Schaden binnen Wochenfrist beim Vollkaskoversicherer zu melden, verstößt, seinen Anspruch auf Leistung aus der Vollkaskoversicherung verliert (OLG Hamm, Beschl. v. 21.6.2017 – 20 U 42/17).

Der Kläger hatte als (vermeintlich) Geschädigter eines Verkehrsunfalls den Unfall erst etwa 6 Monate nach dem Unfallzeitpunkt bei seinem Vollkaskoversicherer gemeldet. § 28 II S. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) stellt den Versicherer im Falle einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei. In den Bedingungen der Vollkaskoversicherer (AKB) ist geregelt, dass ein Vollkaskoschaden binnen Wochenfrist nach Schadenseintritt zu melden ist.

Leistungsfreiheit tritt aber nur ein, wenn der Versicherungsnehmer diese Frist vorsätzlich verletzt. Zu den Anforderungen an ein vorsätzliches Verhalten führt das OLG Hamm aus:

„Eine vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer die Verhaltensnorm, aus der die Obliegenheit folgt, positiv kennt. Insoweit genügt bedingter Vorsatz, der nach allgemeinen Regeln vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg ausbleiben werde.“ (OLG Hamm a. a. O.)

Dabei hat der Versicherer zu beweisen, dass auf Seiten des Versicherungsnehmers Vorsatz vorliegt. Dem Kläger fiel im konkreten Fall zur Last, dass er nicht abgestritten hat, Kenntnis von der Pflicht zur Schadenmeldung gehabt zu haben. Er hat lediglich bestritten, Kenntnis von der Wochenfrist gehabt zu haben. Das hat das OLG Hamm wie folgt gewürdigt:

Der Kläger stellt aber nicht in Abrede, dass er seine Obliegenheit zur Schadenmeldung als solche kannte.

Damit war ihm auch bewusst, dass er den Schaden zumindest zeitnah, insbesondere vor der Reparatur des Fahrzeugs zu melden hatte. Denn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wie der Kläger erkennt, dass die Obliegenheit zur Schadenmeldung dem Versicherer eine möglichst unmittelbare Überprüfung seiner Leistungspflicht ermöglichen soll, die nach längerem Zeitablauf und insbesondere bei einer Beseitigung der geltend gemachten Unfallschäden zumindest in Frage gestellt sein kann. Die Obliegenheit zur Wahrung der Wochenfrist enthält so als minus die Verpflichtung zur zeitnahen Schadenanzeige, die allgemein bekannt ist.

Im konkreten Fall war zudem das Fahrzeug im Zeitpunkt der Schadenmeldung bereits seit Monaten repariert, so dass letztlich auch das Recht des Vollkaskoversicherers zur Fahrzeugbegutachtung vereitelt wurde.

Für die Praxis ist dieses Urteil zu Lasten der Versicherungsnehmer zum einen nicht überraschend zum anderen aber auch nicht so beschwerend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Längst nicht jeder Versicherungsnehmer, der den Schaden nicht binnen Wochenfrist meldet, verliert seinen Anspruch. Liegt eine verspätete Schadenmeldung vor, so muss der Versicherer zunächst den Vorsatz, also die Kenntnis von der Anzeigepflicht, beweisen. Sodann bleibt dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit offen, darzulegen und zu beweisen, dass die verspätete Schadenmeldung keine Auswirkungen auf das Regulierungsverhalten hat, was beispielsweise bei ordnungsgemäßer Dokumentation des Schadens durch ein Haftpflichtgutachten, das unmittelbar nach dem Schaden eingeholt wurde, gelingen kann.

Es empfiehlt sich dringend, bei jeder Unfallregulierung, insbesondere aber, wenn eine Mithaftung des Versicherungsnehmers in Betracht kommt, den eigenen Vollkaskoversicherer zu informieren und ihm anheimzustellen, das Fahrzeug zu begutachten. Die Geltendmachung von Vollkaskoansprüchen kann man sich dabei vorbehalten, für den Fall, dass die Regulierung mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer scheitert.

Dominik Weiser

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht

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